In diesem Jahr bislang nur zwei anerkannte Verfahren

Bundesamt lehnt 2019 fast alle Fälle von Kirchenasyl ab

Veröffentlicht am 08.06.2019 um 10:11 Uhr – Lesedauer: 

Berlin ‐ Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bewertet Fälle von Kirchenasyl 2019 offenbar strikter als noch in früheren Jahren. Laut einem Medienbericht wurden in diesem Jahr bislang nur zwei von 147 Anträgen von Betroffenen positiv entschieden.

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Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) lehnt fast alle Fälle von Kirchenasyl ab. Im Jahr 2019 gab das Amt bis Ende April in nur zwei von 147 Fällen dem Ersuchen einer Kirchengemeinde statt, ein Asylverfahren in Deutschland zu führen, obwohl laut EU-Regelung eigentlich ein anderer europäischer Staat zuständig gewesen wäre, wie die Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Samstag) mit Bezug auf eine Antwort der Bundesregierung auf Anfrage der Linksfraktion berichtet.

Deutliche Veränderung zu 2018

Von Januar bis April lehnte das Bamf demnach 145 Anträge von Menschen in Kirchenasyl ab. Somit seien nur 1,4 Prozent aller Fälle als besondere Härtefälle anerkannt worden, in denen das Asylverfahren dann von Deutschland übernommen worden sei. 2018 waren es nach Angaben der Bundesregierung noch fast zwölf Prozent aller Fälle, in denen das Bamf der Kirche bei ihrem Ersuchen auf ein Verfahren eines Flüchtlings in Deutschland folgte.

Insgesamt lag die Zahl der gemeldeten Fälle von Kirchenasyl laut Bundesregierung in den ersten vier Monaten 2019 bei 250. Im gesamten Jahr 2018 waren es 1.521 Fälle. Kirchen wählen Geflüchtete mit besonders brisanten Lebenslagen aus und gewähren ihnen in den Gemeinden Schutz. Mit einer eigenen Stellungnahme zu den "Härtefällen" wendet sich die Kirche dann an das Bamf zur erneuten Übernahmeprüfung.

Arbeitsgemeinschaft: Im Mai mindestens 671 Menschen im Kirchenasyl

Laut einem Offenen Brief der Ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft "Asyl in der Kirche" lag die Quote der anerkannten Fälle von Kirchenasyl durch das Bamf 2015 und 2016 sogar noch bei 80 Prozent. Linken-Innenexpertin Ulla Jelpke kritisierte die Entscheidungspraxis des Bamf deutlich: "Diese Hartherzigkeit ist unerträglich. Ich fordere das Bamf auf, zu einem verständigen und sorgsamen Verfahren zurückzukehren", sagte Jelpke den Zeitungen. "Es kann nicht sein, dass humanitäre Grundsätze dem um sich greifenden Abschiebewahn geopfert werden."

Laut Zahlen der Ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft "Asyl in der Kirche" befanden sich im Mai bundesweit mindestens 671 Menschen im Kirchenasyl, darunter 143 Kinder. Die Mehrheit (375) waren sogenannte Dublin-Fälle, die eigentlich in das EU-Land zurückgeschickt werden müssten, in das sie zuerst eingereist waren. (stz/KNA)

Stichwort: Kirchenasyl

Beim sogenannten Kirchenasyl nehmen Gemeinden oder Ordensgemeinschaften Asylbewerber auf, die von Abschiebung bedroht sind. Schon aus dem vierten Jahrhundert ist bekannt, dass Flüchtlinge in Kirchen Schutz suchten. Mit der Entwicklung rechtsstaatlicher Systeme verlor das Kirchenasyl an Bedeutung und wurde im 18. und 19. Jahrhundert in den meisten Ländern abgeschafft. Kirchlicherseits gibt es seit dem neuen Kirchenrecht 1983 offiziell kein Kirchenasyl mehr. Wer heute in Deutschland Kirchenasyl gewährt, verstößt nach einhelliger Rechtsauffassung gegen geltendes Recht. Die Mehrzahl der Schutzsuchenden sind zudem sogenannte Dublin-Fälle, die eigentlich in das EU-Ersteinreiseland zurückgeschickt werden müssten, um dort Asyl zu beantragen. Läuft jedoch die Überstellungsfrist – bislang sechs Monate – ab, ist Deutschland für den Asylantrag zuständig. Eine im April 2019 veröffentlichte zweite Auflage einer Handreichung der katholischen Bischöfe spricht vom Kirchenasyl als "letztes Mittel", um in Einzelfällen "unzumutbare Härten" abzuwenden. (KNA)