Kardinal Augustin Bea: Der Großvater des Konzils
In einem Alter, in dem das Leben gewöhnlich auf die Zielgerade zusteuert, ging seines nochmal richtig los. Mit 79 Jahren wurde der deutsche Kardinal und Jesuit Augustin Bea von Papst Johannes XXIII. mit einer großen Aufgabe betraut: Er sollte auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil die entscheidenden Anstöße zu einer kirchlichen Neuausrichtung in der Ökumene geben. Am 16. November 1968, vor 50 Jahren, starb Augustin Bea in Rom.
Nicht eine neue, sondern eine erneuerte Kirche
Bea gilt bis heute als "konservativer Reformer", der das Erbe der Kirche immer im Blick hatte, aber im Geist Johannes' XXIII. ein "aggiornamento" des Glaubens und Lebens der Kirche wollte. Nicht eine neue, sondern eine erneuerte Kirche war sein Ziel. Dafür war er auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil eine der zentralen Figuren.
Geboren wurde er am 28. Mai 1881 im südbadischen Riedböhringen bei Donaueschingen. Es waren einfache Verhältnisse, aus denen der spätere Kardinal stammte: Sein Vater war Zimmermann und Landwirt im Nebenerwerb. Schon früh zeigte sich die besondere Begabung Beas, daher schickten seine Eltern ihr einziges Kind auf die Gymnasien in Konstanz und Rastatt. In der Schulzeit kam Bea, der aus einem rein katholischen Dorf stammte, erstmals mit Protestanten in Kontakt. Dies habe ihn im Hinblick auf seinen späteren Einsatz für die Ökumene nachhaltig geprägt, wie er 1967 in der Rückschau erzählte: "In unserer Klasse waren verschiedene christliche Religionen und Glaubensbekenntnisse vertreten. Und doch verstanden wir uns sehr gut und arbeiteten harmonisch zusammen. Damals habe ich angefangen zu begreifen, wie man bei aller Treue gegenüber dem eigenen Glauben den Angehörigen anderer Glaubensbekenntnisse nicht nur kühlen Respekt, sondern echte Wertschätzung entgegenbringen, ja sie aufrichtig lieben kann."
Nachdem er 1900 das Abitur mit Bestnoten abgelegt hatte, begann er mit dem Studium der katholischen Theologie an der Universität Freiburg. 1902 schloss er sich dem Jesuitenorden an, der damals im Zuge des Kulturkampfs in Deutschland verboten war. Sein Noviziat und sein weiteres Studium absolvierte er daher in den Niederlanden, ehe er 1912 zum Priester geweiht wurde.
Beichtvater Pius' XII.
Die Ordensoberen erkannten Beas Fähigkeiten rasch und übertrugen dem Pater wichtige Aufgaben. Nach der Wiederzulassung der Jesuiten in Deutschland wurde Augustin Bea 1921 erster Provinzial der oberdeutschen Jesuitenprovinz mit Sitz in München. In dieser Zeit lernte er den Apostolischen Nuntius Eugenio Pacelli kennen, für den er ein wichtiger Ratgeber in biblischen Fragen wurde. Als jener Pacelli 1939 als Pius XII. den Papstthron bestieg, wurde Bea, der 1924 einen Ruf an als Professor für biblische Theologie an die Päpstliche Universität Gregoriana in Rom erhielt und seit 1930 Leiter des Päpstlichen Bibelinstituts war, sein Beichtvater. Dem Bibelinstitut stand Bea bis 1949 vor. In dieser Zeit war er hauptverantwortlich für die neue lateinische Übersetzung der Psalmen, wofür er sich große Anerkennung erwarb.
Mit dem Amtsantritt Papst Johannes' XXIII. im Jahr 1958 nahm Beas Leben nochmals eine entscheidende Wendung: Der Roncalli-Papst, wie Augustin Bea ein Bauernsohn, ernannte den Jesuiten 1959 zum Kardinal und übertrug ihm 1960 den Vorsitz des "Sekretariats für die Förderung der Einheit der Christen", das im Hinblick auf das bevorstehende Zweite Vatikanische Konzil neu errichtet wurde. In dieser Funktion hatte Bea maßgeblichen Einfluss auf den Verlauf des Konzils: Er hatte durchgesetzt, dass das Einheitssekretariat gleichberechtigt mit dem übrigen Kommissionen Texte vorbereiten und zur Beratung an das Konzil übergeben durfte.
Beas Hauptanliegen auf dem Konzil waren das Verhältnis zu den protestantischen Kirchengemeinschaften und das Verhältnis zum jüdischen Volk, das auf eine neue theologische Grundlage gestellt werden sollte. So gehen unter anderem das Ökumenismus-Dekret "Unitatis redintegratio" sowie die Erklärung "Nostra aetate" über das Verhältnis der Kirche zum Judentum und den nichtchristlichen Religionen auf das Einheitssekretariat zurück.
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Vieles, was heute in der Kirche als selbstverständlich gilt, ist eine Folge der Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965). Katholisch.de blickt auf die wegweisende Versammlung und ihre wichtigsten Beschlüsse zurück.Früh erfasste Bea die Bedeutung der Ansprachen des Papstes, der ein pastorales Konzil wollte, das die Einheit der Christen fördern sollte. Bea machte so die pastorale und ökumenische Ausrichtung der Texte zum entscheidenden Kriterium, wofür er besonders das von ihm geleitete Einheitssekretariat als zuständig ansah. Neben seiner Rolle in der Konzilsaula und als Vorsitzender des Einheitssekretariats gelang es Bea, durch eine umfassende Vortragstätigkeit, geschickte Öffentlichkeitsarbeit und das Vertiefen zahlreicher Kontakte die ökumenische Neuausrichtung der Kirche voranzutreiben.
Gott hält treu seinen Bund
Grundlage für Beas Ökumenismus war die Theorie der unverlierbaren Kirchenmitgliedschaft aufgrund der Taufe und damit ein gestufter Kirchenbegriff. So musste daraus ein Wohlwollen und Wertschätzung gegenüber den getrennten Kirchen folgen. Bei der Neubestimmung des Verhältnisses der Kirche zum Judentum war für Bea entscheidend, dass bei der Verurteilung Jesu nur ein Teil des jüdischen Volkes zugegen war, der überdies aus Unwissenheit handelte. Die nachfolgenden Generationen hätten keine Schuld am Tod Jesu. Vielmehr müsse gelten, dass Gott gegenüber seinem Erwählungs- und Bundeshandeln treu ist.
Im Jahr 1962, drei Jahre nach seiner Ernennung zum Kardinal, empfing Augustin Bea durch Papst Johannes XXIII. schließlich die Bischofsweihe. Nach dem Ende des Zweiten Vatikanischen Konzils arbeitete er in verschiedenen vatikanischen Kongregationen mit. Die geistige Lebendigkeit, Wachsamkeit und Flexibilität bis ins hohe Alter gehören zu den verblüffendsten Aspekten im Leben Beas. Zu Lebzeiten hatte er verfügt, dass er seine letzte Ruhestätte nicht in Rom, sondern in seiner Heimat finden wollte – an der Seite seiner Eltern. Etwas spitzbübisch soll der Kardinal bemerkt haben, man werde dort mehr für ihn beten als in Rom.