Vor 150 Jahren gründete Charles Lavigerie den Orden der Afrikamissionare

Dieser Mann wollte ganz Afrika missionieren

Veröffentlicht am 19.10.2018 um 12:16 Uhr – Lesedauer: 

Tunis ‐ Erzbischof Charles Lavigerie hatte eine Vision: Ganz Afrika soll christlich werden. Deshalb gründete er 1868 eine Missionsgesellschaft: die "Weißen Väter". Bis heute setzt sich der Orden besonders für den christlich-islamischen Dialog ein.

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Das frühe Christentum der Antike in Nordafrika war mit der islamischen Eroberung des 7. Jahrhunderts untergegangen. Erst im mächtigen kolonialen Fahrwasser des französischen "Protektorats" ergab sich Mitte des 19. Jahrhunderts eine Chance, das Rad zurückzudrehen. Ein Schlüsselfigur für diesen Versuch war Charles-Martial Allemand Lavigerie (1825-1892).

Gebürtig in Bayonne im Baskenland, wurde Lavigerie Bischof von Nancy und 1867 von Papst Pius IX. zum Erzbischof von Algier ernannt. Neben der Wiederbelebung des antiken afrikanischen Christentums in Nordafrika fasste Lavigerie sogar eine Verbreitung des Christentums in ganz Afrika ins Auge. Sein Mittel dafür waren Missionsgesellschaften, die sich für Bildung, für Arme, Kranke und Waisenkinder einsetzen sollten. Am 19. Oktober 1868, vor 150 Jahren, gründete Lavigerie die Gesellschaft der Afrikamissionare (Weiße Väter). Im Jahr darauf entstand auch ein weiblicher Zweig, die Weißen Schwestern.

Die landläufige Bezeichnung der "Weißen Väter" knüpft an das weiße Ordensgewand an. Allerdings wurde der Name allzu häufig mit der Hautfarbe der Priester assoziiert - weshalb in jüngerer Zeit eher die Bezeichnung "Afrikamissionare" bevorzugt wurde. Ihre Spiritualität ist von den Jesuiten geprägt, die in den Anfangszeiten die Seminaristen des Ordens ausbildeten. Die Mitglieder sollten die Kultur der einheimischen Bevölkerung respektieren und eine bodenständige Kirche aufbauen.

Bild: ©KNA

Weiße Väter im Gespräch mit Beduinen im Oktober 1956.

1878 wurden Missionsstationen in Ostafrika und 1894 in Französisch-Sudan gegründet, dem heutigen Mali, Burkina Faso und Guinea. 1874 entstanden Niederlassungen in Frankreich, 1884 in Belgien, 1894 in Deutschland und 1901 in Kanada. Allerdings waren nicht alle Versuche gleich von Erfolg gekrönt. 1876 wurden drei Missionare von Tuareg getötet beim Versuch, durch die Sahara das heutige Mali zu erreichen.

Besonders engagierte sich Erzbischof Lavigerie im Kampf gegen die Sklaverei. Er besuchte dafür Europas Hauptstädte und Regierungen, hielt und veröffentlichte Reden und Predigten für ein Ende des Menschenhandels. 1878 ernannte ihn Papst Leo XIII. (1878-1903) zum Apostolischen Delegaten für Zentralafrika und damit zum Beauftragten für die Mission. 1882 erhielt er den Kardinalshut.

Erzbischof Lavigerie: der "Primas Africae"

Und als das 1843 gegründete Apostolische Vikariat Tunesien 1884 zum Erzbistum Karthago erhoben wurde, machte der Papst den Ordensgründer der Weißen Väter zum ersten Erzbischof von Karthago und damit - unter Rückgriff auf die antike Tradition - zum Primas von ganz Afrika ("Primas Africae"). Lavigerie ließ in Karthago eine Kathedrale errichten, auf dem höchsten Punkt des Bursa-Hügels, wo einst die Akropolis der antiken Großmacht stand. Ein umlaufendes Mosaikband formuliert in dicken lateinischen Lettern den Führungsanspruch des Hausherrn für "ganz Afrika".

Lavigerie stirbt im November 1892 in Algier. Er wird in der Kathedrale von Karthago bestattet. Nach der Enteignung der Kirche durch den tunesischen Staat wird sein Leichnam 1964 nach Rom überführt. Drei Jahre nach Lavigeries Tod erfüllt sich ein alter Traum: Einer Karawane von Missionaren gelingt es, ins Innere Westafrikas vorzudringen und Niederlassungen im heutigen Mali zu gründen.

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Die katholische Kirche in Nordafrika bestand im 19. Jahrhundert fast ausschließlich aus Europäern, vielfach französische Beamte und Führungskräfte. Bildung, Erziehung und Caritas besorgten die Weißen Väter, der Schulbrüderorden und mehrere Frauenorden. Diese Verhältnisse bestanden bis zum Zweiten Weltkrieg bzw. dem Ende der kolonialen Ära in den 1960er Jahren weitgehend fort.

Besonders widmeten und widmen sich die Weißen Väter dem christlich-islamischen Dialog. Dazu gründete der Orden 1937 in Tunis das "Institut des Belles Lettres Arabes" (IBLA), eine wissenschaftliche Einrichtung mit zwei Bibliotheken zu arabischer Literatur. 1926 entstand, ebenfalls in Tunis, das "Institut für arabische und Islamstudien", das in den 1950er Jahren als Päpstliches Institut für Arabische und Islamische Studien (PISAI) nach Rom verlegt wurde.

Vom "Afrikaboten" zu "kontinente"

1978 gründeten die Weißen Väter die Christlich-islamische Begegnungs- und Dokumentationsstelle (CIBEDO) mit Sitz in Frankfurt/Main, um den interreligiösen Dialog und das Zusammenleben von Christen und Muslimen zu fördern. Seit 1998 ist CIBEDO die Fachstelle der Deutschen Bischofskonferenz.

Seit Beginn setzte der Orden bewusst Medien für seinen Missionsauftrag ein. 1894 erschien in Deutschland die erste Ausgabe der Zeitschrift "Afrikabote". Sie ging 1967 im Nachfolgetitel "kontinente" auf, der gemeinsam von 24 Missionsorden und dem Hilfswerk missio Aachen verantwortet wird.

Bis heute verfolgt der Orden weiter den Aufbau einer dienenden Kirche in Afrika - mit Respekt gegenüber der Spiritualität des anderen. Er ist in etwa 20 afrikanischen Ländern aktiv und zählt laut Vatikan-Angaben rund 1.600 Mitglieder, davon 1.350 Priester.

Von Alexander Brüggemann (KNA)