Der Passauer Bischof Stefan Oster im Gespräch mit Peter Seewald

"Gott ohne Volk?"

Veröffentlicht am 04.04.2016 um 11:40 Uhr – Von Barbara Just (KNA) – Lesedauer: 
Bischof Stefan Oster im Gespräch.
Bild: © KNA
Bücher

München ‐ Bekannt wurde Peter Seewald mit Büchern, in denen ihm Kardinal Joseph Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI., Rede und Antwort stand. Für sein neues Buch sprach Seewald jetzt mit dem Passauer Bischof Stefan Oster über Kirche und Glaube.

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"Ich habe relativ schnell klargemacht, dass ich katholisch bin. Dass ich die Lehre der Kirche vertrete", bekennt Oster gegenüber Peter Seewald. Der Journalist, dessen Interviewbücher mit Joseph Ratzinger/Papst Benedikt XVI. Klassiker sind, hat für seinen neuen Titel "Gott ohne Volk?" den Passauer Bischof eingehend befragt. Und Oster hat Einblick gegeben in seine Biografie, vor allem aber, wie er über die gegenwärtige Krise des Glaubens und der Kirche denkt.

"Eines meiner wichtigen Anliegen ist, dass ich das, was auf viele Menschen sperrig wirkt, so gut wie möglich zu erklären versuche. Und das ist nicht immer nur bequem", sagt der Bischof. Trendsetter will der Salesianer keiner sein, sondern einfach sein Amt ausüben. Dabei ist ihm bewusst, dass die Kirche Menschen verliert. Seewald konfrontiert ihn mit den Austrittszahlen und dem neuen Heidentum in der Gesellschaft, in der christliche Feiertage nur noch als Wellnesstage gesehen würden und Jesus zur Witzfigur verkomme.

„Es gibt schon noch sehr viele engagierte gläubige Menschen.“

—  Zitat: Stefan Oster, Bischof von Passau

Während der Interviewer die Kirche schon untergehen sieht, will der Bischof kein "Katastrophenszenario" an die Wand malen. Doch auch er spricht von einer großen Krise, bei der die Talsohle noch nicht erreicht sei. Der Säkularisierungsprozess werde sich vielmehr noch beschleunigen, glaubt er. Aber Christus habe der Kirche zugesagt, dass sie nicht untergehe, ruft der Theologe in Erinnerung.

Auch aus der lokalen Perspektive wolle er nicht ganz so schwarz sehen. "Es ist schon noch auch sehr viel da", sagt Oster. "Es gibt schon noch sehr viele engagierte gläubige Menschen." Allerdings funktioniere dieses "In-den-Glauben-Hineinwachsen" eines Kindes nicht mehr so wie früher. Das fordere das theologische Personal zum Umdenken heraus, denn "vieles von dem, was wir gelernt haben, wofür wir ausgebildet wurden", greife nicht mehr.

Vision von einer reformierten Kirche

Es gehe nicht darum, dass junge Leute in den Gottesdienst kämen, damit der Bischof eine volle Kirche habe, meint Oster. "Mein Interesse ist, dass sie eine Erfahrung machen. Und dann hoffentlich nach und nach die Kirche als Raum entdecken, in dem sie Gott begegnen." Der Passauer Oberhirte hat eine Vision von einer "reformierten Kirche, ohne Frage, aber ich kann sie nicht selbst herstellen". Das machten der Herr und der heilige Geist. 

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Gefallen findet der Bischof an einem Wort des früheren Pariser Kardinals Jean-Marie Lustiger (1926 bis 2007), das auch der Münchner Kardinal Reinhard Marx gern zitiert. Demnach befindet sich das Christentum noch in den Kinderschuhen. Erst nach und nach lasse sich verstehen, "was der Glaube eigentlich im tiefsten Herzen mit unserem Menschsein macht und wo Jesus mit uns hinwill".

Zwiespältig schaut Oster auf die gewachsenen Strukturen der katholischen Kirche in Deutschland. "Wir sind quasi auch eine Art Sozialkonzern", nimmt er einen Hauptvorwurf von Kirchenkritikern auf. Auch sei es ein Paradoxon, "dass wir immer mehr Geld haben und gleichzeitig immer mehr Menschen verlieren". Das sei sicherlich nicht das, was Papst Franziskus wolle. Patentrezepte hat Oster nicht. Aber er setzt auf die "authentische Verkündigung des Evangeliums". Damit will er "Sehnsucht wecken - und hoffen, dass einige mitgehen."

Buchtipp: "Gott ohne Volk?"

In dem Buch "Gott ohne Volk? Die Kirche und die Krise des Glaubens" spricht Bischof Stefan Oster mit dem Journalisten Peter Seewald über die drängenden Fragen zur Zukunft der katholischen Kirche in Deutschland. Der Bischof erklärt unter anderem, warum das Evangelium noch eine Botschaft für die Menschen von heute ist und was es für die Gesellschaft heißt, wenn die Bedeutung der Kirche zurückgeht.
Von Barbara Just (KNA)