Plädoyer für ein neues Modell
Frage: Herr Langenhorst, in einem Gastbeitrag für die "Herder Korrespondenz" über die Firmung haben Sie einmal vom "verschenkten Sakrament" gesprochen. Was meinen Sie damit?
Langenhorst: Der Ausdruck hat einen doppelten Sinn. Einerseits verschenkt sich Gott selbst, seine Kraft und seinen Geist an die Kinder und Jugendlichen, die die Firmung empfangen. Andererseits ist es aber eine Krisenanzeige. Denn "verschenktes Sakrament" heißt auch, dass die Art und Weise, wie wir die Firmung heute spenden, nicht optimal ist. Denn die meisten Kinder und Jugendlichen werden durch das Sakrament nicht wesentlich geprägt. Kurzum: Es bewirkt bei ihnen nichts.
Frage: Wo sehen Sie die Ursache des Problems?
Langenhorst: Zunächst ist die Firmung das Sakrament, bei dem die theologische Basis am unsichersten ist. Es geht um eine Bekräftigung und Besiegelung der Taufe. Das zeigt, dass hier nichts substanziell Eigenes passiert. Kinder und Jugendliche sind schon davor zur vollen Teilhabe am Gemeindeleben befähigt. Es stellt sich also generell die Frage, ob es einen eigenständigen Anlass für diese Bekräftigung braucht. Wenn ja, muss anschließend über den richtigen Zeitpunkt nachgedacht werden.
Frage: Und wann ist der?
Langenhorst: In Deutschland gibt es unterschiedliche Modelle, bei denen das Alter der Firmlinge zwischen 12 und 18 Jahren schwankt. Das richtige Alter hängt letztlich davon ab, was man eigentlich bewirken will. Auch das ist ja nicht ganz klar. Der zentrale pädagogische Begriff, der sich seit den 1970er Jahren eingeschlichen hat, ist der der Mündigkeit. Weil man irgendwann auf die Idee kam, dass Jugendliche jetzt selbst bestätigen sollen, was Eltern bei der Taufe für sie vorentschieden haben. Theologisch ist das aber fragwürdig, da die Firmung ursprünglich nie ein Sakrament der Mündigkeit war.
Frage: Bei uns in Deutschland wird das Sakrament mehrheitlich in der Pubertät, also zwischen dem 12. und 16. Lebensjahr gespendet. Halten sie das für sinnvoll?
Langenhorst: Nein. Von Ehren- und Hauptamtlichen in der Firmkatechese wird zwar Großartiges geleistet. Die Katechese bleibt aber am Ende ein schulnahes Angebot. Jugendliche haben deshalb das Gefühl, dass sich die Lernformen, die ihnen in der Schule zugemutet werden, in Ihre Freizeit hinein verlängern. In der Schule können sie sich dagegen nicht wehren, hier schon. Außerdem existiert bei vielen Jugendlichen in Deutschland eine gewisse Gleichgültigkeit. Wenn sie sich in diesem Alter schon nicht für die Schule oder einzelne Fächer interessieren, dann sicher auch nicht für die Firmung und ein Engagement in der Kirchengemeinde. Bestenfalls nehmen sie das Sakrament noch nebenbei mit. Ob sie damit aber eine Mündigkeitserklärung abgeben wollen, bezweifle ich.
Frage: Und was halten sie davon, junge Erwachsene zu firmen?
Langenhorst: Wenn wir konsequent auf die mündige Entscheidung setzen würden, dann wäre das sicher sinnvoll. Man müsste aber mit der Konsequenz leben, dass die Zahl der Firmungen drastisch zurückgeht. Aktuell werden etwa 70 Prozent aller Erstkommunionkinder auch gefirmt. Vielleicht wären es dann nur noch 10 Prozent. Es gibt aber noch andere Einwände. Denn bei einem Versuch im Bistum Trier, junge Erwachsene zwischen 18 und 20 Jahren zu firmen, hat sich gezeigt, dass die gerade dann in einer Berufsfindungs- oder Partnerfindungsphase sind. Die Firmung ist also bestenfalls ein "Nebenkriegsschauplatz". Letztlich könnte durch diese Lösung auch noch eine Art Zwei-Klassen-Christentum entstehen, über dessen Auswirkungen wir nur spekulieren können. Am Ende dürfen nur noch die "echten" – weil gefirmten – Christen in den Pfarrgemeinderäten sitzen.
Frage: Was ist die Konsequenz daraus? Haben Sie einen Lösungsvorschlag?
