Als einem toten Papst der Prozess gemacht wurde
Fabian und der Vogel
Wie eine Papstwahl heute funktioniert, dürfte den meisten Menschen geläufig sein: Die unter 80-jährigen Kardinäle der Weltkirche kommen im Rom zum sogenannten Konklave zusammen und stimmen über einen Nachfolger des heiligen Petrus ab. Sobald weißer Rauch aus dem Schornstein der Sixtinischen Kapelle aufsteigt, weiß die katholische Welt, dass sie ein neues Oberhaupt hat. Doch nicht immer wurden die Päpste auf diese Weise gewählt – tatsächlich existiert das Konklave erst seit dem 13. Jahrhundert. Vor allem in der frühen Kirche fehlten einheitliche Regeln für die Wahl des Stellvertreters Christi – und so konnte es passieren, dass manch ein Pontifex auf ganz unkonventionelle bis skurrile Weise in Amt und Würden kam.
Zu letzteren Kandidaten zählt sicherlich Papst Fabian (†250). Der Geschichtsschreiber Eusebius von Caesarea berichtet, wie die Christen Roms im Jahr 236 zur Wahl eines neuen Bischofs versammelt waren. Da beobachteten sie, wie eine Taube auf dem Kopf eines unbeteiligten Laien landete; sein Name: Fabianus. Dieses Ereignis – als Zeichen des Heiligen Geistes interpretiert – beeindruckte die Versammlung der Gläubigen derart, dass sie beschlossen, Fabianus zu ihrem neuen Oberhaupt zu wählen; und das, obwohl es zahlreiche andere Kandidaten für die Besetzung des vakanten Bischofsstuhls gab. Der bis dato Nicht-Kleriker wurde rasch zum Diakon und zum Bischof geweiht – und wirkte bis zu seinem Märtyrertod unter Kaiser Decius als römischer Oberhirte. Die Wahl durch einen Vogel ist indes einmalig in der fast 2.000-jährigen Geschichte der Päpste. Vielleicht auch deshalb nannte sich kein späterer Pontifex mehr "Fabian".
Die Leiche auf der Anklagebank
Gewalt im Auftrag von Päpsten war in früheren Jahrhunderten nichts Ungewöhnliches. Normalerweise richtete sich diese allerdings gegen lebende Personen. Anders im Fall von Papst Formosus ("der Schöne", 891-896): Der Pontifex hatte sich durch einige politische Entscheidungen bei Teilen des Adels und des Klerus' massiv unbeliebt gemacht. Dumm, dass auch sein Nach-Nachfolger Stephan VI. (896-897) nicht gerade zu seinen Anhängern zählte. Der ließ im Juni 897 den verwesten Leichnam des Formosus aus seinem Grab im Petersdom holen, ihn in päpstliche Gewänder hüllen und auf einen Thron setzen. Dem Toten wurde auf diese Weise der Prozess gemacht, der als "Leichensynode" in die Annalen der Geschichte einging. Formosus wurde posthum für abgesetzt und sein Pontifikat mit allen Amtshandlungen für ungültig erklärt. Nachdem der Leiche die Schwurfinger der rechten Hand abgehackt worden waren, landete sie schließlich im Tiber.
Diese makabre Zeremonie bildete jedoch noch nicht das Ende der Geschichte um Formosus. Noch im selben Jahr hob Stephans Nachfolger Theodor II. die Beschlüsse der Leichensynode auf, ließ den Leichnam aus dem Tiber bergen und ihn wieder in der Krypta des Petersdoms bestatten. Laut manchen Quellen ließ Papst Sergius III. – ein Anhänger Stephans VI. – Formosus' Leiche nach zehn Jahren ein zweites Mal exhumieren, die restlichen Finger der Schwurhand abtrennen und die Leiche dann erneut in den Tiber werfen. Sie soll sich jedoch in einem Fischernetz verfangen haben, wurde später in die Peterskirche zurückgebracht und dort zum dritten (und letzten) Mal bestattet. Späte letzte Ruhe für einen postmortalen Pechvogel.
