Kongress zum Ende des Ersten Weltkriegs

Historiker: Vatikan sah Lenin zunächst als Chance

Veröffentlicht am 14.11.2018 um 11:41 Uhr – Lesedauer: 

Vatikanstadt ‐ Der Vatikan und Lenin - unvereinbar, sollte man denken. Doch ein italienischer Historiker hat nun mit ganz anderen Erkenntnissen überrascht: Der Heilige Stuhl sah den russischen Revolutionär zunächst als Chance.

  • Teilen:

Nach Einschätzung des italienischen Historikers und Priesters Roberto Regoli hat der Vatikan die Oktoberrevolution der kommunistischen Bolschewiki 1917 in Russland zunächst als Chance gesehen. Man habe die Revolution unter Führung von Wladimir Illjitsch Lenin "als eine goldene Gelegenheit" betrachtet, um in Russland, in dem der Katholizismus traditionell einen schweren Stand hatte, Religionsfreiheit zu erreichen. "Erst mit der Zeit erkennt Rom, dass das nur fromme Hoffnungen waren", sagte Regoli am Dienstag dem vatikanischen Informationsdienst "Vatican News". Regoli äußerte sich vor Beginn eines Kongresses des Päpstlichen Komitees für Geschichtswissenschaften und der Päpstlichen Universität Gregoriana zum Ende des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren.

Regoli, der Professor für Kirchengeschichte an der Gregoriana ist, nannte auch Beispiele, bei denen die vatikanische Diplomatie am Ende des Weltkriegs erfolgreicher agiert habe. In anderen Teilen der Welt sei es dem Heiligen Stuhl durchaus gelungen, "Chancen aufzutun und zu nutzen". Unter anderem nannte Regoli die Konkordatspolitik des Vatikan in den neuen Nationalstaaten in Mitteleuropa. Ziel der Verträge mit den Staaten sei es gewesen, "den Heiligen Stuhl im neuen geopolitischen Rahmen zu verankern, damit er bei den Beziehungen der neuen Regierungen untereinander nicht außen vor bleibt".

Dem Heiligen Stuhl habe sich am Ende des Weltkriegs insbesondere die Aufgabe gestellt, verstärkt mit Großbritannien und den USA in Kontakt zu treten. Dabei habe der Vatikan auf eine "Strategie des Eingreifens" gesetzt, um seine Anliegen vorzubringen. "Allerdings meistens nicht direkt, sondern er versteckt sich hinter den Bischöfen des jeweiligen Landes. Der Nuntius spielt dabei die entscheidende Rolle, der auf Anweisung aus Rom tätig wird", erläuterte Regoli. Darüber hinaus hätten die Beziehungen und Konkordate, um die sich der Vatikan nach dem Krieg bemüht habe, das Ziel gehabt, die Ernennung von Bischöfen in den jeweiligen Staaten vollständig in die eigene Hand zu bekommen. Dabei habe sich der Heilige Stuhl jedoch nicht immer vollständig durchsetzen können, betonte Regoli. (stz)