"Ein trauriger Tag für Europa"
Nichols bete dafür, "dass unsere Nationen auf unsere besten Traditionen aufbauen werden: Freigiebig sein, Fremde willkommen heißen und Zuflucht für Notleidende bieten". Nach dem "Brexit" müsse man hart daran arbeiten, sich als gute Nachbarn und entschlossene Mitwirkende zu zeigen. Denn nur mit internationaler Anstrengung könne man die kritischen Probleme von heute angehen.
Der Chefredakteur des "Catholic Herald", Luke Coppen, glaubt, dass die katholischen Bischöfe Großbritanniens "tief enttäuscht sind". Immerhin seien sie generell dafür gewesen, in der EU zu bleiben, berichtet er im Interview mit der "Catholic News Agency" (CNA). Was der "Brexit" für britische Katholiken bedeute, könne er noch nicht abschätzen. Auch wisse man noch nicht, wie sie abgestimmt hätten. Coppen geht aber davon aus, "dass dieses Ergebnis die Katholiken spaltet".
Nach den Worten von Papst Franziskus erfordert die Entscheidung Großbritanniens ein großes Maß an Verantwortung in Europa. Mit dem Votum sei "der Wille des Volkes" zum Ausdruck gebracht worden, sagte das Oberhaupt der katholischen Kirche laut der Nachrichtenagentur Ansa am Freitag während des Flugs nach Armenien. "Das erfordert von uns allen eine große Verantwortung, um das Wohlergehen des Volkes des Vereinigten Königreichs sicherzustellen, aber auch das Wohlergehen und das Zusammenleben des gesamten europäischen Kontinents. Das erwarte ich mir." Er selbst hab erst im Flugzeug vom Ausgang des Votums erfahren.
Bischof beklagt "hysterische" Kampagne
Der Vorsitzende der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK), der anglikanische Bischof Christopher Hill aus Großbritannien, bedauert das Ergebnis. Viele für die Abstimmung entscheidende Behauptungen, besonders zum Thema Migration, hätten nichts mit den "tatsächlichen" Fakten zu tun, sagte Hill am Freitag in London. Der Ton während der Kampagne sei oft "hysterisch" gewesen.
Dem KEK-Vorsitzenden zufolge brauchen Europa und Großbritannien nun dringend eine ernsthafte Debatte über die Zukunft. Hill hoffe, dass die Kirchen eine Vision von Europa wiederbeleben könnten, die vom christlichen Verständnis der Gesellschaft geprägt sei. Nicht "nur" Wirtschaft, sondern das Wohl für die gesamte Gesellschaft solle dabei im Vordergrund stehen.
Der Bischof betonte, Großbritanniens Kirchen blieben Mitglieder der KEK. Die Organisation müsse nun zu einer vernünftigen Debatte mit den Kirchen in Europa beitragen, bei der besonders die Mitglieder in Süd- und Osteuropa miteinbezogen würden. - KEK ist ein Verbund von 114 orthodoxen, protestantischen, anglikanischen und altkatholischen Kirchen aus Europa. Die katholische Kirche unterhält ein EU-Büro in Brüssel; die EU-Bischofskommission COMECE wollte sich am Freitag nicht äußern.
Als einen Rückschritt hat Hamburgs Erzbischof Stefan Heße die Entscheidung bezeichnet. Er habe das Ergebnis des britischen Referendums mit Respekt und großem Bedauern zur Kenntnis genommen, sagte Heße, der auch Flüchtlingsbeauftragter der Deutschen Bischofskonferenz ist, am Freitag in Hamburg. "Nicht nur in der Flüchtlingsfrage brauchen wir ein gemeinsam handelndes Europa. Der sicherlich oft mühsame Weg der Einigung Europas hat einen herben Rückschlag erlitten."
ZdK-Generalskretär Vesper will EU reformieren
Der Generalsekretär des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Stefan Vesper, hat die Union nach der historischen Entscheidung der Briten für den EU-Austritt zu Veränderungen aufgerufen. "Die EU stärken, indem wir sie reformieren", schrieb er am Freitagmorgen auf Facebook. Zudem warb Vesper für einen noch entschiedeneren Einsatz der Christen für Europa.
In fünf "unsortierten Gedanken" zum Brexit, für den sich die Mehrheit der Briten am Donnerstag per Volksabstimmung ausgesprochen hat, formuliert der ZdK-Generalsekretär: "Das ist Demokratie, die Entscheidung ist zu respektieren." Er wirbt zugleich dafür, die "proeuropäischen britischen Freunde" nicht zu vergessen; es dürfe nun jedenfalls nicht ganz Großbritannien in einen Topf geworfen werden.
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In dem Post griff Vesper den ehemaligen Londoner Bürgermeister und führenden Kopf der Brexit-Kampagne, Boris Johnson, scharf an. Typen wie er würden sich nicht lange halten, "denn ihre dreisten Versprechungen werden schnell vergehen". Nach dem angekündigten Rücktritt von Großbritanniens Premier David Cameron gilt Johnson, der ebenfalls zur Konservativen Partei gehört, als ein möglicher Nachfolger.
BDKJ: Ein trauriger Tag für Europa
Der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) bedauert den Ausgang des Referendums ebenfalls. "Das ist ein trauriger Tag für Europa“, sagte die BDKJ-Bundesvorsitzende Katharina Norpoth am Freitag in Düsseldorf. Das Land habe sich zu mehr Nationalstaatlichkeit und zu mehr Abschottung entschlossen. "Angesichts der bekannten Problemlagen – etwa der ungeklärten Flüchtlingsfrage – halte man das für den falschen Schritt.
Das Nein des Vereinigten Königsreichs dürfe kein Modell für andere euroskeptische Länder werden, so Norpoth. "Die Europaskepsis und die Erstarkung von Rechtspopulisten sind europaweite Befunde. Sie sind das Ergebnis eines Jahrzehntes der Krisen und werden mit der Entscheidung heute weiter befeuert." Die Europäische Union müsse sich jetzt die Frage stellen, wie sie mit dem Austrittsland weiter umgehen will. Es dürfe keine Extra-Zusagen für einzelne Länder geben, die sonst nicht Teil der Gemeinschaft sein wollen. "Das gefährdet die europäische Idee."
Scharfe Kritik vom KKV
Scharfe Kritik an der Entscheidung der Briten übt der Verband der Katholiken in Wirtschaft und Verwaltung (KKV). "Wer 70 Jahre nach dem Krieg in Europa noch immer glaubt, dass man nationalstaatlichen Interessen den Vorrang geben muss, der hat nicht begriffen, dass nur ein vereintes Europa auf Dauer Zukunft hat", sagte der KKV-Bundesvorsitzende Bernd-M. Wehner.
In einem vereinten Europa sehe der Verband "die Gewähr für Frieden, Freiheit, Wohlstand und eine zukunftsfähige Gesellschaft auf unserem Kontinent", so Wehner weiter. "Deshalb brauchen wir heute nicht weniger Europa, sondern mehr." Es sei letztlich ein Eigentor, wenn man im Zeitalter der Globalisierung zur Nationalstaatlichkeit zurückkehren wolle. Schließlich herrsche in Europa dank der EU Frieden, die Bürger könnten frei reisen und bezahlen, die Unternehmen hätten enorme Exportchancen und letztlich beschere die EU allen Bürgern einen höheren Wohlstand. (bod/jhe/KNA)
24.06.2016, 13.50 Uhr: ergänzt um das Statement von Papst Franziskus
24.06.2016, 14.55 Uhr: ergänzt um das Statement des KKV