Laut neuem Gesetz haben Embryonen keine unabhängigen Rechte

"Grundrecht auf Abtreibung" in Illinois – scharfe Kritik von Kirche

Veröffentlicht am 04.06.2019 um 12:47 Uhr – Lesedauer: 

Chicago/Springfield ‐ Der US-Bundesstaat Illinois verabschiedete ein Gesetz, das schwangeren Frauen ein Grundrecht auf Abtreibung zuspricht. Die Kirche protestiert dagegen scharf. Der Erzbischof von Chicago, Kardinal Cupich, spricht von einem "traurigen Moment".

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Der Erzbischof von Chicago, Kardinal Blase Cupich, hat die Entscheidung des US-Bundesstaats Illinois für ein liberaleres Abtreibungsrecht scharf kritisiert. Die Verabschiedung des Gesetzes markiere "einen traurigen Moment in unserer Geschichte als Staat", schrieb Cupich in einer Erklärung, die das Erzbistum bereits am Wochenende veröffentlicht hatte. Die Kirche werde sich in Illinois weiterhin konsequent für die Menschenwürde einsetzen, "selbst wenn gewählte Amtsträger ungeborene Personen mit besonderer Missachtung strafen", heißt es weiter.

Das Repräsentantenhaus und der Senat von Illinois hatten vergangene Woche den "Reproductive Health Act" verabschiedet und damit für ein liberaleres Abtreibungsrecht gestimmt. Das Gesetz geht noch über das Grundsatzurteil des Obersten Verfassungsgerichts von 1973 hinaus, das Abtreibungen grundsätzlich legalisierte. Das Gesetz schütze die "Grundrechte des Einzelnen, autonome Entscheidungen über die eigene reproduktive Gesundheit zu treffen". Weiter heißt es, schwangere Frauen hätten das "Grundrecht" auf Abtreibung, während ein befruchtetes Ei, ein Embryo oder ein Fötus "keine unabhängigen Rechte" hätten. Illinois schloss sich damit dem "Reproductive Health Act" des Bundesstaates New York an. Dieser hatte im Januar ein weitreichendes Gesetz verabschiedet, das Abtreibungen unter bestimmten Umständen bis zum neunten Schwangerschaftsmonat ermöglicht. Die New Yorker Entscheidung stieß damals auf erbitterten Widerstand der katholischen Bischofskonferenz.

"Kollektives moralisches Versagen"

Nachdem die Vorlage am vergangenen Mittwoch die erste Hürde passiert hatte, sprach die katholische US-Bischofskonferenz von einem "kollektiven moralischen Versagen". Die Bischöfe von Illinois bezeichneten das Gesetzesvorhaben als "extreme Maßnahme". Sie ermögliche die Abtreibung ungeborenen Lebens praktisch in jeder Phase der Schwangerschaft und aus jedem Grund. Noch zwei Tage vor der Abstimmung hatte Kardinal Cupich die Abgeordneten aufgefordert, nicht für den Entwurf zu stimmen.

In seiner Erklärung vom Wochenende stellte Cupich klar, dass das Erzbistum Chicago entschlossen sei, Frauen über Alternativen zur Abtreibung zu informieren. "Wir werden weiterhin während ihrer Schwangerschaft und während ihrer Reise als Eltern Hilfe leisten." Frauen hätten eine echte Wahl, wenn sie die Unterstützung erhielten, die sie brauchten. "Wir werden diese Unterstützung allen geben, die sie möchten, in der Hoffnung, dass wir dadurch Wahl stärkere Familien und ein besseres Illinois aufbauen können." Es bleibe die Hoffnung, dass sich Illinois "irgendwann als sicherer Ort" herausstellen werde, "der nicht nur diejenigen begrüßt, die ein neues Leben oder eine zweite Chance suchen, sondern auch die Verwundbarsten unter uns, die eine Chance auf Leben verdienen".

Der Gesetzesvorstoß in Illinois steht Initiativen in mehreren US-Bundesstaaten entgegen, in denen in den vergangenen Monaten striktere Abtreibungsverbote in Kraft gesetzt wurden oder noch rechtskräftig werden sollen. Am vergangenen Mittwoch stimmten auch die Abgeordneten in Louisiana für das sogenannte "Herzschlag"-Gesetz. Künftig sollen Abtreibungen dort – wie zuletzt in Alabama, Indiana, Ohio, Mississippi, Kentucky, Missouri und Georgia beschlossen – ab dem Zeitpunkt strafbar sein, ab dem Herztöne des Fötus zu hören sind. Dies ist in der Regel ab der fünften oder sechsten Schwangerschaftswoche möglich. (mal/KNA)