Torjubel im Gotteshaus
Eine davon ist Schwester Elisa Kreuzer aus dem Kloster Reute in der Region Bodensee-Oberschwaben. Sie ist seit ihrer Jugendzeit Fan der Fußball-Nationalmannschaft und schaut die Spiele des Teams im Speisesaal ihrer Hausgemeinschaft, die aus 13 Schwestern besteht. Sieben von ihnen fiebern mit ihr bei den Partien mit. Tags drauf ruft SWR4 bei Schwester Elisa an und sie kommentiert "das Spiel und das Zwischenmenschliche drum herum". Es gehe sowohl um die Ereignisse am Rande der EM, wie die Ausschreitungen der Hooligans und die Verletzungen, als auch um das Ereignis im Konvent: Nicht Cola, Bier und Chips gibt es bei den Schwestern zum Fußball, sondern O-Saft und Gebäck.
Schwester Elisa schätzt, dass rund 40 Prozent der insgesamt 170 Schwestern in Reute die EM-Spiele verfolgen. Manche schauten die Spiele eher, um zu verstehen, was die Menschen um sie herum bewegt, andere seien aber richtige Fans. Bereits bei früheren Welt- und Europameisterschaften haben die Franziskanerinnen bei öffentlichen Veranstaltungen im Kloster Public Viewing angeboten. Die vor der Leinwand jubelnden Schwestern schafften es damals sogar in die "Frankfurter Allgemeine Zeitung".
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Eine Nummer kleiner, aber nicht weniger kompetent, sind die Kommentare von Schwester Katharina Hartleib auf dem Kölner Bistumssender "domradio". Die Franziskanerin in Olpe verrät vorab ihre Tipps und analysiert nach den Spielen der deutschen Mannschaft die Partie. "Mario Gomez spielt seit zwei Spielen die 'richtige Neun' und Julian Draxler ist in überragender Form, seitdem hängt Thomas Müller ein wenig in der Luft," war zum Beispiel ihre Erklärung für die Ladehemmungen von Müller im Spiel gegen die Slowakei.
Ebenfalls öffentlich - auf dem Kurznachrichtendienst Twitter - stellt der Benediktinerpater Maurus Runge aus der Abtei Königsmünster seine Fußballliebe zur Schau. Meistens kommentiert er Ereignisse rund um seinen Lieblingsclub 1. FC Köln - auf Social Media auch unter #effzeh bekannt. Auf Twitter hat er aber auch seinen Tipp für das Viertelfinalspiel gegen Italien abgegeben: 2:0 soll Deutschland gegen den Angstgegner gewinnen, hofft Pater Maurus.
In Augsburg fiebert Schwester Dominika Meier bei den Deutschlandspielen mit (siehe Video). Aber bei all der Liebe für Fußball spricht sie aus, was wohl bei allen Ordensleuten gleich ist: Gebetszeiten gehen vor! In der Regel ist man um 18 Uhr in der Kapelle zum Abendgebet versammelt, manchmal schließt sich auch eine Messe an. Ganz klar sitzt Schwester Dominika dann in der Kirche und kann ein Spiel nicht in Gänze verfolgen. Allerdings: Den Torjubel der Deutschen hört man auch im Gotteshaus, berichtet zumindest Schwester Katharina über das Achtelfinale gegen die Slowakei, das um 18 Uhr begann.
Doch seit dem Viertelfinale ist erst um 21 Uhr Anpfiff - gut für die meisten Ordensleute. Denn das Nachtgebet, die sogenannte Komplet, beten viele von ihnen nicht in Gemeinschaft, sondern allein vor dem Schlafengehen. Allerdings könnten Spiele mit Verlängerung und Elfmeterschießen für ein weiteres Problem sorgen: In Königsmünster bei Pater Maurus etwa beginnt das gemeinsame Morgenlob bereits um 6:30 Uhr.
Einer, der sich über den späten Anpfiff freut, ist Pater Bernd Hagenkord. Seit knapp sieben Jahren lebt der Jesuit als Leiter der deutschsprachigen Redaktion von Radio Vatikan in Rom und kann späte Spiele mit seinen Mitbrüdern schauen. Am Donnerstag brüllten 30 Jesuiten - davon fünf Polen und null Portugiesen - für die Polen, die jedoch nach Elfmeterschießen ausschieden. "Die Stimmung bei uns war weitaus besser als das langweilige Spiel," so Hagenkord.
Nur wenige hundert Meter von der Kommunität der Vatikanmitarbeiter entfernt wohnt ihr Ordensbruder Franziskus. Der hat ob seines italienischen Migrationshintergrunds die Italiener zum EM-Sieg verpflichtet. Für Hagenkord ein Grund zum Bangen vor dem Viertelfinale? "Nein, es hat ja schon vor zwei Jahren bei der WM nichts gebracht, dass der Papst für Argentinien war." Sein Tipp: Deutschland wird 2:1 oder 3:1 gegen Italien gewinnen.