Hallo Weltraum, hier Papst
Papst Franziskus telefoniert gern, immer wieder machen seine Überraschungsanrufe Schlagzeilen. Dieser Anruf wird aber keine Überraschung sein: Mehr als zwei Wochen im Voraus hat der Vatikan am Montag ein Gespräch mit den Astronauten auf der Internationalen Weltraumstation ISS angekündigt. Am 26. Oktober um 17 Uhr (Ortszeit Vatikan) ist es soweit: Aus dem Nebenraum der vatikanischen Audienzhalle wird der Papst mit den sechs Astronauten – drei US-Amerikaner, zwei Russen und ein Italiener – sprechen.
Auch wenn Franziskus sich das erste Mal auf der ISS meldet – bereits einmal hat ein Pontifex eine ISS-Besatzung kontaktiert. 2011 fand eine Live-Video-Konferenz der damals zwölf Astronauten mit Papst Benedikt XVI. statt. Dieser zeigte sich sehr interessiert an der einmaligen Perspektive, die die Wissenschaftler von der in 400 Kilometer über dem Meeresspiegel im Orbit kreisenden Weltraumstation auf die Erde haben. Benedikt XVI. stellte der Besatzung einige Fragen, etwa wie Wissenschaft und Raumfahrt zum Frieden und zur Bewahrung der Schöpfung beitragen können. Die Astronauten betonten, dass die gemeinsame Forschung verschiedener Nationen zum Frieden beitrage. Entwicklungen etwa auf dem Gebiet erneuerbarer Energien hätten das Potential, Konflikte um Ressourcen, die auf der Erde oft zu Kriegen führen, zu vermeiden.
Im All über die Schöpfung staunen
Auch die Frage nach der spirituellen Perspektive stellte der Papst. Dem italienischen Astronauten Roberto Vittori hatte er eine Medaille mitgegeben, die Michelangelos "Erschaffung des Menschen" aus der Sixtinischen Kapelle zeigt. Ihn fragte Benedikt XVI. danach, ob er im All auch über die Schöpfung nachdenke: "Halten Sie inmitten Ihrer intensiven Arbeit und Forschung jemals ein, um darüber nachzudenken – vielleicht auch, um ein Gebet zum Schöpfer zu sprechen? Oder wird es für Sie einfacher sein, nach Ihrer Rückkehr zur Erde über diese Dinge nachzudenken?" – "Wenn wir einen Blick hinunterwerfen können, dann nimmt eine Schönheit, der dreidimensionale Effekt der Schönheit des Planeten, unser Herz gefangen, mein Herz gefangen", antwortete Vittori: "Und ich bete: Ich bete für mich, für unsere Familien, für unsere Zukunft."
Das Interesse der Kirche an der Weltraumforschung ist aber noch weit älter als die bemannte Raumfahrt. Viele berühmte Astronomen waren Priester und Ordensleute, einige wurden von der astronomischen Gemeinschaft gewürdigt, indem Mondkrater und Himmelskörper nach ihnen benannt wurden. Seit dem 16. Jahrhundert unterhält der Vatikan eine eigene Sternwarte. Papst Gregor XIII. gründete die Institution, um seine Kalenderreform auf eine sichere wissenschaftliche Grundlage zu stellen, und bald lieferte die Sternwarte gewichtige Beiträge zur wissenschaftlichen Forschung. Vor allem im Bereich der Astrophysik, aber auch im interdisziplinären Dialog zwischen Naturwissenschaft, Philosophie und Theologie bringt sich die bis heute von den Jesuiten betriebene Forschungseinrichtung ein.
