Chefin des Obersten Gerichts kritisiert Kirche
Im Streit um die Justizreform in Polen hat sich die Präsidentin des Obersten Gerichtshofs enttäuscht über die katholische Kirche geäußert. Die Kirche habe Einfluss und könne etwas erreichen, erklärte Malgorzata Gersdorf im Interview der "Süddeutschen Zeitung" (Donnerstag). Aber die Kirche sei mit der Regierungspartei PiS "eng verbunden. Deswegen hat sie bisher nichts gesagt und wird auch in Zukunft nichts sagen."
Wenn die drei von der PiS geplanten Gesetze für die Reform des Obersten Gerichts, des Landesrichterrats und die allgemeinen Gerichte in Kraft treten würden, gäbe es "keine Gewaltenteilung mehr in Polen", so Gersdorf. Die Macht werde dann "in der Hand von Justizminister Zbigniew Ziobro sein, der gleichzeitig Generalstaatsanwalt ist". Von der EU erwarte sie "keine drastischen Handlungen". Sie wisse selbst nicht, "ob ich sie will. Das ist schließlich mein Land."
Der Sprecher der Polnischen Bischofskonferenz, Pawel Rytel-Andrianik, hatte eine Stellungnahme zu der umstrittenen Justizreform abgelehnt. Später forderte er alle politischen Gruppen zur Verständigung auf. Ziel müsse das "Wohl Polens und seiner Bürger" sein.
Opposition spricht von "Staatsstreich"
An diesem Donnerstag soll das Unterhaus des Parlaments, der Sejm, über den PiS-Gesetzentwurf für den Obersten Gerichtshof abstimmen. Er ermächtigt Justizminister Ziobro, alle amtierenden Richter des Gerichts in den Ruhestand zu versetzen und einen Interimschef für das Gericht zu bestimmen. Regierungsgegner werfen der PiS vor, so das abgesehen vom Verfassungstribunal höchste Gericht des Landes unter ihre Kontrolle bringen zu wollen. Die Opposition und namhafte Künstler sprechen von einem "Staatsstreich".
Die PiS erklärte, ihre Justizreform gebe den Bürgern die Kontrolle über die Gerichte zurück und sorge für eine bessere Rechtsprechung. Parteichef Jaroslaw Kaczynski warf der polnischen Justiz am Mittwochabend in einem Interview des staatlichen Fernsehens vor, Unschuldige zu verurteilen und sich vor Verbrechern zu verneigen.
In der vergangenen Woche hatte das Parlament bereits ein Gesetz beschlossen, das der Regierung mehr Einfluss auf die Ernennung und Absetzung von Richtern anderer Gerichte gibt. EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani und die EU-Kommission riefen Polens Staatspräsident Andrzej Duda und die PiS auf, die Justizreform zu stoppen.
UPDATE I: Erzbischof Polak äußert sich
Der Primas der katholischen Kirche in Polen, Erzbischof Wojciech Polak, fordert einen sachlichen Dialog über die von der Regierungspartei geplante Justizreform. Notwendig sei eine Debatte über die "Erhaltung der Grundsätze des demokratischen Rechtsstaats", sagte Polak am Donnerstag der polnischen Nachrichtenagentur KAI. Die Diskussion dürfe nicht von Emotionen beherrscht werden.
Bei jeder Reform müssten die Folgen bedacht werden, so der Primas. Eine Reform solle stets dem Wohl der Menschen und der gesamten Gesellschaft dienen. Auf den umstrittenen Gesetzentwurf der nationalkonservativen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) zum Obersten Gerichtshofs und dem Landesjustizrat, der die Richterstellen an anderen Gerichten besetzt, ging Polak nicht konkret ein.
UPDATE II: Justizreform beschlossen
Trotz Kritik der EU hat Polens Parlament ein Gesetz über einen Umbau des Obersten Gerichtshofs beschlossen. Für den Entwurf der Regierungspartei stimmten am Donnerstag 235 Abgeordnete, 192 stimmten dagegen. 23 Abgeordnete enthielten sich. Das Gesetz sieht vor, dass die Richter des Gerichts in den Ruhestand versetzt werden. Die Zahl der Richter soll in etwa halbiert und eine neue Disziplinarkammer geschaffen werden. Diese soll Richter bei Vergehen bestrafen. (bod/KNA)