Edel, Einfach, Echt – Blumen im Kirchenraum
Der erste Ansprechpartner in Sachen Blumenschmuck im Kirchenraum ist meistens der Küster. Denn "grundsätzlich ist die Küsterin oder der Sakristan für die Ausstattung der Kirche zuständig", sagt Ralph Hövel, der Leiter der Küsterausbildung in den Diözesen Köln und Aachen. Deshalb gibt es in seiner Ausbildung einen Kurs zum Blumenstecken. Eine Floristin, die auch selbst Küsterin ist, vermittle Grundlagen, die die Teilnehmer dann praktisch umsetzen: "Viele Kolleginnen und Kollegen haben ein Händchen dafür und stellen tolle Gestecke her. Diejenigen, die sagen, 'Also Blumenschmuck ist für mich überhaupt nichts', können in der Praxis mit einem Floristen zusammenarbeiten." Die Pflege der Pflanzen im Kirchenraum obliege allerdings allen Küstern.
Für den Blumenschmuck in der Kirche gibt es keine strengen Regeln. In der "Allgemeinen Einführung in das Römische Messbuch" steht, dass "die Ausstattung der Kirche edel und einfach sein und nicht der Prachtentfaltung dienen soll. In der Auswahl des Materials sei man auf Echtheit bedacht." Das schließt künstliche Blumen aus. "Ich will nicht päpstlicher sein als der Papst", sagt Hövel. Es gebe Stellen in sakralen Räumen, an die man Kunstblumen hinstellen könnte. "Aber in die Nähe des Altares oder Tabernakels, in den Chorraum oder an die Seitenaltäre gehören künstliche Blumen nicht hin."
Was also wählt man für die Gestaltung aus? Da hat der einzelne Sakristan viel Freiraum. Hövel arbeitet im Generalvikariat, in Nachbarschaft des Aachener Domes. Die Pfalzkapelle Karls des Großen ist mit Mosaiken bedeckt, in denen sich hunderte weiße Lilien finden. Die Lilie sei ein wichtiges Zeichen für die Stadt Aachen und das Domkapitel. "Aber bei mir in der Kirche werden Sie keine Lilien finden", sagt Hövel. Denn die Blüte habe einen starken Duft, "der wird teilweise unerträglich. Und wenn Sie versehentlich an die Blüte stoßen, kriegen Sie den Staub kaum wieder aus Ihrer Kleidung raus." Wenn die Lilie nun nicht die Lieblingsblume des Pfarrers sei, könne ein Küster da schon seine persönlichen Vorlieben einbringen.
Gestaltung passend zur Architektur
Eine große Rolle spielt die Architektur des Raumes. Romanische Basiliken oder gotische Kathedralen folgen meist einer strikten Symmetrie. Die sollte sich dann auch in entsprechenden Blumengestecken wiederfinden, die die Formen des Raumes ergänzen und nicht davon ablenken. Gerade die hohen Säulen gotischer Kirchen korrespondieren gut mit ebenso aufstrebenden Arrangements. Der Florist Bernd Steiner wählte zum Beispiel Zweige und langstielige Blumen für die Ostergestaltung des Kölner Domes im Jahr 2018. Seine Gestecke erreichten eine Höhe von bis zu zehn Metern.
Der Brauch, Tannenbäume zur Weihnachtszeit in den Kirchenraum aufzustellen, kam erst Anfang des 20. Jahrhunderts auf. Heute fehlen sie in kaum einer Kirche. Auch ihre Gestaltung kann man an den Raum anpassen. Barocke oder klassizistische Kirchen sind häufig prächtig und mit viel Blattgold verziert. Da passen zu Weihnachten Tannenbäume mit Strohsternen und Lametta. Was woanders schnell altmodisch wirkt, kann sich hier in die Ausstattung einfügen.
