Die Frohe Botschaft auf Facebook, Instagram und Co.
Josef Wagner bloggt als "derboivomseminar". Der 20-Jährige ist Priesterseminarist in Augsburg, seit einem Jahr studiert er dort auch katholische Theologie. Für ihn war klar: Wenn er in das Seminar eintreten sollte, wollte er auch über seine Erfahrungen berichten. "Ich wollte Präsenz zeigen", sagt Wagner. Er postet auf Instagram Bilder und Videos aus der Messfeier, zeigt sich beim Orgelspiel, stellt seinen Followern Fragen über ihren Glauben.
Besonders beliebt: Der "Gebets-Freitag". Wagner fragt seine Follower dabei, für wen oder was sie beten möchten, die User können darauf antworten. Einige wollen schlicht "Für Max" beten. Andere schreiben mehr, zum Beispiel: "Dass ich endlich wieder richtig gesund werde und meinen Alltag wieder antreten kann". Wieder andere schließen Josef Wagner direkt in das Gebet ein: Für "Dich und dass es bei dir im Leben weiter gut voran geht mit Gott an deiner Seite".
Erfolgsrezept Authentizität
60 bis 80 Gebetsanliegen kommen so jeden Freitag zusammen. Das zeigt: Die Menschen wollen ihre – teilweise sehr intimen – Anliegen teilen. Wagner ist immer wieder überrascht über die Gebetsbitten. Vor allem: Er kann sehen, wer ihm welches Anliegen schreibt. "Die Leute schreiben mir trotzdem", sagt er. Seine Art scheint die Menschen anzuziehen, 1.652 Menschen folgen ihm auf Instagram. Zum Vergleich: Das Erzbistum Berlin hat etwas weniger als 1.300 Follower, das Bistum Augsburg weniger als 1.200. Der Erfolg stellt sich bei Wagner ganz ohne Finanzierung oder aufwendiges technisches Equipment ein. Sein Erfolgsrezept: Authentizität. Die Menschen wollen eine Person sehen, mit der sie sich identifizieren können." Das wirkt besonders bei den jungen Erwachsenen: 70 Prozent von Wagners Zielgruppe besteht aus den 18- bis 24-Jährigen.
Standpunkt: Die Kirche muss sich den digitalen Lebensrealitäten stellen
Soziale Netzwerke sind partizipative Plattformen und Begegnungsstätten, die von der Kirche noch immer nicht ausreichend genutzt werden, kritisiert Susanne Hornberger. Sie befürchtet, dass das für die Kirche fatale Folgen haben könnte.Zur Authentizität gehört für Wagner, auch mal einen schlechten Tag haben zu dürfen. Weniger zu posten, auch mal über Probleme zu sprechen. Die Internetauftritte der katholischen Kirche findet er da oft viel zu gestellt. "Solange du etwas bringst, schauen es die Leute an. Aber: Die Qualität darf nicht fehlen", meint er. Das ist die Herausforderung: Ehrliche Inhalte posten, ohne in die Belanglosigkeit abzurutschen. Präsent ist er nur auf Instagram. Facebook sei seit Jahren kein Thema mehr, sogar Snapchat habe keine große Bedeutung mehr. Die Wahl der Medien spielt eine große Bedeutung, will man Menschen erreichen. Aktive Facebook-User werden immer älter, die jungen Menschen sind auf Instagram unterwegs: Mehr Bilder und Videos, weniger purer Text und geteilte Internetlinks.
Ähnlich ist das auch bei Kevin Fischer, der in Tübingen Theologie studiert und Priesteramtskandidat für das Bistum Rottenburg-Stuttgart ist. Der 23-Jährige bloggt als "Theophilos". Auch er arbeitet mit Instagram, sein Account ist aber noch mit Facebook verknüpft – so können die Beiträge dort parallel laufen. Fischer entspricht so gar keinem gängigen Theologen-Klischee: Er betreibt Kampfsport und rappt gerne. So kam er auch zu seinem Blog. "Am Anfang stand ein Musikprojekt. Gemeinsam mit einem Freund wollte ich ein Musikvideo drehen. Wir brauchten Geld für die Ausstattung", sagt Fischer. Seine Diözese unterstützte das Projekt und schlug vor, Fischer könne doch einen Blog als Theologiestudent betreiben. Im Zentrum soll das Leben als junger Student stehen – ohne zu viele theologische Details zu behandeln.
