Ein Ort für das Wort
Vor der Bühne stehen junge Leute mit Jute-Beuteln und pusten Seifenblasen in die Luft. Menschen mit grünen Schals und Schlüsselanhängern schlängeln sich über den Platz, einige in Rucksack und Turnschuhen, andere mit Anzügen, manche schieben einen Kinderwagen vor sich her. Fahrradfahrer kämpfen sich durch das Getümmel. Die Sonne lugt hinter den Wolken hervor.
In diese entspannte Stimmung passt sich der Stand des Erzbistums Berlin perfekt ein. Er grüßt relaxt als "Strandbar" und ist zur Verdeutlichung mit Badelatschen dekoriert. Daneben wurde ein Strand aufgeschüttet, Liegestühle und Strandkörbe sind rege frequentiert, ein Kleinkind interessiert sich sehr für das aufblasbare Planschbecken.
"Die Personen und Regionen des Bistums näher bringen"
Nebenan sind auch die Bänke vollbesetzt, die zum Stand des gastgebenden Bistums Dresden-Meißen gehören. Die Katholikentagsbesucher gesellen sich zu dort zu einigen vorinstallierten Figuren, die Persönlichkeiten aus dem Bistum zeigen: Der selige Alois Andritzki ist dabei, der heilige Benno als Bistumspatron und auch Ministranten und Ordensleute aus der Gegenwart.
"Wir wollen den Menschen die Personen und Regionen des Bistums näher bringen", sagt Ulrike Wicklein, die im Bistum Dresden-Meißen als Referentin für den Katholikentag arbeitet. Die Ergänzung zu den Personen auf den Bänken bildet ein übermannshohes Bilderbuch. Dreht man die Seiten um, klappen sich Pappfiguren auf, die wichtige Orte des Bistums wie das Erzgebirge zeigen. 50 Ehrenamtliche betreuen den Stand über das Katholikentags-Wochenende. "Neben der allgemeinen Standbetreuung sind sie vor allem auch da, um mit den Menschen ins Gespräch zu kommen", erklärt Wicklein.
So etwa mit Heike Meyer. Sie ist aus dem Bistum Trier angereist und macht gerade ein Selfie vor dem Riesen-Bilderbuch. Ihr 13-jähriger Sohn Aaron ist auch dabei. Auf die Frage, ob er denn freiwillig mit auf die Kirchenmeile gekommen ist oder doch eher im Schlepptau der Mutter, antwortet er mit einem entschiedenen: "Ja klar, ich wollte sogar gern mit, sonst wäre ich schon im Hotel geblieben". Was ihm am Katholikentag gefällt, ist die Vielfalt: die Bühnen überall in der Stadt, und dass an jeder Ecke etwas los ist.
Radfahrt für Arme auf den Philippinen
Wenige Meter weiter, am Burgplatz, haben die katholischen Hilfswerke ihren Bereich. Am Stand von missio zerrt die 11-jährige Chiara an ihrer Mutter: "Du musst das auch machen, dann gibt es eine Spende". Wenige Augenblicke später sitzt Rita Scharzwatz auf einem roten Fahrrad ohne Gangschaltung, dafür mit einem großen, schweren Anhänger und tritt in die Pedale. Vor den Augen hat sie ein brillenartiges Konstrukt, in dem ein i-Phone versteckt ist und mit dem sie sehen kann, welche Strecke die Fahrradtaxen in der philippinischen Hauptstadt Manila zurücklegen: Vorbei an armseligen Behausungen radeln sie auf einer langen Straße, an der weder Himmel noch Horizont zu sehen sind. Johanna Klumpp, Referentin von missio, stoppt die Strecke, die Rita Scharzwatz zurücklegt: "Wir haben Sponsoren, die für jeden Kilometer eine Spende für Bedürftige geben", erklärt sie.
Ein weiterer Teil der Kirchenmeile erstreckt sich rund um die gerade erst geweihte Propsteikirche. Dort haben unter anderem Orden und die westdeutschen Bistümer ihre Stände aufgebaut – und sich ebenfalls durchaus kreative Methoden ausgedacht, um die Besucher anzusprechen. Vor dem Zelt der Steyler Missionarinnen und Missionare stehen die Menschen bis auf die Straße. Drinnen singt eine Band aus Theologiestudenten aus Benin, Ghana, dem Kongo, Indien und Indonesien fröhliche afrikanische Lieder, die Zuhörer nicken im Takt der Trommeln dazu.
Weniger musikalisch, dafür aber galaktisch kommt der Stand des Bistums Essen daher: Nicht zu übersehen ist das weiße Astronautenkostüm. Ein großer Ständer ist gefüllt mit Postkarten, die allesamt Fotos aus dem All zeigen. "Ein Astronaut geht dahin, wo vor ihm noch niemand gewesen ist, bricht auf in eine neue Welt. Und das gleiche gilt für die Kirche heute doch eigentlich auch: Sie muss ganz neue Wege finden", erklärt Roswitha Paas vom Vorstand des Diözesanrats das Konzept. Auf einer Tafel steht die Frage "Was braucht die Kirche für eine Expedition ins Ungewisse?". Ein Mann und eine Frau, die davorstehen, überlegen: "Neue Orte", "Gottvertrauen", "Sehnsucht" und "Lust auf Veränderung" sind die Begriffe, die sie schließlich aus den zur Verfügung stehenden Magnetbausteinen auswählen.
Schräg gegenüber beim Bistum Rottenburg-Stuttgart ist vor einem Graffiti des Letzten Abendmahls eine acht Meter lange Tafel aufgebaut. Um sie herum stehen 20 Stühle, auch einige Kindersitze sind dabei. "Wir wollten den Gedanken des Teilens in die Gegenwart übersetzen. An unserer Tafel können die Menschen Essen teilen, aber eben auch Zeit teilen oder Gespräche", erklärt Wolfgang Müller, Referent für Öffentlichkeitsarbeit. Einige der Besucher haben aufgeschrieben, was sie besonders gern teilen. Ein Statement lautet: "Bonbons. Und Freude. Es ist so traurig, sich allein zu freuen".
Einladung zum nächsten Katholikentag nach Münster
Jenseits aller kreativen Aktionen scheint die Kirchenmeile in Leipzig vor allem eins auszuzeichnen: Die Menschen kommen miteinander ins Gespräch. Das zeigt sich auch in dem großen Zelt, das sich die Nord(erz)bistümer Hildesheim, Hamburg, Münster und Osnabrück beherbergt. Die meisten Plätze des dortigen Cafés sind besetzt, die vielen einzelnen Stimmen verschwimmen zu einem gleichmäßigen Teppich.
In einer Ecke ist ein Automat aufgebaut, der denen ähnelt, mit denen man in Kaufhäusern Passfotos machen kann. Hier lassen sich Menschen fotografieren, die sich jetzt schon auf den nächsten Katholikentag freuen. "Wir sehen uns in zwei Jahren in Münster" steht auch unter dem Foto, das Barbara und Herbert Probst gemacht haben. Wie ihnen die Kirchenmeile gefällt? "Ehrlich gesagt: Vor lauter Reden sind wir gar nicht weit herumgekommen. Wir haben gar nicht viel geschafft", resümiert Herbert Probst, zuckt mit den Schultern, lacht und verschwindet in der wuselnden Menge.