Felix Neumann über Kopftücher im Staatsdienst

Menschen sind nie neutral

Veröffentlicht am 01.07.2016 um 00:01 Uhr – Von Felix Neumann – Lesedauer: 
Standpunkt

Bonn ‐ Felix Neumann über Kopftücher im Staatsdienst

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Eine muslimische Rechtsreferendarin soll bei Auftritten mit Außenwirkung, also etwa auf der Richterbank, kein Kopftuch tragen. So will es jedenfalls der bayerische Staat. Das Augsburger Verwaltungsgericht sieht das in einer aktuellen Entscheidung anders: Grundrechte dürften nur auf gesetzlicher Grundlage eingeschränkt werden, die habe hier gefehlt. Also darf auch eine Rechtsreferendarin Kopftuch tragen.

Bayerns Justizminister Bausback will gegen diese Entscheidung vorgehen: Alle Prozessbeteiligten müssten vor Gericht "auf Unabhängigkeit und Neutralität der Dritten Gewalt vertrauen können" - aus seiner Sicht steht dem ein Kopftuch entgegen. Wer ein Kopftuch trägt, dem wird pauschal unterstellt, nicht die notwendige Neutralität für hoheitliche Aufgaben zu haben. Dieser Sichtweise liegt ein Missverständnis über staatliche Neutralität zugrunde: Menschen sind nie neutral, auch Beamte nicht. Sie können sich neutral verhalten oder nicht - ob sie Kreuz, Kippa, Kopftuch tragen oder nicht. Sie können auf der Basis der allgemein gültigen Gesetze ihre hoheitliche Funktion ausüben oder nicht. Daran sind sie zu messen - und nicht an ihren Glaubensvollzügen.

Das ermöglicht auch religiösen Minderheiten die Teilhabe an der Gesellschaft und am demokratischen Gemeinwesen. Religionsfreiheit ist eben nicht nur die Möglichkeit, unbehelligt und im Privaten zu glauben - sondern auch die Möglichkeit, den Glauben in der Öffentlichkeit leben und bekennen zu können.

Religionsfreiheit in ihrem Vollsinn schließt zwei Irrwege aus: Eine staatlich verordnete religiöse Leitkultur einerseits ebenso wie einen Säkularismus, der den Glauben aus der Öffentlichkeit verbannen will. Das führt in einer zunehmend pluraleren Gesellschaft zu ungewohnten Anblicken - wenn etwa Frauen in verantwortlichen Positionen Kopftuch tragen. Aber von dieser Freiheit profitieren letztlich alle: Auch Christen, die sich mit ihrer Religion nicht unsichtbar machen wollen.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von katholisch.de wider.
Von Felix Neumann