Viel Interesse an existenziellen Fragen
"Das Publikum, das ich erreichen möchte, sind die 14- bis Mitte 20-Jährigen", so Fischer. Wenn er etwas postet, sehen das zwischen 300 und 400 Menschen. Die Reaktionen: In erster Linie positiv. Auch bei ihm zeigt sich das Gesprächsbedürfnis der Social-Media-Nutzer: "Es gibt sehr viel Interesse und existenzielle Fragen von jungen Menschen, die offenbar keinen anderen kennen, dem sie diese Fragen stellen können." Nicht mehr Pfarrer oder Gemeindereferentin sind Ansprechpartner, sondern die Blogger im Internet. Das könnte für die katholische Kirche eigentlich eine große Chance sein: Die Fragen sind da, auch im Web 2.0. Nur beantworten muss sie eben jemand.
Von dieser Erfahrung kann auch Ludwig Martin Jetschke berichten. Er ist in das Dasein als Blogger eher reingerutscht. Jetschke hat Kirchenmusik studiert, bis er das Studium aufgrund einer Sehnenscheidenentzündung abbrechen musste und nun Lehramt studiert. Weiter ist er als Kirchenmusiker aktiv und hat irgendwann begonnen, sich beim Orgeln zu filmen. Unter dem Künstlernamen "Lingualpfeife" veröffentlicht er diese Filme bei YouTube. Heute hat er dort mehr als 13.500 Abonnenten und kann knapp 14 Millionen Aufrufe verzeichnen – grob zehn Mal so viel wie das Bistum Passau, etwa 28 Mal so viel wie das Erzbistum Paderborn.
Bei ihm zeigt sich ein ähnliches Muster. Anfangs war der Blog medial nicht sehr professionell. Er stellte eine Kamera auf und setze sich an die Orgel. Funktioniert hat es aber. Bei den Videos ist es nicht geblieben, dazu kam schnell die Interaktion mit den Usern: "Das ist der entscheidende Punkt. Hier entscheidet sich, ob es das Ding wert ist oder nicht", meint Jetschke. Er greift nicht nur die schnellen Likes ab, sondern setzt sich mit seinen Fans auseinander. So entstehen nicht nur fachliche Diskussionen oder Nachfragen, sondern auch ganz persönliche Gespräche. Bei vielen seiner Fans kennt Jetschke den Hintergrund. Er weiß woher sie kommen, kennt vielleicht sogar gesundheitliche Probleme. Das Ausmaß ist mittlerweile enorm: Auf WhatsApp verbindet sich seine Community, bildet Gebetsketten und betet online das Stundengebet. Für Jetschke ein Beweis dafür, dass Kirche sich mehr in den sozialen Medien bewegen muss. Alleine schafft er all seine Aktivitäten schon länger nicht mehr. Dafür hat er ein Team von Ehrenamtlichen, die sich mit ihm um YouTube, WhatsApp und Facebook kümmern.
Kirche darf nicht nur um sich selbst kreisen
Viel zu oft, meint der Blogger, würde die Kirche im Netz noch um sich selbst kreisen: "Was Kirche im Bereich von Social Media macht, ist oft nur noch Selbstbespaßung." Bistümer teilen Nachrichten, Verbände machen auf ihre Aktionen aufmerksam – vergessen aber, dass sie es mit echten Menschen zu tun haben. Menschen, die Probleme und Sorgen haben, manchmal einfach jemanden zum Reden brauchen. In Jetschkes Community sammeln sich Viele, die vor Ort mit ihrem Glauben oft allein sind, manchmal sogar gehänselt werden.
"Wir brauchen eigentlich sofort 27 Internetkirchen", meint der 30-jährige Blogger. In jedem deutschen Bistum eine. Einen Ort im Netz, an dem den Menschen zugehört und gemeinsam gebetet wird. Die Gruppe der "Lingualpfeifen" existiert längst nicht mehr nur im Netz. Seinen 30. Geburtstag hat Ludwig Jetschke schon im Kreis Gleichgesinnter gefeiert. Aus Unbekannten werden so Freunde. Die neuen Medien fordern auch neue Inhalte. Wer ankommen will, muss auf die Altersstruktur achten, die Sprache der Jugendlichen sprechen und auch mal Neues ausprobieren. Eine Garantie für das Gelingen gibt es dabei nicht, die drei Blogger aber haben Erfolg mit ihrer Methode: Authentisch sein und auf die Anliegen der User hören.