Gemeinsame Erklärung von Muslimen, Christen und Juden

Religionsführer: Trauer über terroristische Angriffe

Veröffentlicht am 16.07.2016 um 17:00 Uhr – Lesedauer: 
Türkei

Istanbul/Rom ‐ Führer der Religionsgemeinschaften in der Türkei haben den Putschversuch ebenso verurteilt wie der Zentralrat der Muslime in Deutschland. Während der orthodoxe Patriarch Bartholomaios I. geflohen ist, gibt sich die katholische Minderheitenkirche im Land ruhig.

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Unterzeichnet war das am Samstag von Medien verbreitete Schreiben vom Leiter des türkischen Amts für religiöse Angelegenheiten, Mehmet Görmez, dem Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. und dem türkischen Oberrabbiner Ishak Haleva.

Der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) hat den Putschversuch in der Türkei ebenfalls als Anschlag auf die Werte der Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Freiheit verurteilt. Die türkische Regierung sei aufgefordert, Anführer und Unterstützer mit rechtsstaatlichen Mitteln zur Verantwortung zu ziehen, heißt es in einer am Samstag veröffentlichten Erklärung. Gefragt sei "jetzt nicht Vergeltung und der erhobene Zeigefinger, sondern der Versöhner", der Demokratie und Menschenrechte anerkenne und sich einer Spaltung im Lande entgegenstelle. Deutschland und Europa seien verpflichtet, der Türkei in "diesen schwierigen Zeiten" beizustehen.

Laut Kirchenangaben hatte Bartholomaios I., das Ehrenoberhaupt der orthodoxen Christen, die Türkei wenige Stunden vor dem militärischen Umsturzversuch verlassen. Beobachter befürchten, dass die von der türkischen Regierung angekündigten Vergeltungsmaßnahmen auch das Ökumenische Patriarchat treffen könnten. Der Vorwurf von Staatschef Erdogan, die islamische Bewegung (Hizmet) von Fethullah Gülen sei verantwortlich für den Umsturzversuch, könne auch Bartholomaios schaden, der in der Vergangenheit enge Beziehungen zu Gülen unterhalten hatte.

Katholische Minderheitenkirche gibt sich ruhig

Unterdessen gab sich die katholische Minderheitenkirche ruhig. Weder während des Putschs noch im Zuge der Rückeroberung der Kontrolle durch die Regierung habe es Bedrohungen gegeben, sagte der Generalsekretär der Türkischen Bischofskonferenz, Anton Bulai, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). "Wir haben geschaut, wie sich die Dinge entwickeln, wie die Leute reagieren", so der Franziskaner-Minoritenpater telefonisch aus Istanbul.

Zur Möglichkeit eines weiteren Islamisierungs-Rucks unter Präsident Recep Tayyip Erdogan wollte sich der Vertreter der Bischofskonferenz nicht äußern. "Es ging nicht gegen Christen oder Religionen. Unter diesem Gesichtspunkt sind wir ruhig", sagte Bulai.

Auch der Sprecher der Bischofskonferenz, Rinaldo Marmara, zeigte sich zurückhaltend. Er sprach von einer heiklen Situation. Wie auch sonst bei politischen Fragen sei mit einer Kommentierung durch die Bischöfe nicht zu rechnen, sagte Marmara unter Verweis auf die Minderheitensituation der Christen und den fehlenden Rechtsstatus der katholischen Kirche in der Türkei. Die in sieben Verwaltungsbezirke gegliederte katholische Kirche in der Türkei zählt nach vatikanischen Angaben rund 46.000 Gläubige unter 79 Millionen Einwohnern (bod/KNA)

Türkei-Berater von "Kirche in Not" zur Situation

Der Kirchenhistoriker und Berater in Türkei-Fragen von Kirche in Not, Rudolf Grulich, glaubt nicht, dass der Putschversuch des Militärs negative Folgen für die christliche Minderheit in der Türkei haben wird. "Diese Gruppe ist so marginal, dass keine große Gefahr droht." Denn nur etwa 100.000 der rund 78 Millionen Einwohner in der Türkei seien Christen, aufgeteilt in mindestens fünf Konfessionen und Freikirchen. Schlimm sei hingegen der Krieg in der Südosttürkei: "Dort gab es noch einige alte Kirchen, etwa die in der Altstadt von Diyarbakir." Diese hatte die türkische Regierung im März verstaatlicht und das mit dem Schutz und dem Erhalt der Gebäude begründet. Dem vorausgegangen waren monatelange Kämpfe zwischen kurdischen Rebellen und türkischen Sicherheitskräften, die schwere Zerstörungen in der Altstadt anrichteten. "Zu dieser Tatsache hat Europa und Deutschland geschwiegen, schon lange vor dem Putsch." (jhe)