Den Glauben auf die Straße bringen: Die "Jesus Biker"
"Jesus Christus – Weg, Wahrheit, Leben" steht auf der Kutte von Matz Hübner. Die Kutte, das ist eine schwarze Lederweste, die Hübner trägt, wenn er auf sein Motorrad steigt. "Wir wollen den Glauben auf die Straße bringen", sagt der 55-Jährige. Wir – das sind die "Jesus Biker", eine Gruppe von Motorradfahrern, die sich um ihren Gründer Thomas Draxler gebildet hat, der im hessischen Schaafheim ein Institut für Gesundheit leitet.
Es gibt sie seit fünf Jahren, etwa 40 Leute gehören den "Jesus Bikern" an. Manche von ihnen kommen auch aus Schaafheim. Andere lenken ihre schweren Maschinen regelmäßig zu Draxlers Haus, um sich mit Gleichgesinnten zu treffen und um, wie Biker Stefan Stumpf sagt, Energie zu tanken. Irgendwann wurde Stumpf die Fahrerei zwischen Kaiserslautern und Schaafheim zu lästig, und er zog mit seiner Frau in das Dorf. "Wir sind hier alle Brüder und Schwestern", sagt er.
Wer sich zu den "Jesus Bikern" bekennt, bekommt eine Lederweste überreicht. In einer feierlichen Zeremonie in Draxlers Kapelle, die er im Keller seines Hauses eingerichtet hat. Dort stehen Kirchenbänke und Marienstatuen, Kreuze, Kerzen, Ikonenbilder, ein lebensgroßer Jesus aus Holz im Schoß seiner Mutter. Je nachdem, welcher Konfession die neuen Mitglieder angehören, katholisch, evangelisch, syrisch-orthodox oder freikirchlich – für jede Glaubensrichtung beschafft Draxler den passenden Geistlichen. "Wir kommen auch vor jeder Ausfahrt hier zusammen, um zu beten", sagt Hans Winkler. Den 67-Jährigen beruhigt es, dass Jesus ihn auf seiner Kutte begleitet. "Ich fühle mich sicherer."
In der Kapelle finden auch Gottesdienste statt, mit den Pfarrern aus Schaafheim; immer wieder hält auch Draxler selbst einen Wortgottesdienst. Eins seiner Themen sind die vier Kardinaltugenden: Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit und Mäßigung. Die stehen als Abnäher vorne auf der Lederweste. "Wenn wir Entscheidungen treffen, sollten wir diese durch das Raster laufen lassen: Ist die Entscheidung klug, gerecht, tapfer und maßvoll?", sagt der 56-Jährige.
Motorradfahren beispielsweise sei gut, aber in Maßen. Manche nennen Draxler scherzhaft den Jesus, mit seinen langen grauen Haaren könnte man auf die Idee kommen. Aber Draxler will nur Werbung für den Sohn Gottes machen. "Er ist unser Präsident." Die Jesus Biker legen Wert darauf, dass sie kein Club sind, kein Verein. Sie sind ein lockerer Zusammenschluss, Aufrufe zu gemeinsamen Ausfahrten oder Gottesdiensten erfolgen über die sozialen Medien. "Wer hier ist, ist freiwillig hier. Wer nicht kommt, kommt nicht, da fragt man nicht nach", so Draxler.
Respekt in der Szene
Sich als "Jesus Biker" in der Motorrad-Szene zu etablieren, war nicht einfach. "Doch inzwischen werden wir ernst genommen", sagt Hübner, der lange überlegt hat, ob er eine solche Kutte tragen will. Viel mehr will er dazu nicht sagen, nur so viel: Die Szene habe ihre eigenen Regeln, da könne man nicht einfach mit einer Kutte auftauchen, auf der hinten groß der Name Jesus steht. Das habe Konsequenzen. Wenn man nicht aufpasst, unangenehme. Aber die Biker aus der Gruppe, vor allem Draxler, seien gut vernetzt; es habe viele Gespräche gegeben, und jetzt gibt es Respekt.
Am 29. Juni brechen die "Jesus Biker" zu einer ganz besonderen Fahrt auf: einem Peace-Ride, einer Friedensfahrt, nach Rom, genaugenommen zum Vatikan. Mit dabei: eine Harley Davidson für Papst Franziskus. Das Ganze hat eine längere Vorgeschichte, die damit beginnt, dass Draxler vor ein paar Jahren Karl Wallner kennenlernt, Dogmatikprofessor und damals noch Rektor der Philosophisch-Theologischen Hochschule Heiligenkreuz in Niederösterreich. Diesem erzählt er von seiner Idee, eine Harley für den Papst zu bauen.
Wallner findet die Idee offenbar gut. Vor einem Jahr jedenfalls begegnen sie sich wieder – und Wallner berichtet Draxler, in diesem Juli erwarte Franziskus sein Motorrad. Draxler ist schockiert: Woher soll er die Harley nehmen? Als er auf dem Heimweg vom Motorradgottesdienst in Altötting ist, macht Draxler Halt beim "Chicken" in Würzburg, den er so nennt, weil er neben seinem Harley Davidson-Shop noch einen Hühnerhof besitzt. "Hast du nicht eine Harley übrig?", fragt Draxler Christoph Repp alias Chicken, und der meint: Klar. Seitdem wird, unter höchster Geheimhaltung, in Repps Werkstatt für den Papst ein Motorrad zusammengeschraubt. "Es wurde ein eigener Mechaniker, Miro, dafür abgestellt, der von nichts anderem mehr träumt als von der Papst-Harley", sagt Draxler. Vergoldete Speichen, der Sitz aus einem speziellen Leder, ein kreuzförmig in den Heckfender eingelassenes Licht...
Um das Ganze noch auf die Spitze zu treiben, haben die "Jesus Biker" jetzt sogar einen Termin bei der nächsten Generalaudienz im Vatikan bekommen. Repp und sein Lackierer werden also nach Rom fahren, das Motorrad von Papst Franziskus signieren und segnen lassen und es wieder nach Würzburg zurückbringen. Am 15. Juni, wenn Repp auf seinem Hühnerhof sein alljährliches Sommerfest feiert, wird die Maschine erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt. Anschließend wird es Tom, der Sohn von Draxler, der in der Harley-Vertretung arbeitet, auf dem Peace-Ride nach Rom fahren.
Bier und moralische Unterstützung
Rund 60 Biker haben sich bislang für die Pilgerreise, wie die "Jesus Biker" ihre Fahrt nennen, angemeldet. Begleitet werden sie von einem Pater und einem Bruder der Franziskanischen Gemeinschaft von Betanien in Aschaffenburg. Das Kloster hatte ein eigenes Bier nach alter Rezeptur entwickelt, das hat Draxler begeistert. Es gab wieder Gespräche, und nun fahren Pater Alberto und Bruder Maurizio in einem von einer Brauerei gesponserten Biertransporter beim Peace-Ride mit, im Gepäck befinden sich 100 Kisten des Klostergebräus und moralische Unterstützung. "Es ist wie eine Wallfahrt nach Rom, und bei jeder Fahrt gibt es Begegnungen und Austausch, und dadurch erfahren wir Gott", freut sich Bruder Maurizio.
Das Papst-Bike wird am Ende versteigert, mit dem Geld soll ein Waisenhaus in Uganda finanziert werden. Die Welt sei so komplex geworden, sagt Draxler, da sei es wichtig, im Glauben eine Erdung zu finden. Und sich daran zu erinnern, was das Wichtigste im Leben sei: "Gott und den Nächsten zu lieben."