Eine Zwischenbilanz im "Vatileaks 2"-Prozess

Geheimnisverrat im Vatikan

Veröffentlicht am 19.03.2016 um 11:01 Uhr – Von Thomas Jansen (KNA) – Lesedauer: 
Kriminalität

Vatikanstadt ‐ Eigentlich sollte der "Vatileaks 2"-Prozess um die Weitergabe vertraulicher Unterlagen im Vatikan Klarheit bringen. Doch bislang schafft er mehr Verwirrung. Und manche Beobachter fragen bereits, warum sich der Kirchenstaat das Verfahren antut.

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Sex, Mafia, Geheimdienste - der sogenannte "Vatileaks 2"-Prozess, der nun nach dreimonatiger Unterbrechung nach wenigen Tagen erneut ausgesetzt wurde, bot alle Zutaten des Boulevards. Doch die drei Sitzungen in dieser Woche hinterlassen mehr Fragen als Antworten. Die Aussagen des früheren Sekretärs der Präfektur für die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Heiligen Stuhls wirkten diffus und hilflos.

Immerhin so viel scheint klar: Der spanische Priester ist ein Whistleblower gewesen. Der frühere Sekretär der Präfektur für die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Heiligen Stuhls gestand in seiner Vernehmung, dass er den beiden italienischen Journalisten Gianluigi Nuzzi und Emiliano Fittipaldi interne Unterlagen einer päpstlichen Untersuchungskommission zugespielt hat.

Ein psychisch äußerst labiler Geistlicher

Und auch das war offensichtlich: Hier steht ein psychisch äußerst labiler Geistlicher vor Gericht. Nach eigenen Angaben fühlte sich Vallejo Balda von den beiden ebenfalls angeklagten Journalisten bedroht. Zugleich gab er zu, dass es keine direkten und konkreten Drohungen von ihrer Seite gegeben habe. In einem Angstzustand habe er jedoch einige Äußerungen der beiden so interpretiert, als wüssten sie Dinge über sein Leben, die ihn erpressbar machten, so Vallejo.

Was das sein könnte, zeigte sich im Verlauf der Vernehmung. Etwa eine angebliche Liebesnacht mit der ebenfalls angeklagten PR-Beraterin Francesca Chaouqui in Florenz. Spekulationen darüber bestätigte der Geistliche nach Einschätzung von Prozessbeobachtern zumindest indirekt. Er sprach von einem "verführerischen" Verhalten Chaouquis, das für ihn kompromittierend gewesen sei. Erpressbar wähnte sich Vallejo offenbar auch, weil er nach eigener Aussage Schwierigkeiten mit dem Fiskus hat. Offenbar um den Druck zu erhöhen, hat ihn Chaouqui nach seiner Darstellung glauben machen wollen, sie sei die Nummer zwei der italienischen Geheimdienste und verfüge über Mafia-Kontakte.

Linktipp: Geständnis im zweiten Vatileaks-Prozess

Im "Vatileaks 2"-Prozess um die Veröffentlichung vertraulicher Unterlagen hat der angeklagte vatikanische Mitarbeiter Lucio Angel Vallejo ein Geständnis abgelegt. "Ja, ich habe Dokumente an die Journalisten weitergegeben", sagte der Priester.

Zweifel kamen in den vergangenen Tagen unterdessen an der Einzeltäter-These auf. Folgt man zumindest der Darstellung des Journalisten Fittipaldi, gäbe es außer Vallejo Balda noch mehr Geheimnisverräter unter den Mitarbeitern des Papstes. Der spanische Geistliche habe ihm 2015 ungefragt rund 20 Seiten Dokumente überreicht, so Fittipaldi vor Gericht. In seinem Enthüllungsbuch über die vatikanischen Finanzen habe er davon jedoch "nur zwei Dokumente benutzt, da das ganze Material journalistisch betrachtet unbrauchbar gewesen war". Den größten Teil der Unterlagen für das Buch habe er zu diesem Zeitpunkt bereits besessen, so Fittipaldi in der Sitzung am Dienstag.

Fittipaldi hatte bereits im November behauptet, er habe sich mit Leuten aus dem Vatikan getroffen, die sich auf Anweisung von "ganz oben" an ihn gewandt hätten. Bereits das klang mehr nach Kardinal als nach Vallejo Balda - wenn es denn der Wahrheit entspricht.

Warum führt der Vatikan diesen Prozess?

Bleibt die Frage: Warum führt der Vatikan diesen Prozess überhaupt? Viele Beobachter zweifeln mittlerweile daran, dass er sich damit einen Gefallen tut. Die italienischen Staatsbürger Nuzzi und Fittipaldi kann der Vatikan ohnehin nach jetzigem Stand juristisch nicht belangen. Von einem Rechtshilfeersuchen an Italien ist bislang nichts bekannt; es hätte wohl auch wenig Aussicht auf Erfolg.

Damit nicht genug, bietet der Prozess den beiden gewieften Selbstdarstellern Nuzzi und Fittipaldi eine Bühne, um sich vor der Weltöffentlichkeit als Märtyrer der Pressefreiheit zu stilisieren - auf Kosten des Vatikan. Hinzu kommt: Auch eine juristisch noch so gerechtfertigte Haftstrafe für eine Frau wie Chaouqui, die kurz vor der Entbindung steht, will nicht recht zum Heiligen Jahr der Barmherzigkeit passen. Doch der Vatikan will offenbar ein Exempel statuieren.

Von Thomas Jansen (KNA)