"Plump wie bei Donald Trump"
Auf Seite 34 steht der entscheidende Satz: "Der Islam gehört nicht zu Deutschland", heißt es da. Nach heftiger Kritik über Partei- und Religionsgrenzen hinweg werden AfD-Politiker nun nicht müde, den eigentlich unmissverständlichen Satz doch zu erläutern: Nicht mit den Muslimen, die in Deutschland integriert seien und friedlich ihren Glauben lebten, habe man ein Problem.
Islam als politische Ideologie?
Es sei der Islam als politische Ideologie, der stets mit einem rechtlichen Herrschaftsanspruch verbunden sei, erklärte etwa die stellvertretende Parteivorsitzende Beatrix von Storch in Interviews und Talkshows. Konsequenterweise fordert die Partei in ihrem Programmentwurf ein Verbot der Vollverschleierung, von Minaretten und des Muezzinrufs. Auch die Finanzierung von Moscheen aus dem Ausland soll verboten werden und der Islam nicht den Status einer Körperschaft öffentlichen Rechts bekommen.
Jesuitenpater Felix Körner, Islamwissenschaftler und Theologe an der Gregoriana in Rom, erinnert die plakative Argumentation an die Strategie des potentiellen US-Präsidentschaftsbewerbers Donald Trump: "Je plumper die Formulierungen, desto schneller hat man seine Überschriften in der Presse", lautet Körners Diagnose. Den Islam als politische Ideologie statt als Religion zu bezeichnen, läuft für ihn ins Leere: "Was tun Muslime, wenn sie den Islam praktizieren? Sie beten, fasten, versuchen, mit Gott in Verbindung zu sein – dahinter steht eindeutig ein religiöser Impuls", erklärt er.
Anette Schultner, Sprecherin der Bundesvereinigung Christen in der Alternative für Deutschland, kurz "ChrAfD", hat dennoch Angst vor einem politischen Einfluss des Islam. "40 unter den weltweit 50 Staaten, in denen die schlimmste Christenverfolgung heute geschieht, sind islamische Staaten", sagt sie. Wegen der steigenden Zahl der Muslime macht sie sich deshalb große Sorgen über die Zukunft Deutschlands. Denn der Islam kenne die für säkulare Staaten wie die Bundesrepublik charakteristische Trennung zwischen Kirche und Staat nicht.
Felix Körner sieht das differenzierter. Er verweist auf die Lebensgeschichte des Propheten: Als Mohammed nach Medina kam, habe er auch das Gemeinwesen geleitet. Die Verbindung zwischen Religion und Staatsmacht lasse sich im Islam also leichter begründen als in anderen Religionen. Aber: "Die zweite Frage ist, ob das auch wirklich praktiziert wird", betont der Wissenschaftler. Laut Umfragen wolle der Großteil der Muslime, die in Deutschland lebten, keine Theokratie und auch nicht die Scharia einführen. Vielmehr befürworteten sie das demokratische Staatssystem, ist er überzeugt.
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Von einem von der AfD vermuteten "Herrschaftsanspruch" zu trennen sei das legitime Anliegen von Religionen, die Gesellschaft mitzugestalten. "Wir Christen mischen uns ein und wollen dennoch nicht, dass ein Kardinal Bundeskanzler wird", verdeutlicht Körner. Ähnlich sieht das Ansgar Hense, Direktor des Instituts für Staatskirchenrecht der Diözesen Deutschlands: "Jede Religion kann ihre Ansichten und Vorschläge einbringen – so wie das die katholische Kirche in Deutschland vehement beim Thema Bioethik oder Lebensschutz vertritt". Entscheidend sei es, die politische Filterfunktion des Staates und sein politisches Gestaltungsermessen zu akzeptieren. "Gegen solche verfassungskonformen staatlichen Maßnahmen und parlamentarischen Mehrheitsentscheidungen gibt es kein Widerstandsrecht der Religionen", erklärt er. Daran müssten sich alle halten – auch die Muslime.
"Mit Burka sollte niemand Auto fahren"
Die Vorschläge der AfD, religiöse Symbole des Islam pauschal aus der Öffentlichkeit zu verbannen, sind nach seiner Ansicht mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Die Religionsfreiheit könne nur unter sehr engen Bedingungen eingeschränkt werden – zum Beispiel dann, wenn ihr andere wichtige Verfassungsgüter entgegenstünden. Ein Beispiel sei die Verkehrssicherheit: "Mit der Burka sollte aufgrund der eingeschränkten Sicht niemand Auto fahren – genauso wenig wie mit einem Handy am Ohr", erläutert Hense. Was den Bau von Minaretten und Moscheen – ebenso wie den von anderen Gotteshäusern - angehe, gebe es bereits spezielle baurechtliche Regelungen und nicht wenige Gerichtsentscheidungen. Solche Gebäude müssten sich in die Umgebung einfügen - etwa, was Höhe als auch den Abstand zu anderen Gebäuden angehe.
All diese Argumente überzeugen Anette Schultner nicht. "Wir sprechen von Integration – aber wie sollen denn Frauen in unserer Gesellschaft ankommen, wenn sie noch nicht einmal ihr Gesicht zeigen?", fragt sie. Für sie ist die AfD die einzige Partei, die ihre Sorgen ernst nimmt. Über 20 Jahre war sie zunächst in der CDU, dann in der CSU aktiv. Nicht nur in Sachen Islam, auch bei anderen Themen wie etwa Gender und Lebensschutz sieht sie ihre Heimat nun in der AfD. Als Sprecherin der "Christen in der AfD" hat sie für den Bundesparteitag einen Antrag vorbereitet, nachdem sich die Partei für einen strikten, absoluten Lebensschutz einsetzen soll - beginnend bei der Vereinigung von Samen und Eizelle. Dazu gehört auch die Forderung, die Gesetzgebung zu Schwangerschaftsabbrüchen zu verschärfen, wenn die Zahl der Abtreibungen nicht abnimmt.
AfD: Woelki setzt falsche Prioritäten
Macht Schultner die harsche Kritik Kardinal Woelkis am Vorstoß der AfD zum Islam etwas aus? Da muss sie nicht lange überlegen. Der Kardinal setze die falschen Prioritäten: "Die Verteidigung von Muslimen sollte nicht sein Hauptproblem sein", meint sie. Stattdessen müsse er sich mehr um die Christen in den Flüchtlingsheimen kümmern, die oft unter Drangsalierungen durch Muslime zu leiden hätten: "Sie werden von zu vielen Christen in Deutschland im Stich gelassen". Und noch ein anderes Thema ist ihr wichtig: "Uns Christen ist die Missionspflicht aufgegeben. Wenn schon so viele Muslime nach Deutschland kommen, müssen wir ihnen unseren Glauben anbieten". Angesichts solch pointierter Positionen scheinen weitere Diskussionen programmiert – auch über den Parteitag der AfD am Wochenende hinaus.