Exklusiv: Dogmatiker über sein Leben und sein Verhältnis zu Kardinal Ratzinger

Hünermann: Mein Brief wurde als Attacke auf das Papsttum gedeutet

Veröffentlicht am 08.03.2019 um 11:55 Uhr – Lesedauer: 
Hünermann: Mein Brief wurde als Attacke auf das Papsttum gedeutet
Bild: © KNA

Rottenburg ‐ Bereits als Student in den 1950er Jahren wandte Peter Hünermann sich gegen "rückwärtsgewandte Theologie". Seitdem fordert er Reformen in der Kirche, etwa die Diakoninnenweihe oder Synodalität. Der 90-jährige Dogmatiker blickt im katholisch.de-Interview zurück – auch auf ein altes Missverständnis mit Joseph Ratzinger.

  • Teilen:

An diesem 8. März wird der Tübinger Dogmatiker Peter Hünermann 90 Jahre alt. Er hat stets nach Reformen in der Kirche verlangt – aber nur sachbezogen, nicht utopisch. Der Priester wohnt seit 1982 in einem alten Pfarrhaus bei Rottenburg und hält sich mit Seilspringen und Joggen fit. Derzeit arbeitet er mit 100 Wissenschaftlern aus aller Welt daran, dass es bald einen interkontinentalen Theologischen Kommentar zum Zweiten Vatikanischen Konzil gibt. Mehrfach betont Hünermann im Interview mit katholisch.de, dass es auf dem Weg, den die Kirche gehe, einen langen Atem brauche. Und dass Reformen nur Schritt für Schritt und wohl überlegt greifen könnten. Zu seinem Geburtstag blickt Hünermann auf prägende Ereignisse in seinem Leben zurück.

Frage: Professor Hünermann, Sie sind Generationen von Theologiestudierenden ein Begriff, denn das Handbuch der Glaubensbekenntnisse und kirchlichen Lehrdokumente "Enchiridion Symbolorum" wird schlicht Denzinger-Hünermann genannt… Welche Rolle spielt dieses Werk in Ihrem Leben?

Hünermann: Da steckt ein Haufen Arbeit drin. Als ich in Münster Dogmatik lehrte, stellte ich fest, dass die Studierenden die Sammlung der Glaubensbekenntnisse und der Konzilsergebnisse nicht mehr kannten. Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil erstellten zwar die Teilnehmer und Berater einen Kommentar im Rahmen des "Lexikons für Theologie und Kirche", weil klar war, dass man sich den Ergebnissen des Konzils widmen muss. Aber ich dachte: Man kann doch nicht ohne die ganze Vorgeschichte der kirchlichen Lehrdokumente leben! Auch die Jesuiten, die bislang den "Denzinger" herausgaben, machten keine Anstalten, das Werk fortzusetzen.

„Wir hatten den Eindruck, dass man die völlig ungeschichtliche neuscholastische Theologie so nicht fortsetzen kann – da bestand ein Konsens unter Theologiestudenten und jungen Priestern.“

—  Zitat: Peter Hünermann zum Theologiestudium in Rom

Frage: Was taten Sie dann?

Hünermann: Gegen Ende meiner Münsteraner Zeit habe ich mir erste Überlegungen gemacht und als ich 1982 nach Tübingen berufen wurde, begann ich mit meinem Mitarbeitern mit Volldampf mit der Arbeit. Es war viel zu tun, da ich nicht wie bisher nur eine lateinische Ausgabe publiziert haben, sondern zusätzlich noch eine Übersetzung der Lehrtexte danebenstellen wollte. Mein Antrieb war dieser eine Satz: "Wenn du schon etwas machst, das so aufwendig ist, dann soll es auch nützlich sein." Die ursprünglichen Texte wurden durchgeforscht und berichtigt, es wurden historische Vorbemerkungen eingefügt und ein vernünftiges Sachregister. Inzwischen ist das Handbuch in mehrere europäische und asiatische Sprachen übersetzt und es zeigt sich, dass es den Leuten hilft, sich in unserer Geschichte des christlichen Glaubens zu orientieren. Das freut mich und ist sehr ermutigend.