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Wer hat am längsten, wer am kürzesten regiert? Wer war der jüngste, wer der älteste Pontifex? Wer war am produktivsten? Katholisch.de hat die lange Reihe der offiziell 266 Päpste nach einigen "Bestmarken" durchforstet.Kardinäle ohne Dach über dem Kopf
Manch einer arbeitet am besten unter Druck: Nach dem Tod von Papst Clemens IV. im Jahr 1268 kamen die Kardinäle im mittelitalienischen Viterbo zur Wahl eines Nachfolgers zusammen. Wegen gegensätzlicher politischer Interessen erreichten sie jedoch keinen Konsens. Was folgte, war ein fast dreijähriges Patt zwischen den Purpurträgern – wodurch diese Papstwahl zum längsten Konklave der Geschichte wurde. Das endlose Taktieren der Kardinäle wollten die Bürger Viterbos allerdings irgendwann nicht mehr tolerieren. Man erinnerte sich an Methoden, die knapp 30 Jahre zuvor die Wahl von Coelestin IV. beschleunigt hatten: das Einschließen der Kardinäle unter unschönen Bedingungen – damals hatte man die Purpurträger auf Wasser und Brot gesetzt.
Einen solchen Druck wollten nun auch die Viterbesen ausüben. Man sperrte die Kardinäle in ihrem Tagungspalast ein und deckte kurzerhand das Dach ab, um den Aufenthalt so ungemütlich wie möglich zu gestalten. Das zeigte Wirkung: Als die Papstwähler nun Wind und Wetter ausgesetzt waren, konnten sie sich plötzlich relativ rasch zu einem Entschluss durchringen. Am 1. September 1271 wählten sie Gregor X. (†1276) zum neuen Pontifex. Er war es dann auch, der Konsequenzen aus der vorangegangenen Wahl zog und das Konklave im heutigen Sinn schuf. Gut für die Kardinäle: Seitdem mussten sie bei der Papstwahl ein Dach über dem Kopf nicht mehr missen.
Wenn ein "falscher" Papst verkündet wird
"Annuntio vobis gaudium magnum: Habemus papam!" – "Ich verkünde euch eine große Freude: Wir haben einen Papst!" Nach erfolgreicher Wahl im Konklave ist es heute die Aufgabe des Kardinalprotodiakons, von der Benediktionsloggia des Petersdoms aus den neuen Pontifex der Öffentlichkeit bekanntzugeben. Ein spannungsintensiver Moment, in dem nicht wenige hoffen, dass ihr favorisierter Kandidat es ins Amt geschafft hat.
Das war zu früheren Zeiten nicht viel anders: Nach dem Tod Gregors XI. versammelten sich die Kardinäle 1378 zur Wahl eines Nachfolgers im vatikanischen Palast. Überall auf den Straßen Roms erklang lauthals die Parole "Wir wollen einen Römer als Papst!". Trotz dieses Drucks von außen fiel die Wahl im Konklave aber auf einen Nichtrömer: den Erzbischof von Bari, Bartolomeo Prignano, der sich Urban VI. nannte. Doch um die Wut der Römer zu dämpfen, verkündete man dem Volk ganz einfach jemand anderen: Der römische Kardinal Francesco Tebaldeschi habe das Rennen gemacht, hieß es. Dass Lügen kurze Beine haben, war wohl auch den Kardinälen klar, sodass bereits am folgenden Tag der wahre Sieger verkündet wurde – während sich so mancher Purpurträger aus Angst vor Ausschreitungen in die Engelsburg zurückgezogen hatte. Ein Aufstand blieb zwar aus, doch war die Wahl Urbans VI. (†1389) für die Kirche dennoch folgenreich: Kurze Zeit später trat das sogenannte Abendländische Schisma ein, in dem von 1378 bis 1417 zwei Päpste parallel herrschten – einer in Rom, einer in Avignon. Ein "falscher" Papst wurde seither allerdings nicht mehr verkündet.
