Die schwere Wahl der Katholiken
Allein mit Blick auf diese Zahl müsste man also von einem entsprechenden Einfluss ausgehen, sagt auch der Chefredakteur und Herausgeber des Debattenmagazins "The European" Alexander Görlach im Gespräch mit katholisch.de. Der Katholik forscht derzeit an der Universität Harvard.
Enttäuschung bei katholischen Akademikern
Die Wahlentscheidung der US-Katholiken dürfte in diesem Jahr allerdings keineswegs eindeutig ausfallen. Noch im Frühjahr unterzeichneten namhafte katholische Vertreter aus Wissenschaft und Gesellschaft einen offenen Brief, in dem sie von einer Wahl Trumps abrieten. Ende Juli zeigten sich einige von ihnen nun aber auch von der Alternative enttäuscht. Gegenüber dem jesuitischen "America Magazine" sprach der texanische Politikprofessor David Upham von einer "besonders armseligen Wahlmöglichkeit". Er könne keinem Kandidaten viel Positives abgewinnen. Der Dogmatiker Bruce D. Marshall hielt es gar für unvereinbar mit einer katholischen Überzeugung, an der Wahl teilzunehmen: "So sehr ich es auch bedaure, ich beabsichtige nicht, in diesem Jahr eine Stimme in der Präsidentschaftswahl abzugeben."
Unter den Akademiker außerhalb des katholischen Milieus beobachtet Görlich hingegen eine recht eindeutige Einstellung zur Kandidatenfrage. Sowohl an der Elite-Universität Harvard, als auch in New York oder im Silicon Valley habe er bislang ausschließlich dezidierte Trump-Gegner getroffen: "Man kann vermuten, dass eine Mehrheit der Gebildeten - Gott, sei Dank - gegen diesen populistischen, menschenfeindlichen Kandidaten steht." Und sollte der Kandidat der Republikaner als Sieger aus der Wahl am 8. November hervorgehen, prophezeit Görlach auch für die Kirche eine klare Haltung: "Wenn es zu einem Präsidenten Donald Trump kommt, kann die katholische Kirche nicht anders, als in eine Fundamentalopposition zu gehen."
Latinos unterstützen mehrheitlich Clinton
Für Katholiken gibt es durchaus Gründe, sich so eindeutig gegen einen Kandidaten zu entscheiden, diese sind allerdings vielfältig. Görlach gibt etwa zu bedenken, dass viele der Katholiken Einwanderer aus Mexiko sind. Diesen werde es nicht immer leicht gemacht, ihr Wahlrecht auszuüben, erklärt der Journalist. Viele von ihnen leben in sozial schwachen Umfeldern, in denen politische Partizipation ohnehin selten eine Priorität ist. Dennoch bilden Migranten aus Lateinamerika mit etwa zehn Prozent eine wichtige Wählergruppe; und diese wählt traditionell demokratisch. Bei der zurückliegenden Präsidentschaftswahl im Jahr 2012 wählten sieben von zehn "Hispanics" Barack Obama und vieles spricht dafür, dass die Entscheidung in diesem Jahr noch deutlicher ausfallen könnte. Umfragen sehen Trump bei den Latinos derzeit zwischen unter 20 und etwa 30 Prozent.
Linktipp: Donald Trump punktet bei US-Katholiken
Der Papst findet seine Haltung zu Einwanderern wenig christlich. Konservative Theologen machen gegen ihn mobil. Trotzdem gehört ein Teil der US-Katholiken zu Donald Trumps verlässlichsten Wählern. Warum?Mögliche Erklärungen für die Trump-Abneigung unter Latinos finden sich im Wahlprogramm der Republikaner. Die Partei hat etwa den Bau eines Zauns an der mexikanischen Grenze zu einer Kernforderung ihrer Einwanderungspolitik gemacht. Wer bisher auf illegalem Weg diese Grenze nach Norden überschritten hat, dürfe zudem auf keinen Fall ohne Strafe davon kommen. Mit solchen Vorhaben stoßen die Republikaner auch über die Latino-Community hinaus auf Kritik. "Die Programmatik von Donald Trump ist eine, die mit den Grundsätzen des christlichen Menschenbildes nicht übereingeht", kommentiert Görlach. So sei etwa die Forderung Trumps nach einem massiven Einsatz von Folter gegen Terrorverdächtige "nicht vereinbar mit den Grund- und Lehrsätzen des katholischen Glaubens".
