Kyrill von Alexandrien
Mit den kirchenpolitischen Eskalationen in Kyrills Zeit (um 380-444) könnten heute ganze Fernsehserien gefüllt werden. Als Kyrill 412 Patriarch von Alexandrien wurde, galt die ägyptische Metropole als theologisches Zentrum. Eben diese Stellung machte die aufsteigende Reichshauptstadt Konstantinopel dem ehrwürdigen Alexandrien jedoch streitig. So verwundert es nicht, dass beide Städte in den christologischen Streitfragen des 5. Jahrhunderts unterschiedliche Lehrmeinungen vertraten. Kyrill vertrat die sehr profilierte Stellung der alexandrinischen Theologenschule, welche sich klar gegen eine zu stark akzentuierte Trennung der göttlichen und menschlichen Natur in der Person Jesu Christi aussprach. Nebenbei sorgte er durch diplomatische Kniffe auf dem Konzil von Ephesus 431 für den Rücktritt seines Kontrahenten Nestorius, dem Patriarchen von Konstantinopel. 433 einigte sich Kyrill mit anderen Bischöfen der antiochenischen Schule (den heutigen orientalischen Kirchen) auf eine bis heute gültige Unionsformel und konnte so eine Kirchenspaltung vorerst verhindern. Seiner theologischen Begabung zum Trotz soll Kyrill impulsiv und teilweise sogar brutal gewesen sein: So ließ er die Kirchen schismatischer Gruppen plündern und die blutigen Judenpogrome während seiner Amtszeit beendeten die jahrhundertealte jüdische Präsenz in Alexandrien. Dass dieser Patriarch bis heute in Ost und West verehrt wird, liegt weniger an seinem Leben als an seiner Theologie: Wie kaum ein anderer prägte er die Grundentscheidungen der frühen Kirche und setzte unter anderem den Titel "Gottesgebärerin" (Gottesmutter) für Maria durch.