Frage: Wenige Jahre nach Ihrer Priesterweihe begann das Zweite Vatikanische Konzil. Wie haben Sie das damals erlebt?

Hünermann: Ich wurde 1955 geweiht, nachdem ich einige Jahre in Rom studiert hatte. Als das Konzil angekündigt wurde, fragte mich der damalige Aachener Bischof Johannes Pohlschneider, ob ich mich habilitieren wollte und deshalb habe ich das Konzil sehr intensiv verfolgt. Ich wollte, dass ein neuer Zug in die Theologie reinkommt. Schon während des Studiums hatte ich 1952 mit anderen Studenten des Germanicums in Rom eine Gruppe gebildet, um das, was wir von den Professoren an rückwärtsgewandter Theologie vorgesetzt bekommen haben, in einer anderen Weise aufzuarbeiten. Mit Hans Küng, Wolfgang Seibel und dem späteren Ökumeniker Peter Lengsfeld versuchten wir in einen Arbeitskreis zur Gnadentheologie, diese geschichtlich aufzuarbeiten. Wir hatten den Eindruck, dass man die völlig ungeschichtliche neuscholastische Theologie so nicht fortsetzen kann – da bestand ein Konsens unter Theologiestudenten und jungen Priestern.

Der Priester und damalige Tübinger Dogmatikprofessor Peter Hünermann predigt im Jahr 2000.
Bild: ©KNA

Der Tübinger Dogmatiker Peter Hünermann spricht sich seit Jahrzehnten für den Diakonat der Frau aus. Am 4. November 2000 predigte er in Waldbreitbach, wo damals 14 Teilnehmerinnen in einer bundesweiten Ausbildung zur Diakonin verbindlich versprachen, sich in der katholischen Kirche zu engagieren.

Frage: Wenn man heute zurückschaut, dann ist die Kirche in der Krise. Wie viel oder wie wenig ist vom Konzil umgesetzt?

Hünermann: Das Zweite Vatikanum hat grundsätzlich eine entscheidende Wende gebracht – aber in Form einer Programmatik. Die großen Konzilsdokumente wie "Lumen gentium" und "Gaudium et spes" eröffnen eine neue Sicht, aber damit ist es nicht einfach realisiert, sondern es muss umgesetzt werden in eine Fülle von konkreten Situationen in der Kirche. Und man darf nicht vergessen, dass das Konzil wesentlich von Bischöfen und Theologen bestimmt worden ist, die hauptsächlich aus der mittel- und westeuropäischen Tradition kommen oder in Europa studiert hatten. Die Kirche in Asien und Afrika hat die neuscholastische Theologie vorgesetzt bekommen und damals noch keine eigenständige Gedankenwelt entwickelt – das alles setzte erst mit dem Konzil ein.

Auch mehr als 50 Jahre später stehen wir immer noch vor der großen Herausforderung, diese Dinge aufzuarbeiten und umzusetzen. Es dauerte zum Beispiel fast 20 Jahre, bis der neue Kirchenrechts-Kodex erarbeitet war. Bei der Stellung der Frau in der Kirche ist es ähnlich: Ich war bereits Mitte der 1970er Jahren in einer entsprechenden Kommission und es gibt auch einzelne Verbesserungen – aber schnell geht das nicht. Die Kirche ist eben ein Riesen-Tanker mit all ihren unterschiedlichen kulturellen Kontexten und Facetten.

Frage: Und dieser Tanker reagiert viel zu langsam auf aktuelle Einflüsse, wie etwa den Skandal des sexuellen Missbrauchs durch Geistliche?

Hünermann: Es hat sich bereits unwahrscheinlich viel geändert, das muss man sehen. Aber dieser Prozess ist nicht abgeschlossen – es fehlt auch noch sehr viel. Ein Beispiel: Schon Papst Paul VI. hat nach dem Konzil dessen juristische Aufarbeitung eingeleitet und dabei auch vorgeschlagen, eine "lex fundamentalis" zu formulieren, also ein Grundgesetz. Er schlug bereits damals auch eine Verwaltungsgerichtsbarkeit vor. Heute mit all den Missbrauchsfällen wären wir froh, wenn es eine solche unabhängige Verwaltungsgerichtsbarkeit gäbe! Dann könnte man Kleriker maßregeln, die ihren Amtspflichten nicht entsprechen. Dieser päpstliche Vorschlag wurde aber damals von Theologen und Kanonisten abgelehnt und konnte sich nicht durchsetzen. Daran merkt man, wie schwierig solche Prozesse sind – das meine ich damit, dass die Kirche ein großer Tanker ist.

