"Ein immerwährender Spiegel"
Gänswein, der Präfekt des Päpstlichen Hauses und Privatsekretär des emeritierten Papstes, übermittelte die Grüße von Benedikt XVI. In seinen Ausführungen zu den großen gesellschaftspolitischen Themen von Benedikt XVI. betonte er, dass für den Theologen Joseph Ratzinger und Papst die Wahrheit vor der Ethik komme. Dies müsse auch die Grundlage des politischen Handelns sein. Er erinnerte zugleich daran, dass die katholische Soziallehre kein unmittelbar anzuwendendes Programm sei.
Die Kirche übe einen Dienst der Vermittlung aus. Dabei hob er die besondere Verantwortung der christlichen Laien in der Politik hervor. Die Kirche selbst mache Politik möglich, übe sie aber nicht aus. Deshalb gebe sie auch keine politischen Direktiven, sondern orientiere durch Prinzipien. Das Lehramt selbst könne keine technischen Lösungen anbieten.
Bedeutung von Glaube und Vernunft
Zugleich betonte Gänswein die Bedeutung von Glaube und Vernunft im Denken von Benedikt XVI. Die kirchliche Lehre bewahre die Vernunft vor Verengung und Ideologie. Andererseits bewahre die kritische Vernunft den Glauben vor Fundamentalismus.
Der Unionsfraktionsvorsitzende Volker Kauder (CDU) würdigte in seinem Grußwort die "grundlegende Rede" des Papstes. Er erinnerte an die Mahnung von Benedikt XVI., dass ein positivistisches Denken als Grundlage des Rechts nicht ausreiche. Kauder warnte davor, Religion in das Private abzuschieben. Eine totale Säkularisierung sei keine Lösung. Zu glauben oder nicht zu glauben sei für den Menschen existenzieller als alle anderen Grundrechte.
Diskussion über die Grundlagen des Rechts
Benedikt XVI. hatte am 22. September 2011 zum Auftakt seines Deutschland-Besuchs vor dem Bundestag über die Grundlagen des Rechtsstaats gesprochen. In seiner viel beachteten Ansprache betonte er, dass das Recht in der Demokratie nicht allein auf Mehrheitsbeschlüsse gegründet werden dürfe, wenn die Menschenwürde zur Debatte stehe. Dabei hatte er zu einer öffentlichen Diskussion über die Grundlagen des Rechts eingeladen.
Singhammer betonte, dass die "religiös-weltanschauliche Neutralität" des Staates keine "Wertneutralität der staatlichen Ordnung" bedeute. Dabei verwies er auf die Bedeutung des christlichen Menschenbildes für die Gesetzgebung. "Wer christliches Leben aus der Öffentlichkeit verbannen und in die Sakristei zurückdrängen will, der legt die Axt an seine eigene Wurzeln", so Singhammer. (KNA)