Der taubblinde Diakon
Peter Hepp (56) aus Rottweil ist der bundesweit einzige taubblinde Diakon. Geweiht wurde er 2003. Er ist von Geburt an taub und erblindete im Alter von 30 Jahren. Hepp, verheiratet und Vater von zwei Kindern, ist auch Träger des Bundesverdienstkreuzes. Im Interview berichtet er von seiner Arbeit, seinem Leben und den Vorurteilen, denen er manchmal begegnet.
Frage: Sie arbeiten als Diakon beziehungsweise Seelsorger für Hör- und Sehbehinderte und dabei eng mit Ihrer Ehefrau Margherita zusammen. Bitte geben Sie doch ein oder zwei Beispiele dafür, wie Ihre gemeinsame Arbeit im Alltag aussieht.
Hepp: Meine Frau arbeitet als sogenannte Assistenz am Arbeitsplatz. Das bedeutet, dass sie Tätigkeiten übernimmt, die aufgrund meiner Behinderung notwendig sind. Sie übersetzt für mich in den verschiedensten Situationen: beim Telefonieren oder auch im Gottesdienst für die Ortsgemeinde. Und sie begleitet mich.
Wir sind aber auch ein Team im Sinne von Arbeitskollegen. Unsere Seelsorge ist nicht nur für Selbstbetroffene da, sondern auch für Mitbetroffene, also Familienangehörige, Partner, Freunde, Bekannte und Fachkräfte. Für diese Mitbetroffenen übernimmt meine Frau auch seelsorgliche Tätigkeiten, weil diese Gespräche häufig per Telefon geführt werden. Außerdem veranstaltet sie regelmäßig Treffen für Angehörige. Ich mache eher viel in der sogenannten Gebärdensprachgemeinschaft, die von normalsehenden, sehbehinderten und erblindeten Gehörlosen gebildet geworden ist.
Frage: Was ist der größte Unterschied zwischen der Arbeit eines sehenden und hörenden Diakons und der eines taubblinden?
Hepp: Den Hauptunterschied macht die Betroffenheit durch dasselbe Schicksal aus. Die taubblinden und hörsehbehinderten Menschen sehen mich nicht nur als einen Diakon, sondern als "Leidensgenossen", als einen, der "weiß, wovon er spricht". Die Glaubensgemeinschaft ist also auch eine "Schicksalsgemeinschaft".
Frage: Sind Sie manchmal mit Vorurteilen oder Bedenken konfrontiert, was Ihre Arbeit angeht? Oder gibt es überwiegend positive Reaktionen? Sie haben das Bundesverdienstkreuz erhalten.
Hepp: Ich erfahre immer wieder beides: lernbereite Anerkennung und hartnäckige Vorurteile bei allen Gruppierungen. Ich kann nicht sagen, dass etwas überwiegt.
Frage: Wie darf man sich Ihren Alltag, Ihr Familienleben vorstellen?
Hepp: Im Haus kann ich viel machen. Für Aktivitäten draußen brauche ich eine Begleitung. Auffällig ist zum Beispiel, dass ich nie am Steuer, sondern immer als Beifahrer im Auto sitze ... Wenn wir als Familie etwas zu besprechen haben, dann müssen wir uns etwas mehr Zeit nehmen. Aber es geht, da auch meine Kinder die speziellen Kommunikationsformen beherrschen.
Frage: Was ist Ihnen durch den Kopf gegangen, als Sie zusätzlich zu Ihrer Taubheit wegen des Usher-Syndroms erblindeten?
Hepp: Für mich war es insofern keine "böse Überraschung", als es etwas war, das ich schon viele Jahre vorher mit anderen Menschen mit Usher-Syndrom erlebt habe. Ich kannte diese Erkrankung und beherrschte die speziellen Fertigkeiten für den Umgang mit Taubblindheit.
Als mir klar wurde, dass ich schon als junger Mann taubblind werde - das war hart. Es war ein Hauptkonflikt zwischen meiner Berufung und meiner Behinderung. Ein langes Ringen. Eine lange Geschichte. Ich habe darüber in meinem Buch "Die Welt in meinen Händen" ausführlich geschrieben.
Frage: Wie beurteilen Sie die Situation taubblinder Menschen und die Förderung taubblinder Kinder und Jugendlicher in Deutschland?
Hepp: Vieles hat sich in den letzten 20 Jahren verbessert - dank professioneller Unterstützung in allen Bereichen und guter Selbsthilfeorganisation. Der wichtigste Aspekt dabei ist, dass die Taubblindheit beziehungsweise die Hörsehbehinderung als eigenständige Behinderungsformen gesehen werden und nicht mehr wie früher als Randbereich im Blinden- oder Hörbehindertenwesen. Das hatte positiven Einfluss auf Frühförderung und Pädagogik. Natürlich ist auch heute noch nicht alles perfekt. Für Hilfen insbesondere im Alltag muss auch heute noch hart gekämpft werden. Es gibt nach wie vor einen großen Mangel an Assistenzkräften.