„"Herr Kardinal, glauben Sie eigentlich selbst, was Sie da sagen?"“

—  Zitat: Peter Hünermann zu Kardinal Joseph Ratzinger

Frage: Sie haben sich immer schon für Reformen eingesetzt, etwa auch in der "Kölner Erklärung" von 1989. Warum?

Hünermann: Der Hintergrund war, dass nach der Enzyklika "Humanae vitae" von Rom her sehr stark auf das totale Verbot von Verhütungsmitteln gedrängt wurde, besonders unter Papst Johannes Paul II. In Deutschland, wo wir führende und sehr verantwortlich arbeitende Moraltheologen hatten, führte das dazu, dass diese stark unter Druck gerieten. An den Fakultäten konnten faktisch zehn Jahre lang die Lehrstühle nicht nachbesetzt wurden, weil Moraltheologen vor der Einstellung Bekenntnisse zu dieser Enzyklika abverlangt wurden. Deswegen haben Moraltheologen die "Kölner Erklärung" verfasst. Ich schlug zwar noch Veränderungen vor, aber die konnten zeitlich vor der Publizierung nicht mehr eingearbeitet werden, also habe ich den Text so unterschrieben, wie er war. Um der Öffentlichkeit verständlich zu machen, was die Hintergründe der Erklärung waren und was die Konsequenzen wären, die wir befürchteten, habe ich einen offenen Brief an den Vorsitzenden der Bischofskonferenz, Bischof Karl Lehmann, geschrieben – er hatte die "Kölner Erklärung" nämlich diplomatisch verteidigt. Dieser offene Brief hat große Wellen geschlagen bis hin nach Rom, wo er offensichtlich Kardinal Joseph Ratzinger tief getroffen hat, der darin eine Art Attacke auf das Papsttum sah.

Frage: Wie ging es dann mit Kardinal Ratzinger weiter?

Hünermann: Im Zusammenhang mit der Kölner Erklärung wurde kurz danach die Europäische Gesellschaft für Katholische Theologie gegründet. Ich wurde gebeten, die Satzung auszuarbeiten und wurde dann zum Präsidenten gewählt. Zu der Zeit sagte mir Karl Lehmann, dass ich unbedingt nach Rom fahren müsse, um Kardinal Ratzinger darüber zu informieren und um es ihm zu erläutern. Ratzinger hat mir einen Termin auf Aschermittwoch gegeben und als er in den Raum in der Glaubenskongregation kam, sagte er: "So, Herr Hünermann, jetzt sind Sie Präsident der Sozialistischen Internationale". Ich habe gestutzt und gesagt, dass ich zum Präsident der Gesellschaft gewählt wurde und ihm die Satzungen zugeschickt habe. "Das ist doch dasselbe", sagte er und fing einen Monolog über die Zustände in der Moraltheologie an – es war schrecklich. Er hat einzelne Theologen namentlich genannt und sie in einer Weise über sie ausgelassen, dass ich platt war. Ich unterbrach ihn schließlich und fragte: "Herr Kardinal, glauben Sie eigentlich selbst, was Sie da sagen?" Es war furchtbar und seitdem war ich bei ihm in dieser Schublade gelandet. Das hat sich hinterher auch immer wieder gezeigt – naja, so ist das…

Peter Hünermann und Bernd Jochen Hilberath überreichen Papst Benedikt ihr Buch
Bild: ©KNA

Papst Benedikt XVI., Manuel Herder und die beiden Professoren Peter Hünermann sowie Bernd Jochen Hilberath überreichen dem Papst am 22. Februar 2006 den Theologischen Kommentar zum Zweiten Vatikanischen Konzil.