Langenhorst: Ich plädiere dafür, dass wir zu einem Modell zurückkehren, das dem der alten Kirche entspricht. Denn die Reihenfolge der Initiationssakramente war einmal anders. Erst die Taufe, dann die Firmung und schließlich die Erstkommunion. Denn mit der Erstkommunion haben Christen die volle Teilhabe an allem, was eine Gemeinde auszeichnet. Sie ist also der logische Abschluss. Bei Erwachsenen, die sich für das Christentum entscheiden, wird es ja genauso gemacht.
Frage: Was bleibt, ist die Frage nach dem richtigen Alter…
Langenhorst: Die Erstkommunion ist in meinen Augen perfekt platziert. Dritt- und Viertklässler sind schon unglaublich wissensstark, gleichzeitig aber noch sehr neugierig. Entwicklungspsychologisch ist dieser Zeitpunkt also richtig. Das heißt, wir brauchen für die Firmung einen früheren Zeitpunkt. In den vergangenen zwanzig Jahren hat sich die Einschulung zu einem zentralen Familienfest entwickelt. Hier könnte man andocken und dieses Großereignis religiös begleiten. Es ist eine Zeit des Übergangs, in der Kinder dann mit der Firmung durch den Heiligen Geist für die neue Lebensphase bestärkt werden können. Das hätte Symbolkraft.
Frage: Das heißt aber, man muss die Theologie der Firmung noch einmal überdenken.
Langenhorst: Selbstverständlich. Wenn wir kleinere Kinder firmen, ist der ganze Gedanke der Mündigkeit hinfällig. Allerdings ist der ja – wie bereits erwähnt – sowieso erst sehr spät entstanden. Wichtig wäre bei diesem Modell aber auch, dass wir die Jugendzeit trotz allem nicht religiös unbegleitet lassen. Momentan überlasten wir sie in meinen Augen aber mit einer sakramentalen Bedeutung, die für Jugendliche überhaupt keinen Sinn macht.
„Das ist eine warmherzige und gute Tradition – unabhängig von aller Sündentheologie.“
Frage: Warum machen wir es nicht noch radikaler und verbinden die Firmung direkt mit der Kleinkindtaufe, wenn die beiden Sakramente doch eigentlich zusammengehören?
Langenhorst: Auch das wäre theoretisch denkbar. Allerdings würde das den eigenständigen Charakter der Firmung fast vollkommen ausradieren. Und der hat theologisch ja doch seinen Sinn: "Der Heilige Geist bekräftigt dich auf dem schwierigen, nächsten Lebensweg." Es wäre zu schade, diese Botschaft mit der Taufe zu koppeln und dann doch de facto aufzulösen.
Frage: Was halten Sie von dem anderen Extrem: Taufe, Firmung und Eucharistie nur noch bei Jugendlichen und Erwachsenen, die sich selbst dafür entscheiden.
Langenhorst: Das halte ich für ganz falsch. Der Charakter eines Sakraments ist nicht, dass man es sich verdienen muss, dass man reif dafür sein und es verstehen muss. Der wunderschöne Gedanke des Christentums ist ja gerade der, dass Gott sich im Leben eines jeden Menschen zeigt, dass die Initiative bei ihm liegt. Es ist ein Geschenk, eine Gabe und ein Zuspruch. Es gibt doch nichts Schöneres für eine junge Familie, die einerseits voller Glück und andererseits vollkommen gestresst ist, wenn Gott "ja" zu diesem Neugeborenen sagt. Das ist eine warmherzige und gute Tradition – unabhängig von aller Sündentheologie.
Frage: Wenn die Firmung in der Praxis Probleme bereitet und ihr Zeitpunkt auch theologisch fragwürdig ist: Warum ändert man nichts?
Langenhorst: Das große Schwergewicht "Tradition" entwickelt in der Kirche schnell seine eigene Logik. Hier hat es nur ein paar Jahrzehnte gedauert. Wenn ich auf Fortbildungen bin, ist dort oft nicht bekannt, dass es mal eine andere Reihenfolge der Sakramente gab und dass die theologisch vielleicht sogar sinnvoller ist. Natürlich steckt aber auch die Angst dahinter, dass man die Kinder und Jugendlichen noch eher verliert, als man es jetzt tut, wenn die Initiation bereits in der Grundschule abgeschlossen ist. Ich plädiere dennoch dafür, es zumindest in einzelnen Diözesen auszuprobieren und zu schauen, ob sich der Umgang mit den Sakramenten verändert.