Thomas Seiterich über die Bürgerreaktionen auf den Amoklauf in München

Weltstadt mit Herz

Veröffentlicht am 27.07.2016 um 00:01 Uhr – Von Thomas Seiterich – Lesedauer: 
Standpunkt

Bonn ‐ Thomas Seiterich über die Bürgerreaktionen auf den Amoklauf in München

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Letzten Freitagabend war ich, wie jede Woche, im IC 2295 von Frankfurt am Main nach München. Als kurz vor Stuttgart gemeldet wurde, wegen eines großen Polizeieinsatzes sei das Zugziel, der Münchner Hauptbahnhof, gesperrt, die S-Bahn fahre auch nicht und der Kraftfahrzeugverkehr sei zum Erliegen gekommen, raste eine Welle von Furcht und Schrecken durch den IC. Angstvolle Stille, dann hektisches Telefonieren. Nahezu alle Fahrgäste beugten sich über ihr I-Phone.

Nach den Amok-Untaten und islamistischen Attentaten, die praktisch im Tagestakt in Würzburg, München, Reutlingen und Ansbach verübt wurden, bleiben die Opfer, die Angehörigen, die Traumatisierten und ein Schrecken, der sich tief eingraben und das Zusammenleben verändern wird. Doch es bleibt auch die Erinnerung an die spontane, großartige Hilfsbereitschaft der Großstädter.

Kurz nach der Schießerei im Stadtteil Moosach offerierten Münchner auf Twitter ihre Wohnung als kostenlose Unterkunft für diejenigen, die nicht mehr nach Hause kamen - #offenetuer. Dasselbe boten die DITIB-Moscheen an, das Fünf-Sterne-Hotel "Vier Jahreszeiten", das Kaufhaus Oberpollinger, das Café Rischart am Marienplatz und viele Münchner Kirchen. In Sankt Michael in der Fußgängerzone übernachteten 40 Leute. Die Jesuiten haben den Gebetsraum mit Matten ausgelegt und ihre Gäste in der Not mit Essen und Trinken versorgt.

Der große Dichter Friedrich Hölderlin sagt in der Hymne Patmos: "Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch". Genau dies hat sich am Terrorfreitagabend in München ereignet. Die "Weltstadt mit Herz" hat ihren Image-Spruch mit Leben erfüllt, ähnlich wie schon im Sommer 2015, als die Münchner die Flüchtlinge begrüßten, zupackend unterstützt von ihrem Landesbischof und ihrem Kardinal.

Wenn der Schrecken das letzte Wort haben würde, ginge die böse Rechnung der Terrortäter auf. Deshalb ist es nötig, auch das vielfältige, spontane Gute zu würdigen und im Gedächtnis zu behalten, das sich dank vieler Bürgerinnen und Bürger ereignete, als Unsicherheit und Angst am größten waren.

Der Autor

Thomas Seiterich ist Redakteur der Zeitschrift "Publik-Forum".

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von katholisch.de wider.
Von Thomas Seiterich