Ein Hund mit besonderer Mission
Sie dagegen sei vollkommen abgeschrieben: "Ich werde nur noch auf diesen Hund reduziert". Doch das ist eine Konkurrenz, mit der die Sozialarbeiterin gerne umgeht: Schließlich erfüllt Arnold als Bürohund und charmanter "Mitarbeiter" der Bahnhofsmission einen ganz bestimmten Zweck.
Er soll die Türen öffnen hin zu Menschen, die das Team trotz aller Bemühungen nur schwer erreicht – "solchen, die schon länger auf der Straße leben zum Beispiel, die keine Hoffnung und keine Ziele mehr haben, die geschunden sind an Körper, Geist und Seele, die mit dem Leben eigentlich schon abgeschlossen haben", wie es Claudia Haubrich in deutlichen Worten formuliert. Diese Menschen hätten oft in ihrem Leben große Brüche erlebt und seien deshalb grundsätzlich misstrauisch geworden gegenüber den Mitmenschen.
Mops mit Bahnhofsmissions-Weste
Doch Hund Arnold überwinde die Barrieren. Denn er behandele alle gleich: "Er unterscheidet nicht zwischen Geschlecht oder Nationalität und auch nicht danach, ob jemand eine Wohnung hat oder auf der Straße lebt". Der Hund, der sich gern streicheln und knuddeln lässt, sei ein sehr guter Eisbrecher: "Wer kann denn schon so einem kleinen süßen Hund widerstehen?", fragt Claudia Haubrich. Seitdem der kleiner Vierbeiner da ist, freut sich die Bahnhofsmission jedenfalls über mehr Aufmerksamkeit und gestiegene Besucherzahlen, wie Leiter Dieter Puhl bemerkt.
Auch die anderen Mitarbeiter haben das junge Tier mit dem beigen Fell, der platten Schnauze und den großen dunklen Kulleraugen bereits ins Herz geschlossen. Eine Kollegin hat ihm sogar schon eine blaue Bahnhofsmissions-Weste geschneidert. Arnold darf sich im Büro aufhalten und zwischen den Schreibtischen hin- und herstreunen. "Er verbreitet Optimismus und bringt frohen Mut und Leichtigkeit in unsere Arbeit", findet Dieter Puhl. Aber natürlich gibt es auch Tabus für den Vierbeiner: So darf er nicht in den Raum, in dem sich die Besucher der Bahnhofsmission aufhalten und natürlich auch nicht in die Küche.
Manchmal ist der junge Hund sogar im Außendienst unterwegs. Dann nimmt ihn Claudia Haubrich mit in einen der anderen Berliner Bahnhöfe oder in eine U-Bahn-Station und spricht Obdachlose an, die sich dort aufhalten. "Mobile Einzelfallhilfe", heißt das in der Fachsprache. Wenn sie alleine da sei und die Betroffenen anspreche, sei da oft erstmal eine Hürde, erklärt Haubrich. "Aber wenn Arnold dabei ist, ist es oft leichter. Dann merke ich, dass die Menschen gar nicht anders können, als sich mit ihm zu beschäftigen". Und beim Streicheln des Tieres könnten dann erste Gespräche geführt werden – quasi nebenbei. Gleichzeitig ist ihr natürlich klar, dass der Vierbeiner ihre Arbeit als Sozialarbeiterin nicht ersetzen kann: "Aber er weckt Emotionen, er bringt die Menschen zum Lachen", erklärt sie.
Auf Facebook gegen Vorurteile
Mit Arnolds Hilfe sei es ihr etwa gelungen, mit einem Mann Kontakt aufzunehmen, der in Berlin nur der "Barfußmann" genannt werde und derart zerrisene Kleider trage, dass er fast nackt aussehe. "Der kommt jetzt dreimal täglich zu uns zum Essen. Als er neulich nach einer neuen Hose gefragt hat, war das das größte", erzählt Haubrich.
Ihr Chef Dieter Puhl hat noch ganz andere Pläne mit dem kleinen Vierbeiner: "Arnold ist für uns auch ein Instrument der Öffentlichkeitsarbeit". Seit er in der Bahnhofmission ist, gibt es Facebook-Posts "im Namen von" Arnold. Darin lässt er zunächst Vorurteile gegenüber der Bahnhofsmission erkennen: Eine Absteige sei das ja und die Besucher auch eigenartig, sie seien laut und müffelten. Wie Puhl erklärt, ist der Plan, dass Arnold nach und nach mehr Verständnis für die Besucher der Bahnhofsmission bekommt und so über Facebook mit gängigen Vorurteilen gegenüber Obdachlosen aufräumt.
Puhl könnte sich sogar vorstellen, dass Arnold eines Tages in einem Buch mit einer Fotogeschichte Kindern das Thema Obdachlosigkeit für Kinder erklärt. "Das ist meine Utopie", sagt Puhl und lacht – noch hat sich kein Verleger mit Interesse bei ihm gemeldet. Relevanz hätte das Thema jedenfalls: Denn nach Puhls Angaben ist die Zahl der Obdachlosen in Berlin in den vergangenen Jahren sprunghaft angestiegen. Rund 6.000 Menschen seien es nun, die nachts nicht wüssten, wo sie schlafen sollten – Tendenz steigend.