Abt Johannes: Fremdheitserfahrungen können auch positiv ablaufen
"Rosenkranz statt Randale" - mit Sprüchen wie diesem wirbt der Fernsehsender Kabel 1 für seine neue Doku-Serie "Ab ins Kloster!". Dabei ziehen pro Folge vier mehr oder minder schrille junge Leute für eine Woche zu Mönchen und Nonnen. Mit dabei: die Benediktinerabtei in Ottobeuren im Unterallgäu. Deren Abt Johannes Schaber (51) berichtet im Interview über seine Erlebnisse. Er erzählt von sonderbarer Kleidung, schwierigen Dreh-Situationen und dem größten Verzicht für die Teilnehmer.
Frage: Abt Johannes, die Programmvorschau legt nahe, bei der neuen Serie gehe es vor allem um Unterhaltung dank effektvoller Kontraste. Von Bibel statt Smartphone ist da die Rede, von Weihrauch statt Zigaretten, von einem Clash der Kulturen. Haben Sie sich mit Kabel 1 den Klamauk ins Kloster geholt?
Schaber: Nein. Aber natürlich geht es um Gegensätze. Der Reiz an diesem Experiment ist ja, dass da zwei ganz verschiedene Welten aufeinandertreffen, um zu sehen, wie Menschen, die ganz verschieden sind, eine Weile miteinander umgehen.
Frage: Wie sind Sie dazu gekommen?
Schaber: Der Sender hat uns angefragt. Natürlich haben wir uns das gut überlegt. Dass Kabel 1 nicht 3sat oder Arte ist, wissen wir ja auch. Aber dann ist mir eingefallen: Bei der Deutschen Ordensobernkonferenz ist schon mehrfach angeklungen, dass nur diejenigen von uns eine Zukunft haben werden, die auch Jugendarbeit betreiben, die sich also eine Anschlussfähigkeit an jüngere Generationen bewahren. Außerdem habe ich die Sendung hinterher abgenommen und freigegeben. Und ich muss sagen: Ich finde sie gelungen.
Frage: Weshalb?
Schaber: Weil sie schön zeigt, dass ganz unterschiedliche Menschen einander wertschätzen lernen können. Es geht ja um Fremdheitserfahrungen bei dem Projekt. Und das veranschaulicht gut, dass diese Fremdheitserfahrungen mitnichten immer nur negativ ablaufen müssen. Klar gab es bei uns auch mal Reibereien. Aber unterm Strich sind die jungen Männer und wir sehr respektvoll miteinander umgegangen.
Frage: Von welchen Unterschieden und welcher Fremdheit sprechen Sie?
Schaber: Die Teilnehmer hatten mit Kirche und Glaube nichts zu tun, einer war Moslem. Als es hieß, das Chorgebet beginnt um halb sechs Uhr morgens, rief jemand: "Was? Um die Zeit geh ich sonst ins Bett!" Ein anderer - er will Schlagerstar werden - kam im goldenen Glitzer-Anzug in die Kirche. Nun ja. Später erfuhren wir: Die Fernsehleute haben den Mann extra dazu gedrängt, so schrill aufzutauchen. Ich verstehe ja, dass sie starke Bilder brauchen. Sonst bekommen wir ja auch kein Publikum. Doch das möchten wir haben, damit es von der Botschaft Gottes etwas wahrnimmt und, dass es mit uns Mönchen Menschen gibt, die ganz dafür leben, Gott zu dienen.
Frage: Gab es auch Dreh-Situationen, die den Brüdern Schwierigkeiten bereitet haben?
Schaber: Ja, solche, in denen die Jugendlichen mit einem unserer Patres vor laufender Kamera ein vertrauliches Gespräch führen sollten. Da hatten wir große Bedenken. Das ist etwas für den geschützten Raum eines Seelsorgegesprächs, nicht für ein riesiges Bildschirmpublikum. Kabel 1 erwartet immerhin 1,5 Millionen Zuschauer.
Frage: Abgesehen vom frühen Aufstehen - was fiel den jungen Menschen im Kloster noch schwer?
Schaber: Auf ihr Telefon zu verzichten - das war für sie das Allerschwerste. Und auszuhalten, nicht mehr in der pulsierenden Großstadt zu sein, in Berlin etwa, sondern plötzlich "am Ende der Welt" und "mitten im Nirgendwo", wie einer sagte. Aber ohne die ständigen Ablenkungen von außen konnten die Männer auf einmal ganz neue Erfahrungen machen. Wie wertvoll ein intensives Gespräch sein kann, zum Beispiel. Sie kamen nämlich aus nicht ganz heilen Familien, etwa mit alleinerziehender, oft gestresster Mutter. Dass bei uns dann auf einmal eine Vaterfigur da war und einfach aufmerksam ihren Sorgen und Wünschen zugehört hat, hat denen schon gutgetan.
Frage: Haben auch Sie etwas von den jungen Leuten gelernt?
Schaber: Die Begegnung mit ihnen hat uns in unserem Grundgedanken bestärkt, Menschen stets mit Respekt zu begegnen - so anders sie einem auch erscheinen mögen. Jeder Einzelne ist gottgewollt. Und von unseren vier Teilnehmern kann ich sagen: Das sind alles feine Kerle. Man braucht also gar nicht immer über die "Jugend von heute" zu schimpfen, schon gar nicht, weil sie einem nur wegen des Äußeren irgendwie ins Auge fällt. Überhaupt: Was heißt schon anders? Ich hatte früher einen langen roten Rauschebart - damit sah ich auch wie ein Philosoph aus.