Papst: Geistlichen Analphabetismus überwinden
Weitere Kennzeichen seien eine innere Einsamkeit, die zu existenzieller Traurigkeit werden könne, sowie das Gefühl einer "vermeintlichen Unabhängigkeit von Gott", das oft mit einer "gewissen Sehnsucht nach seiner Nähe" einhergehe, so Franziskus. Aus diesem Waisen-Dasein könnten nur der Heilige Geist und Jesus Christus den Menschen befreien.
Der Heilige Geist sei kein Geist, der zum Sklaven mache, sondern zu Kindern Gottes, sagte der Papst weiter. Er stelle damit die zerstörte "innerste DNA" des Menschen wieder her und führe zu einer Wiedergeburt. Die Ausgießung des Heiligen Geistes "von der unermesslichen Gabe der Liebe, die der Tod Jesu am Kreuz darstellt", sei für die ganze Menschheit "wie ein unendlicher Gnadenstrom". Wer in dieses Geheimnis der Wiedergeburt gläubig eintauche, "wird zur Fülle des Lebens als Kind Gottes wiedergeboren".
Im Münchner Liebfrauendom rief der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, am Pfingstsonntag dazu auf, auf die Kraft des Geistes zu bauen, der Türen öffne und dazu befähige, "die Sprachen der anderen zu sprechen". Christen könnten das Evangelium nicht hinter verschlossenen Türen oder in einer feindlichen Abgrenzung zu anderen Religionen und Nichtglaubenden leben und bezeugen, erklärte der Erzbischof von München und Freising laut dem vorab veröffentlichten Predigttext.
Das "Wunder vom Pfingstfest ist auch ein Wunder der Kommunikation", so Marx weiter. Dieses Wunder bestehe in erster Linie darin, dass "die junge Kirche ihre Angst verliert, die verschlossenen Türen öffnet und sich der Welt stellt mit der Verkündigung, dass Jesus lebt, dass Gott ihm endgültig recht gegeben hat". Es handle sich um einen "Aufbruch im tiefsten Sinne des Wortes", betonte Marx.
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"Erst nach der Geistausgießung an Pfingsten kann die Kirche sein, wozu sie der Auferstandene berufen hat, nämlich missionarische Kirche", so Weihbischof Thomas Maria Renz in seinem Gastbeitrag zu Pfingsten.Auch heute noch sei es für Christen bei der Verkündigung des Evangeliums entscheidend, dass sie "die Sprache der Menschen sprechen, denen wir begegnen", betonte der Kardinal. Evangelisation heiße, sich auf die Lebens- und Erfahrungswelt sowie auf verschiedene Kulturen und Situationen einzulassen. "Nur so kann das Christus-Ereignis auch in unserer so vielfältigen und manchmal unübersichtlichen Gesellschaft kraftvoll bezeugt werden." Dafür, so Marx, müssten sich Christen vor allem von aller Angst und Sorge um die eigene Identität befreien: "Wir fragen nicht mehr: Was wird aus uns? Sondern: Was wird aus der Welt? Was wird aus den Menschen, wenn sie nicht die Chance bekommen, die Botschaft vom Leben mit Christus zu hören?"
Im Gegensatz dazu zeichne sich in den gegenwärtigen Debatten häufig die Tendenz ab, neue Mauern aufzubauen, sich einzuschließen und sogenannte Leitkulturen gesetzlich festzulegen, kritisierte der Kardinal. Man könne den Eindruck gewinnen, "dass zurzeit vielerlei Ängste und Unsicherheiten da sind und sicher auch durch Pauschalisierungen, undifferenzierte Äußerungen und simples Schwarz-Weiß-Denken befördert werden". Das gelte auch im Blick auf die sehr "vielschichtige Wirklichkeit Islam in unserem Land". Es gelte, in einem neuen Aufbruch die Ängste um die eigenen Identität hinter sich zu lassen. "Pfingsten ist das Fest, das uns dazu neu in Bewegung bringt, das der Kirche neuen Mut macht", erklärte Marx. (stz/KNA)