Es tagen die Kardinäle am rauschenden Bach
Mit einer Bescheidenheit, wie sie heute Papst Franziskus auszeichnet, konnten die Päpste früherer Zeiten nicht zwingend dienen. Ganz und gar von sich selbst überzeugt war etwa Pius II. (1458-1464). Während seines Pontifikats war er ein strikter Verfechter des Papalismus: Der Pontifex sollte in allen kirchlichen und weltlichen Belangen allein die Entscheidungsgewalt haben. Konzilien und Synoden waren unerwünscht – Bischöfe, die Mitsprache beanspruchten, fielen bei Pius in Ungnade. Kein Wunder, dass der Papst auch einen ewigen Erinnerungsort an sich selbst und seine unsterbliche Größe wollte. Dafür ließ er seinen Geburtsort Corsignano bei Siena in Anlehnung an seinen eigenen Namen in "Pienza" umbenennen und stattete dessen Zentrum mit monumentalen Bauten aus – das kleine Dorf erhielt etwa eine prachtvolle Kathedrale und einen riesigen Palast für die päpstliche Familie. Reiche Kardinäle wie Rodrigo Borgia – der berüchtigte, spätere Papst Alexander VI. – folgten dem Appell des Pontifex und ließen sich in Pienza eigene Residenzen errichten.
Damit nicht genug: So oft es ging, mied Pius das kulturell rückständige und chronisch unruhige Rom und hielt sich stattdessen in lieblichen Landschaften im Umkreis Pienzas auf. Die Kurie musste ihn selbstverständlich dorthin begleiten – etwa zu Badekuren oder landeskundlichen Ausflügen. Das führte dazu, dass auch die Sitzungen der Kardinäle – die Konsistorien – auf blühenden Wiesen oder an rauschenden Flüsschen stattfanden. Dabei ließ sich Pius von den verblüfften Landleuten wie eine himmlische Erscheinung huldigen. Ein neuer, heute besonders skurril anmutender Regierungsstil, für den schon viele Zeitgenossen nur ein Kopfschütteln übrig hatten.
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In der Geschichte der Päpste gab es viel "Sex and Crime" – aber noch mehr Durchschnittlichkeit. Der Historiker Volker Reinhardt sagt: Gerade die Päpste ohne nennenswerte Eigenschaften waren gut für das Amt.Grünspan im vatikanischen Suppentopf
Vor allem im Mittelalter und in der Renaissance häuft sich die Zahl derjenigen Päpste und Ereignisse rund ums Papstamt, die man heute gemeinhin als kurios bezeichnen würde. Doch vor skurrilen Vorfällen war man auch in der jüngeren Vergangenheit nicht gefeit. Papst Leo XIII. (†1903) hatte über 25 Jahre lang die Kirche geleitet. Nach seinem Tod standen die Kardinäle vor der Herausforderung, einen angemessenen Nachfolger für das langjährige Kirchenoberhaupt zu finden.
Doch das war nicht das einzige "Problem", dem sich die Purpurträger im sommerlichen Konklave des Jahres 1903 stellen mussten: Fast alle anwesenden Kardinäle zogen sich in Rom eine Lebensmittelvergiftung zu. Das wurde auf die Suppe zurückgeführt, die an jenem Tag aus einem mit Grünspan verseuchten Topf serviert wurde (anschließend wurde das Essen nur noch in Keramik und Porzellan aufgetischt). Vermutlich sehnte sich damals so mancher erkrankter Purpurträger in Zeiten zurück, in denen man bei Wasser und Brot wählen musste. Wie dem auch sei: Einige Tage und brechende Kardinäle später einigte man sich auf Guiseppe Sarto als neuen Papst Pius X. (†1914).
Das zu enge Gewand
Zum Schluss noch eine kurze Anekdote aus dem Pontifikat Johannes' XXIII. (1958-1963): Der war bekanntlich nicht der schlankeste Papst der Geschichte – und seine Wahl zum Stellvertreter Christi hatte der vatikanische Schneider offenbar auch nicht erwartet. Denn der Bergamasker Bauernsohn war schlicht zu korpulent für das vorbereitete Papstgewand, in dem er sich frischgewählt dem Volk präsentieren sollte. Letztlich aber kein Problem: Die Nähte am Rücken wurden ganz einfach aufgetrennt – ähnlich einem Krankenhemd –, und die jubelnde Masse auf dem Petersplatz merkte nichts von dem textilen Malheur.