Weltraumpolitik des Heiligen Stuhls
Auch in der vatikanischen Diplomatie spielt der Weltraum eine Rolle: Genau vor 50 Jahren, am 10. Oktober 1967, trat der UN-Weltraumvertrag in Kraft. Der Heilige Stuhl gehörte zu den ersten Unterzeichnern dieses internationalen Abkommens, in dem sich die Weltgemeinschaft – zehn Jahre nach dem ersten Satelliten, zwei Jahre vor der ersten bemannten Mondlandung – unter anderem auf eine allein friedliche Nutzung des Weltraums verständigte. Der Vatikan selbst plant zwar kein eigenes Weltraumprogramm. Mit seiner Unterzeichnung unterstreicht die Kirche aber ihr friedenspolitisches Engagement und ihre Soziallehre: Das Abkommen schließt nicht nur Atomwaffen im Weltraum aus, auch die Nutzung außerirdischer Ressourcen soll allein dem Gemeinwohl dienen. Mit der Unterschrift können die Diplomaten des Heiligen Stuhls außerdem auf die Arbeit des Weltraumausschusses der UN Einfluss nehmen und so sicherstellen, dass der Weltraum auch weiterhin allein friedlich genutzt wird.
So meldete sich 2015 Erzbischof Bernardito Auza, Ständiger Beobachter des Heiligen Stuhles bei den Vereinten Nationen, in der UN-Generalversammlung zu Wort. Auf der Tagesordnung: "Kooperation bei friedlichen Nutzungen des Weltraums". Mit einem Verweis auf die Umwelt-Enzyklika "Laudato Si" wandte sich der Vatikandiplomat an die Weltgemeinschaft: "Der Raum jenseits der Erde, von der der heilige Franziskus so dankbar singt, ist unser gemeinsames Haus, unser gemeinsames Gut, ein Geschenk für die ganze Menschheit. Es ist daher von höchster Wichtigkeit, dass die Erschließung des Weltraums und seine friedliche Erforschung zum allgemeinen Nutzen erfolgt."
Der Weltraum-Papst
Die Unterzeichnung des UN-Vertrags fiel in die Amtszeit von Papst Paul VI. – er dürfte der bisher weltraumbegeistertste Papst gewesen sein. Auf seine Einladung sprach 1969 Frank Borman, der Kommandant der Apollo-8-Mission, im Vatikan über das amerikanische Raumfahrtprogramm.
Wenige Monate später sollten die ersten Menschen auf dem Mond landen. Am 20. Juli 1969 erreichten die Apollo-11-Astronauten den Erdtrabanten. Die ganze Welt nahm daran Anteil – auch der Vatikan. Der US-amerikanische Kurienkardinal John Joseph Wright, damals Präfekt der Kleruskongregation, verbrachte die ganze Nacht mit einigen Gästen vor dem Fernseher und feierte am Tag darauf – seine Behörde blieb ausnahmsweise geschlossen – eine Messe für die Astronauten.
Der Papst selbst verfolgte von der päpstlichen Sternwarte nahe Castel Gandolfo aus die Mondlandung und schickte den Astronauten kurz nach ihrer Landung über Funk eine Botschaft: "Ehre, Gruß und Segen Euch, die ihr den Mond erobert habt, das bleiche Licht unserer Nächte und unserer Träume. Bringt dem Mond mit unserer lebhaften Teilnahme die Stimme des Geistes, den Hymnus für Gott, unseren Schöpfer und Vater."
Franziskus zeigte bisher wenig Weltraum-Interesse
Das Pontifikat Pauls VI. überdauerte das Apollo-Programm der NASA und damit die bemannten Mondmissionen. Der letzte Mensch auf dem Mond, der Apollo-17-Kommandant Eugene Cernan, wurde nach Abschluss des Apollo-Programms 1972 von Paul VI. empfangen. Als Geschenke brachte er Mondgestein und eine vatikanische Flagge mit, die Cernan mit auf den Mond genommen hatte.
Papst Franziskus zeigte bisher – möglicherweise mangels Gelegenheit – nicht so viel Begeisterung für den Weltraum wie sein Vorgänger. Franziskus' Beitrag zur galaktischen Theologie bestand bisher darin, eine Debatte darüber anzustoßen, ob man Außerirdische taufen könnte. (Seine Position: Wenn der Außerirdische darum bittet, warum nicht?) Mit der aktuellen ISS-Crew, die aus Ingenieuren und Naturwissenschaftlern besteht, wird er wahrscheinlich praktischere Themen besprechen; wie Benedikt XVI. ist auch für Franziskus die Bewahrung des Friedens und der Schöpfung ein wichtiges Thema. Am 26. Oktober wissen wir mehr.