Fall Orlandi: Knochen auf Vatikan-Gelände wohl älter als gedacht
Die auf einem Vatikan-Gelände in Rom gefundenen Knochen stammen wahrscheinlich nicht von den beiden 1983 spurlos verschwundenen Mädchen Emanuela Orlandi und Mirella Gregori. Sie seien vermutlich sehr viel älter, eventuell bis zu 100 Jahre, berichten italienische Medien (Donnerstag) unter Berufung auf Kreise der Staatsanwaltschaft und beteiligte Forensiker. Genauere Ergebnisse sind demnach für Anfang Dezember zu erwarten.
Den Berichten zufolge werden die Ende Oktober gefundenen Überreste derzeit an zwei Instituten untersucht, unter anderem in einem Speziallabor in Caserta bei Neapel. Dort wird versucht, noch DNA-Material zu gewinnen, um es mit DNA-Proben aus den Familien der beiden Mädchen zu vergleichen.
Wie italienische Medien am Freitag berichteten, sollen die Knochen von einem Mann und aus einer Zeit vor 1964 stammen. Per Radio-Karbon-Methode soll das exakte Alter der Fundstücke noch bestimmt werden.
Die Knochen, Teile eines oder mehrerer menschlicher Skelette, waren am 29. Oktober bei Renovierungsarbeiten auf dem Gelände der vatikanischen Nuntiatur in Rom gefunden worden. Arbeiter stießen darauf, als sie den Kellerfußboden eines Nebengebäudes aufrissen. Der Vatikan hatte sofort die italienische Staatsanwaltschaft eingeschaltet. Diese nahm Ermittlungen auf und leitete wegen möglichen Mordes ein Verfahren gegen unbekannt ein.
Spekulationen der Medien
Unmittelbar danach spekulierten Medien, die Überreste könnten zu den verschwundenen Mädchen gehören. Insbesondere der Fall der damals 15-jährigen vatikanischen Staatsbürgerin Emanuela Orlandi gehört zu den aufsehenerregendsten Kriminalfällen der jüngeren italienischen Geschichte. Der Vatikan hatte die Spekulationen zurückgewiesen.
Orlandi war am 22. Juni 1983 verschwunden. Seither gibt es keine Spur mehr von ihr. Um den Fall ranken sich viele Gerüchte und Vermutungen. So wurde unter anderem vermutet, dass durch die Entführung Orlandis der Papstattentäter Ali Agca freigepresst werden sollte. 2012 hieß es, die Gebeine befänden sich im Grab eines Mafiabosses; die Vermutungen erwiesen sich als falsch. Zuletzt sollten neue Dokumente beweisen, dass der Vatikan selber Orlandi entführt habe. Einer gängigen Vermutung zufolge wurde das Mädchen nach kurzer Geiselhaft ermordet und der Leichnam auf einer Baustelle südlich von Rom einbetoniert.
40 Tage vor Orlandi war die ebenfalls 15-jährige Römerin Mirella Gregori verschwunden. Nach Agcas Autobiografie sind beide Fälle sowie das kurzzeitige Verschwinden des sowjetischen Journalisten Oleg Bitow von der Filmbiennale in Venedig am 9. September 1983 miteinander verwoben. (tmg/KNA)
23.11., 12:40 Uhr: Ergänzt um Absatz 3.