Wartelisten-Skandal lässt Zahl der Organspender weiter einbrechen

Kein Vertrauen, keine Spender

Veröffentlicht am 24.04.2013 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Gesundheit

Bonn ‐ Der Skandal um Manipulationen von Wartelisten für Organtransplantationen lassen die Spendenbereitschaft in Deutschland weiter einbrechen. Im ersten Quartal 2013 ging die Zahl der Organspender um 18 Prozent auf 230 zurück. Dies gab die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) am Mittwoch in Berlin bekannt.

  • Teilen:

Im gesamten Jahr 2012 gab es schon einen Rückgang um 12,8 Prozent: Nur noch 1046 Bürger waren bereit, Organe nach ihrem Tod zur Verfügung zu stellen. Der Rückgang im vergangenen Jahr beschleunigte sich nach Bekanntwerden der Manipulationen auf einen aus DSO-Sicht "dramatischen Tiefstand".

Losinger weiterhin von Organspende überzeugt

Der Augsburger Weihbischof Anton Losinger, der auch Mitglied im Deutschen Ethikrat ist, zeigte sich gegenüber katholisch.de von dieser Entwicklung bestürzt. Auch in seinen Augen ist der Organspende-Skandal der wichtigste Grund für die weiter zurückgegangene Spendebereitschaft: "Die Frage der Gerechtigkeit ist entscheidend für die Frage, ob jemand seine Organe spenden möchte oder nicht." Die kriminellen Verwicklungen, bei denen einige Ärzte versucht hätten, durch Manipulation von Patientendaten bestimmte Menschen zu bevorzugen, hätten der Organspende "einen Bärendienst" erwiesen, so der Weihbischof.

Im Jahr 2007 gab es mit bundesweit 1313 postmortalen Organspendern einen Spitzenwert. Pro Spender werden im Schnitt laut DSO 3,4 Organe entnommen. Im vergangenen Jahr waren es 3511 - nach 3917 im Jahr 2011. In Deutschland warten 12 000 schwerkranke Patienten auf Spenderorgane: Benötigt werden Nieren, Lebern, Herzen und Lungen.

Mehr Transparenz gefordert

Um die auf einen langjährigen Tiefstand abgerutschte Spendenbereitschaft zu erhöhen, hat die DSO sich organisatorisch neu aufgestellt und Bund und Länder mit einbezogen. Dies soll die Strukturen transparenter machen. Ziel sei es, Missbrauch zu verhindern und Vertrauen in das System der Organspende wieder herstellen, sagte DSO-Vorstand Rainer Hess.

Anfang Januar hatte die Leipziger Uni-Klinik Manipulationen in ihrem Haus publik gemacht. Patienten sollen fälschlicherweise als Dialyse-Fälle geführt worden sein, um sie auf der Warteliste für eine Spenderleber nach oben rutschen zu lassen. Zuvor waren ähnliche Vorfälle in Göttingen, Regensburg und München bekanntgeworden.

Neue Regeln, schärfere Strafen

Dies hat den bestehenden Organmangel weiter verstärkt. Bei Umfragen ließen jüngst 35 Prozent der Bürger eine gesunkene Spendenbereitschaft erkennen. Die Bundesregierung lässt derzeit schärfere Strafen bei Organspende-Tricksereien prüfen. Die Umstrukturierungen bei der DSO sollen nach den Worten von Hess sicherstellen, dass Spenderorgane in jedem Fall bei jenen Patienten landen, die darauf am Dringendsten angewiesen sind.

Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, hält die Umorganisation der DSO für unzureichend. "Es ist Zeit, die Koordinierung der Transplantation in Deutschland einer staatlichen Institution zu übertragen", sagte er der Nachrichtenagentur dpa. "Mit ein paar Ministerialbeamten im Stiftungsrat ist das nicht zu erreichen." (mir/dpa)