Kurienkardinal kritisiert Gesellschaft scharf

Brandmüller: Empörung über Missbrauch in Kirche ist Heuchelei

Veröffentlicht am 04.01.2019 um 09:17 Uhr – Lesedauer: 

Rom ‐ Missbrauch sei kein spezifisch katholisches Problem und der Zusammenhang zwischen sexualisierter Gewalt und Homosexualität erwiesen: Kurienkardinal Walter Brandmüller übt scharfe Kritik – und sieht den eigentlichen Skandal woanders.

  • Teilen:

Die Empörung über den Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche ist aus Sicht des emeritierten deutschen Kurienkardinals Walter Brandmüller Heuchelei. "Da benimmt sich die Gesellschaft ziemlich heuchlerisch", sagte Brandmüller der Deutschen Presse-Agentur kurz vor seinem 90. Geburtstag an diesem Samstag. "Was in der Kirche an Missbrauch passiert ist, ist nichts anderes, als was in der Gesellschaft überhaupt geschieht." Sexueller Missbrauch sei alles andere als ein spezifisch katholisches Phänomen. Der eigentliche Skandal sei, dass sich die Kirchenvertreter in diesem Punkt nicht von der gesamten Gesellschaft unterschieden.

Nicht weniger wirklichkeitsfremd...

"Nicht weniger wirklichkeitsfremd ist es, zu vergessen beziehungsweise zu verschweigen, dass 80 Prozent der Missbrauchsfälle im kirchlichen Umfeld männliche Jugendliche, nicht Kinder, betrafen", kritisierte Brandmüller. Es sei zudem "statistisch erwiesen", dass es einen Zusammenhang zwischen Missbrauch und Homosexualität gebe.

Nach Ansicht Brandmüllers sollten Homosexuelle keine Priester werden. "Aus dem einfachen Grund, dass eine homosexuelle Veranlagung sehr schwer zu bewältigen ist", sagte er. "Zudem muss ein Priester väterlich sein. Wer emotional nicht zu einer normalen menschlichen Liebe und Verantwortung für die Familie fähig ist, der würde auch als Priester Schwierigkeiten begegnen."

Walter Brandmüller war von 1998 bis 2009 Präsident des Päpstlichen Komitees für Geschichtswissenschaft. Seit 2010 gehört er dem Kardinalskollegium an. Im September 2016 wandte sich Brandmüller gemeinsam mit den Kardinälen Raymond Leo Burke, Carlo Caffarra und Joachim Meisner in einem Schreiben an Papst Franziskus und die Kongregation für die Glaubenslehre. Darin geäußert wurden fünf sogenannte "Dubia" (Zweifel) hinsichtlich bestimmter Aussagen im Papstschreiben "Amoris Laetitia".

Die im vergangenen Jahr vorgestellte Studie der deutschen Bischöfe hatte ergeben, dass in Deutschland zwischen 1946 und 2014 insgesamt 1.670 katholische Kleriker 3.677 meist männliche Minderjährige sexuell missbraucht haben sollen. Zudem hatten die mit der Studie beauftragten Wissenschaftler problematische Strukturen in der katholischen Kirche benannt, die Missbrauch nach wie vor befördern könnten - etwa die umstrittene Verpflichtung der Priester zur Ehelosigkeit (Zölibat) und die ausgeprägte klerikale Macht einzelner Geistlicher. (tmg/dpa)

4.1., 16:21 Uhr: Ergänzt um den 3. Absatz über Homosexualität und Priester.