Und auch auf anderen Politikfeldern bahnen sich Auseinandersetzungen an. Wenn die "Grand Old Party" etwa im Wahlprogramm darauf verweist, dass die Umwelt als "gottgegeben" zu schützen und zu pflegen sei, könnte sie eigentlich auf den Rückhalt der Kirche hoffen. Die gleichzeitige Ablehnung praktisch aller internationalen politischen Vereinbarungen zum Klimaschutz dürfte jedoch das Gegenteil bewirken. Papst Franziskus ist ein starker Verfechter internationaler Zusammenarbeit, wie er auch deutlich in seiner Umwelt-Enzyklika "Laudato si" schrieb. Auch mit Blick darauf kann es kaum verwundern, dass Donald Trump und Papst Franziskus einander bereits öffentlich heftig kritisierten.
"Damit ist eigentlich klar, dass die katholischen Bischöfe, wollten sie eine Wahlempfehlung abgeben, niemals eine für Donald Trump abgeben könnten", resümiert Görlach. Eine solche Empfehlung der Bischöfe dürfte jedoch sowieso kaum zu erwarten sein. Zum Wahlkampf gaben sie den Gläubigen jedoch eine Handreichung zur Gewissensbildung an die Hand. In den "Do's and Don'ts" ("Zu tun und zu lassen") heißt es, Pfarreien sollten es tunlichst vermeiden, eine Partei zu unterstützen oder abzulehnen. Den Leitlinien merkt man an, dass die Bischöfe es ohnehin für eine große Herausforderung halten, als Katholik eine verantwortete Wahlentscheidung zu treffen. Diese beginnen mit dem Hinweis, dass es nicht die Aufgabe der Oberhirten sei, den Gläubigen zu sagen, wen diese wählen sollten. Die Katholiken hätten das nach ihrem Gewissen selbst zu entscheiden und das beginne damit, jeder Politik zu widersprechen, "die das menschliche Leben bedroht oder seinen Schutz schwächt", schreiben die Bischöfe.
Klare Hinweise in Richtung Demokratischer Partei
Damit geben die US-Bischöfe einen klaren Hinweis in Richtung Demokratischer Partei: Zum wiederholten Mal stellen sie klar, dass ein Kandidat, der etwa für ein liberales Abtreibungsrecht eintritt, für Katholiken nur eingeschränkt wählbar ist. Die Demokraten fordern jedoch in ihrem Wahlprogramm einen allgemeinen, legalen Zugang für Frauen zu Abtreibungen. Deutlich wendet die Partei sich zudem gegen die massive Kritik an der Abtreibungsorganisation "Planned Parenthood", welche auch von katholischen Bischöfen geteilt wurde und wird. Das umfassende Gleichstellungsprogramm für homo- und transsexuelle Personen gehört zu den weiteren Positionen der Demokraten, die bei der Kirche auf moralische Bedenken stoßen. Ein Satz im entsprechenden Abschnitt des Wahlprogramms dürfte für weitere Spannungen sorgen: "Wir unterstützen eine fortschrittliche Vorstellung von Religionsfreiheit, die Pluralismus respektiert und den Missbrauch der Religion zur Diskriminierung zurückweist."
Der demokratische Kandidat für das Amt des Vizepräsidenten, Tim Kaine, dürfte die inneren Widersprüche vieler US-Katholiken vor der Wahl kennen. Zu verschiedenen politischen Fragen - etwa Abtreibung und Todesstrafe - beteuerte der Katholik in der Vergangenheit, als Privatmann zur Lehre der Kirche zu stehen. Dennoch stimmt er in offizieller Funktion als US-Senator seit 2013 regelmäßig im Sinne einer liberalen Abtreibungspolitik ab, in vier Jahren als Gouverneur von Virginia ließ er elf Hinrichtungen Strafgefangener zu. Ob Kaine damit als katholischer Anziehungspunkt auf dem demokratischen Ticket taugt, bleibt abzuwarten. Sein ebenfalls katholischer Vorgänger Joe Biden musste als Abtreibungsbefürworter ebenso viel Kritik aus der eigenen Kirche einstecken, wie John Kerry, der demokratische Gegenkandidat von George W. Bush im Jahr 2004.