Gerade in Kirchenräumen aus dem letzten Jahrhundert ist weniger oft mehr. Ein Beispiel dafür ist die Kirche Stella Maris auf Norderney, die in den 1930er Jahren von Dominikus Böhm im Bauhausstil erbaut wurde. Die Kirche komme eigentlich ohne Blumenschmuck aus, sagt Pater Nikolaus aus der Cella Sankt Benedikt in Hannover, "weil die Architektur für sich spricht". Der Kunsthistoriker Peter Steiner habe einmal geschrieben, dass die modernen "Architekten bewusst Leerräume geschaffen haben, die die Menschen einfach nicht aushalten". Deshalb hätten viele Gemeinden den "reinen Raum, die reine Architektur" gefüllt und verstellt. Mit Bildern, aber vor allem mit Pflanzen.
Ein Garten in der Kirche
Dabei "darf der Blumenschmuck keine reine Dekoration sein, er muss etwas aussagen", betont Pater Nikolaus, der zusammen mit dem Floristen Bernd Steiner und den Theologen Nicole Stockhoff und Marc Weibels das Buch "Das Auge betet mit" geschrieben hat. Als er vor einigen Jahren die Ostergestaltung für die Abteikirche in Meschede herstellte, verwendete er weiße Calla-Blüten. Die gelten traditionell eigentlich als Totenblumen. Davon ließ sich der Benediktinerpater jedoch nicht beirren und hängte die Blüten an Nylonfäden als Mobile in die Zweige eines abgestorbenen Astes. "Wenn sich die Blüten nun in einem Luftzug bewegt haben, hat das für mich Ostern deutlich gemacht. Denn an Ostern geschieht da wo vorher Tod war neues Leben." Der Ostergarten, in dem Maria Magdalena dem auferstandenen Christus begegnet, werde "in dieser Gestaltung sinnhaft deutlich".
Im Advent sollte nur ein Adventskranz oder eine Adventswurzel in der Kirche stehen, in der vorösterlichen Fastenzeit sollte vollständig auf Blumen verzichtet werden. In den sogenannten geprägten Zeiten vor Weihnachten und vor Ostern gibt es keinen Blumenschmuck "Damit das, was an Ostern in der Kirche steht nur umso mehr glänzen kann", sagt Pater Nikolaus.
Das wichtigste Fest der Christenheit verdient besonderen Schmuck. In Rom wird zu Ostern gleich der ganze Petersplatz in einen Garten verwandelt. Niederländische Floristen schmücken ihn jedes Jahr mit über 30 Tonnen Pflanzenmaterial. Doch auch in der Gemeindekirche dürfen an diesem Tag wieder aufwendige Gestecke stehen. Dabei werden bevorzugt gelb oder weiß blühende Blumen, wie Rosen oder Osterglocken verwendet. Denn sie sind zum einen die Farben der katholischen Kirche, symbolisieren aber vor allem Reinheit, Licht und Auferstehung.
Blüten wie Flammenzungen
Für den Blumenschmuck an Pfingsten benutzt Küster Hövel gern die rote Anthurie, weil die großen Blüten an Feuerzungen erinnern. Außerdem ist die Anthurie eine Blume, die nicht so schnell verwelkt. Da könne man, "durchaus ökonomisch denken und Blumen wählen, die über diesen Zeitraum hinaus halten."
Denn frische Blumen sind ein Kostenfaktor. Man müsse schauen, was im Verlauf des Kirchenjahres nötig und was möglich sei: "Dass wir zu Ostern, wenn die Blumen gerade erst zu blühen anfangen, etwas tiefer in die Schatulle greifen müssen, ist klar. Das ist im Sommer anders, wenn ein reichhaltiges Angebot an Blumen da ist und auch die Märkte voll sind." Damit sich Gemeinden nicht in Unkosten stürzen müssen, richten viele Opferstände in ihren Kirchen ein, an denen die Gottesdienstbesucher für die Blumen in der Kirche spenden können.
Es komme auch vor, dass Gläubige an einer Marienfigur oder vor dem heiligen Antonius Pflanzen abstellen würden, so Hövel. Doch nicht jeder, der ein Blümchen in die Kirche bringe, achte auf dessen Zustand oder darauf, ob es in diesen Kontext passt. "Ein Denkmalpfleger sagte mir einmal: 'Manche Seitenaltäre sehen bunter aus als italienische Gemüsemärkte.' Da muss ein Küster dann aufpassen, dass es nicht Kraut und Rüben wird."