Aufruf zu mehr Wertschätzung für Hochbetagte
Lehmann rief in einer an den Gottesdienst anschließenden Podiumsdiskussion dazu auf, "sich selbst mit seinem Leben im Alter anzunehmen und Ja zu sich zu sagen". Das Alter sei jedoch nicht schon ein Wert an sich. Der Alte sei letztlich nur dann wirklich weise, wenn er fähig sei, "das Leben wieder in die Hände Gottes zurückzulegen". Dann sei Altern "das Gegenteil des Scheiterns".
Sich darin einüben, einmal ganz verzichten zu können
Ältere müssen nach den Worten des Kardinals Grenzen rechtzeitig erkennen und anerkennen. Annahme des Alters heiße, Älterwerden und Altsein nicht als bloßen Verfall, sondern als "ursprüngliche Form positiven Lebens wahrzunehmen". Beim Altern gehe es nicht darum, etwas anzuhäufen, sondern sich darin einzuüben, eines Tages ganz verzichten zu können.
Der Kardinal verwies zugleich auf "einen schlimmen Altersmaterialismus, für den die greifbaren Dinge alles werden: das Essen und Trinken, das Bankkonto, die Geltungssucht, das Tyrannisieren der Umgebung". Man dürfe dem Altern nicht wehrlos verfallen, man dürfe es aber auch nicht gleichgültig oder zynisch entwerten, so der Kardinal.
Während des Gottesdienstes betonte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, "die Humanität einer Gesellschaft zeigt sich genau daran, wie sie mit Menschen im Alter umgeht". Er sprach von der Schutzbedürftigkeit und Schutzwürdigkeit menschlichen Lebens. Bedford-Strohm erinnerte daran, dass der Musiker Johann Sebastian Bach noch im hohen Alter bedeutende Werke wie die h-Moll-Messe komponiert habe.
Linktipp: Potential bis zum Schluss
Vergesslich, gebrechlich, auf Hilfe angewiesen - oft dominiert diese negative Sicht auf Senioren. Die ökumenische "Woche für das Leben" will den Blick weiten auf die wertvollen Ressourcen alter Menschen und wirbt für ein "Alter in Würde".Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, mahnte in seiner Predigt, hochbetagte Menschen in der vierten Lebensphase dürften nicht in Heimen in die Vereinsamung abgeschoben werden. Der Umgang mit Alten sei der Test für die Qualität einer Zivilisation. Es gelte, jeder Tendenz entgegenzuwirken, Menschen abzuschieben oder zu vergessen. Christen müssten Zeugnis ablegen für die Geschöpflichkeit und Würde des einzelnen Menschen.
Lehmann: Immer was, das zwickt und beißt
Die "Woche für das Leben" kam am Samstag zu ihrem Jubiläum nach Mainz zurück: Lehmann hatte seinerzeit als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz die Initiative in seiner Bischofsstadt gestartet, damals stand sie im Zeichen der Kritik an Abtreibungen. 1994 schloss sich die EKD den Aktionswochen an. Der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) sagteLehmann, er freue sich, dass die Veranstaltung nun wieder in Mainz eröffnet worden sei. Mit Blick auf das eigene Alter betonte der 79-Jährige, dass auch er "immer was hat, was zwickt oder beißt". Aber in den vergangenen Jahren gehe es ihm insgesamt gut.
Inzwischen wird bei der "Woche für das Leben" jedes Jahr ein anderer Aspekt der Achtung vor dem Leben in den Blick gerückt. Im Laufe der kommenden acht Tage finden in ganz Deutschland auf regionaler Ebene Tausende von Einzelveranstaltungen statt. (mit Material von KNA und dpa)