Missio und Kindermissionswerk über den Kinderschutz in der Kirche

"Mit dem Missbrauch dürfen wir nie abschließen"

Veröffentlicht am 20.05.2016 um 18:00 Uhr – Von Gabriele Höfling – Lesedauer: 
Weltkirche

Aachen ‐ Ein Thema, das die Abgründe der menschlichen Existenz zeige, so Hans Zollner, Präsident des päpstlichen Kinderschutzzentrums. Vertreter katholischer Organisationen diskutierten über Kinderschutz in der Kirche.

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Seit dem Bekanntwerden des Missbrauchsskandals in der katholischen Kirche ab der Jahrtausendwende hat sich einiges getan: 95 Prozent der Bischofskonferenzen weltweit haben Leitlinien zum Umgang mit Missbrauch und Prävention erlassen, auf der ganzen Erde werden Projekte zum Kinderschutz gefördert, tausende katholische Schulen und Universitäten bemühen sich um Aufklärung. "Die katholische Kirche ist weltweit die Institution, die sich am stärksten für die Entwicklung von Kinderrechten engagiert", ist Zollner überzeugt.

Nachholbedarf in Teilen der Weltkirche

Trotzdem gibt es noch Nachholbedarf: "Die Sensibilisierung für das Thema ist eine ganz große Herausforderung, aber sie ist noch nicht in allen Teilen der Weltkirche so ausgeprägt wie in Europa", erläutert Prälat Klaus Krämer, Präsident von missio Aachen und dem Kindermissionswerk "Die Sternsinger".

Für den Jesuitenpater Zollner, der auch Mitglied in der päpstlichen Kinderschutzkommission ist, ist für die Zukunft ein Punkt besonders wichtig: "Wir müssen die Einstellungen der Menschen in der Weltkirche zu dem Thema Missbrauch langfristig verändern. Und das geht eben nur durch Bildung, Ausbildung, Erziehung", erklärt er. Das Veröffentlichen von Leitlinien verändere nicht automatisch auch etwas in den Köpfen: "Es reicht nicht, wenn etwas auf einem Banner steht, sondern es muss auch in dem abgelegensten Dorf im afrikanischen Busch ankommen".

Prälat Klaus Krämer und Pater Hans Zollner
Bild: ©katholisch.de

Prälat Klaus Krämer und Pater Hans Zollner

Das französischsprachige Westafrika und Teile Asiens identifiziert er als die Bereiche der Weltkirche mit dem größten Nachholbedarf. "In diesen Ländern hungern und sterben Kinder, junge Menschen ziehen als Kindersoldaten in den Krieg – vor diesem Hintergrund ist dort der starke Fokus der europäischen Kirche auf das Thema Missbrauch nicht immer nachvollziehbar", erklärt Zollner. Auch in Ländern wie Deutschland und den USA sei das Thema erst vor einigen Jahren und durch die "harte Schule" des Missbrauchsskandals auf die Agenda gekommen. Hinzu komme, dass die Kirchen in ärmeren Ländern nicht in gleichem Umfang über ausgebildete Fachleute verfügten wie die reicheren Länder in Europa.

Umso wichtiger sind für den Psychologieprofessor die kirchlichen Hilfswerke, die Erfahrungen in der Arbeit mit Kindern haben. "Wir brauchen Institutionen wie das Kindermissionswerk und missio, die Vorwissen über die Situation von Kindern in den verschiedenen Ländern haben". So unterstützen die Sternsinger etwa ein Projekt am Hauptbahnhof der Millionenstadt Bangalore in Indien, das mit Straßenkindern arbeitet - von denen viele bereits Gewalterfahrungen gemacht haben.

Schulung von Stipendiaten aus Afrika und Asien

Ein ganz anderes Beispiel für die Präventionsarbeit ist die Nachwuchsförderung des Missionswissenschaftlichen Instituts (MWI). Einige der Stipendiaten aus Afrika und Asien tagen derzeit in Aachen – und bekommen von Hans Zollner einen Einblick in den Themenbereich Prävention: "Diese jungen Leute nehmen in ihren Heimatkirchen später Schlüsselpositionen ein", erläutert Gastgeber Krämer. Er hofft, dass sie diesem Thema durch die Schulung bei ihrer späteren Arbeit ein entsprechendes Gewicht geben.

Die katholische Kirche in Deutschland liegt aus Sicht von Pater Zollner bei den Maßnahmen zur Missbrauchsprävention im Vergleich zu anderen Ländern vorn: "Die deutsche Bischofskonferenz ist einen konsequenten Weg gegangen". Gleichzeitig warnt der Ordensmann vor zu viel Optimismus: "Das Böse ist in der Welt und wird nie vollständig verschwinden". Mit dem Thema Missbrauch soll und darf die Kirche nach seiner Ansicht niemals abschließen – auch wenn es noch so hässlich ist.   

Linktipp: Wo bleibt die Hilfe der Theologen?

Ein Problem in allen Teilen der Welt: Sexuelle Gewalt gegen Kinder. Der Jesuit Hans Zollner leitet in Rom das vatikanische Zentrum für Kinderschutz. Im Interview spricht er über hohe Rückfallquoten und neue Aufgaben der Theologie.

Themenseite Missbrauch

Der Missbrauchsskandal erschütterte die katholische Kirche in ihren Grundfesten. Seit 2010 die ersten Fälle bekannt wurden, bemüht sich die Kirche um Aufarbeitung der Geschehnisse. Katholisch.de dokumentiert die wichtigsten Etappen.
Von Gabriele Höfling