Frage: Ja, vor einem Jahr äußerte sich der emeritierte Papst Benedikt XVI. in einem Brief überrascht über Ihre Beteiligung an einer Buchreihe und warf Ihnen "antipäpstliche" Kampagnen vor

Hünermann: Da habe ich bemerkt, dass das immer noch ganz tief in ihm sitzt. Und ich weiß nicht, was ich… Gut, ich habe, wenn es mir um wirklich wichtige Dinge ging, nie ein Blatt vor den Mund genommen. Ich meine, das ist man als Theologe der Theologie schuldig, dass man Mängel und Missbildungen aufdeckt.

Frage: Planen Sie, Benedikt XVI. einen Brief zu schreiben und die Missverständnisse von damals aufzuklären?

Hünermann: Ich habe nicht den Eindruck, dass ich das mit einem Brief erledigen kann. Ich wurde von italienischen und anderen Theologen gebeten, an der mehrbändigen Publikation zur Theologie von Papst Franziskus mitzuwirken. Das ist also in einem großen zeitlichen und inhaltlichen Abstand zu den damaligen Dingen rund um die Europäische Theologengesellschaft. Wenn der emeritierte Papst diese neue Buchreihe aufgrund meiner Mitbeteiligung nicht lesen kann oder will und das Ganze für ihn immer noch eine unerledigte Sache ist – habe ich gedacht: "Jetzt schweigst du besser."

Frage: Sie haben Papst Franziskus im Jahr 2016 empfohlen, die Möglichkeit der Zulassung von Frauen zum Diakonenamt aus historischer Sicht untersuchen zu lassen. Wissen Sie etwas über die Ergebnisse der inzwischen erfolgten Prüfung?

Hünermann: Die Stellungnahme der Studienkommission ist bislang nicht veröffentlicht. Aufgrund der Aussagen von Kommissionsmitgliedern habe ich den Eindruck, dass das Ergebnis lautet, die Frage könne man nicht entscheiden. Dass der Papst das Ergebnis aber schon monatelang zurückhält, ist für mich ein Zeichen, dass er dieser Stellungnahme nicht so ohne weiteres zustimmt. In den Ostkirchen war der Diakonat der Frau jahrhundertelang eine selbstverständliche Sache. Vor kurzem haben die Ostkirchen das Frauendiakonat wieder aufgegriffen. Deshalb verstehe ich nicht, wie man vernünftigerweise behaupten kann, dass eine Beteiligung von Frauen am Weiheamt unmöglich sei. Der Diakonat ist eine wesentliche Leitungsaufgabe, die zur Sendung der Kirche dazugehört. Papst Benedikt XVI. hat in seiner Antrittsenzyklika "Deus caritas est" ausdrücklich gesagt, dass dies eine gemeinsame Sendung der Kirche ist. Es braucht entsprechende Leute, die das in den Gemeinden vermitteln und immer wieder neu ins Gedächtnis rufen.

Und man muss die Unterschiede in der Weltkirche sehen: Im Amazonas etwa, wo vielleicht einmal im Jahr ein Priester vorbeikommt, und Ehepaare die Gemeinden leiten, stellt sich die Frage massiv: Warum wird diese Verantwortung nur dem Mann mit Handauflegung übertragen? Auch in Europa oder hier in Deutschland ist das ein Thema: Hier wird 80 bis 90 Prozent der gesamten caritativen Arbeit – also einem wesentlichen Teil der Sendung der Kirche – von Frauen geleistet.

Linktipp: Peter Hünermann: Dogmensammler und Konzils-Kommentator

Sein Name ist fast sprichwörtlich: Kaum ein Theologe, der nicht den "Denzinger-Hünermann", die Sammlung der katholischen Lehrentscheidungen, im Regal hat. Doch der Tübinger Dogmatiker ist weit mehr als nur trockener Dogmensammler. Am 8. März 2019 wurde er 90 Jahre alt.

Frage: Als Papst Franziskus vor einigen Jahren begann, über Synodalität in der Kirche zu sprechen, erinnerten Sie daran, dass das kein neues Thema sei…

Hünermann: Ich halte das Thema Synodalität für ausgesprochen dringend – und es hat eine lange Tradition: Es gab in Rom bis in das 18. Jahrhundert hinein durchaus ein ständiges Konsistorium, das den Papst beriet und wo die allgemeinen Entscheidungen über kirchliche Orientierungen gefällt wurden. Auch auf Bistumsebene gab es nicht nur den einzelnen Bischof, der entscheidet, sondern er war seit Jahrhunderten umgeben von einer Gruppe wie etwa den Domherren oder Domkapitularen. Das ist aber im Verlauf der Neuzeit sehr geschrumpft und das gibt es so nicht mehr. Ich denke aber, dass man heutzutage so einen großen Apparat wie eine Diözese nicht nur durch eine Person leiten kann. Wir haben in allen gesellschaftlichen Bereichen kollegiale Organe mit Spezifizierungen für die wichtigsten Aufgaben. Das ist in der Kirche nicht anders und war nie anders. So etwas neu einzuführen ist aber schwierig.

Frage: Wie ist da der aktuelle Stand und haben Sie die Hoffnung, dass die Kirche in den kommenden Jahren synodaler wird?

Hünermann: Im neuen Kirchenrechts-Kodex von 1983 gibt es das Prinzip, dass der Bischof entscheidet und die anderen ihn nur beraten. Solange man daran festhält und nicht eine andere Regelung trifft, kommt die Synodalität keinen Schritt voran. Rottenburg-Stuttgart ist die einzige Diözese in Deutschland, wo der Bischof nicht das alleinige Entscheidungsrecht über das Finanzaufkommen des Bistums hat: Da wird mit dem Diözesanrat, wo neben Priestern auch gewählte Laien sitzen, über das Budget entschieden. Der Erfolg davon ist, dass so ein Finanzskandal wie in Limburg oder anderen Diözesen nicht vorgekommen ist.

Wie man es macht, dass Synodalität klappt, ist aber eine schwierige Frage, die sehr von den jeweiligen Situationen der Bistümer und der Bischofskonferenzen vor Ort abhängig ist. In totalitären oder diktatorischen Regimen muss man andere Modalitäten mit einbauen, damit man da nicht vom Staat ein Gremium an Mitentscheidern vor die Nase gesetzt bekommt. Aber in Deutschland sollte auf Ebene der Diözesen und Bischofskonferenz überlegt werden, wie synodale Strukturen hier umgesetzt werden könnten. Der 2015 zu Ende gegangene mehrjährige Dialogprozess war zu wenig, das war keine Synode. Es geht darum, neue Machtbalancen zu schaffen – und das geht in der Kirche eben nicht wie in der Politik mit einem allgemeinen Wahlrecht. Bei der Ausarbeitung von Modellen für die Kirche gibt es keine schnellen Lösungen. Zwar kann man das synodale Prinzip aufstellen, aber dann muss auch ein langer Diskursprozess einsetzen, um das real werden zu lassen.

Frage: Wenn Sie sich den aktuellen Zustand der Kirche in Deutschland ansehen, die geprägt ist von Missbrauch, von Streit zwischen den Bischöfen und Austritten, wie geht es Ihnen da?

Hünermann: Wir haben aktuell ein Beispiel mit diesem Glaubensmanifest von Kardinal Gerhard Ludwig Müller und der Antwort von Kardinal Walter Kasper. Bischöfe müssen offen reden und diese Dinge ausdiskutieren, um dann vernünftig urteilen können. Ich bin dankbar, dass Walter Kasper offen aufgetreten ist und gesagt hat, dass "halbe Wahrheiten" wie in dem "Glaubensmanifest" keinen Schritt weiter führen. Das und auch andere Aussagen von deutschen Bischöfen finden ein großes internationales Echo. Etwa die sehr vernünftige Stellungnahme von Bischof Franz-Josef Overbeck zur Homosexualität. Das wurde in den USA und Frankreich gehört und das sind wichtige Äußerungen, über die ich froh bin. Ich hoffe darauf, dass in diese Linie, die ja nicht beliebig sondern fundiert und zukunftsweisend ist, langsam mehr Bewegung kommt.

Von Agathe Lukassek