Vor 50 Jahren starb der Prager Erzbischof im römischen Exil

Kardinal Beran: Heimatlosigkeit als Preis des Widerstands

Veröffentlicht am 17.05.2019 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Prag ‐ Von den Nazis verschleppt, von den Kommunisten interniert: Kardinal Josef Beran erfuhr am eigenen Leib, was Totalitarismus heißt. Weil ihn sein Heimatland auswies, starb er im Exil – doch die letzte Ruhe fand er erst knapp ein halbes Jahrhundert später.

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Die Amtszeit des Prager Kardinals Josef Beran (1888 bis 1969) war eine höchst politische; einer, der wohl auch heute, in schwierigen politischen Zeiten, in Tschechien etwas zu sagen hätte. Selbst die Rückkehr seiner sterblichen Überreste nach fast 50 Jahren aus seinem römischen Exil bewegte die hohe tschechische Politik.

Kardinal Beran, ein Widerständler gegen das kommunistische Regime der Tschechoslowakei, wurde im April 2018 aus Rom nach Prag überführt und gemäß seinem Letzten Willen im Veitsdom neu beigesetzt. Die Kommunisten hatten seine Rückkehr stets verhindert – zu Lebzeiten und selbst nach seinem Tod.

Da war es, freundlich gesagt, heikel, dass Staatspräsident Milos Zeman seine Teilnahme an dem Festgottesdienst für Beran absagte – und es stattdessen vorzog, als erstes Staatsoberhaupt des Landes seit der Wende von 1989 bei einem Parteitag der Kommunisten zu sprechen, die just damals mit der Tolerierung einer Minderheitsregierung an die Macht zurückstrebten. Ein schwerer Schlag für den amtierenden Prager Kardinal Dominik Duka, der zuvor viel für ein gutes Verhältnis zwischen Staat und Kirche getan hatte.

Blick vom Wasser auf eine Brücke, dahinter liegt ein bebauter Berg mit einer großen Kirche.
Bild: ©pipapicture/Fotolia.com

Blick auf die Prager Burg und den Veitsdom

Duka nannte die Überführung seines Vorgängers Beran in den Veitsdom eine mahnende Erinnerung daran, "was Freiheit und Demokratie bedeuten" – und äußerte sich offen enttäuscht über die Prioritäten des Staatspräsidenten. Doch Zeman konterte kühl. Sein Terminkalender gehe den Prager Kardinal nichts an; er selbst ziehe die Lebenden einem Toten vor.

Beran, im Dezember 1888 in Pilsen geboren und 1911 in Rom zum Priester geweiht, war während der Nazi-Herrschaft in NS-Konzentrationslager verschleppt und unter der kommunistischen Diktatur in verschiedenen Internierungslagern eingesperrt worden. 1946 zum Prager Erzbischof ernannt, war er nach der Machtergreifung der Kommunisten 1948 praktisch amtsbehindert. Bei der Verlesung von Berans Hirtenbrief gegen die Unterordnung der Kirche unter die Staatsmacht inszenierte die Staatssicherheit einen "Aufruhr der Bürger". Beran wurde verhaftet – "zu seinem eigenen Schutz", wie es boshaft hieß. Damit begann eine mehrjährige Internierung.

Selbst Beran wusste nicht, wo er sich befand

Von 1950 bis 1963 lebte Beran unter Arrest an wechselnden, geheim gehaltenen Orten. Auch er selbst wusste nie, wo er sich befand. Seine Fenster waren bis zur Undurchsichtigkeit bemalt. Er durfte nicht mal die kommunistische Presse lesen. Rund um die Uhr wurde der Kardinal abgehört, beobachtet und fotografiert. Auch nach seiner offiziellen Freilassung 1963 durfte er nicht nach Prag zurückkehren, stand stets unter Beobachtung der Staatssicherheit.

Erst 1965 gelang es dem Vatikan, Berans Ausreise nach Rom zu erwirken. Die Führung in Prag nutzte dies, um ihn des Landes zu verweisen; damit wurde eine Rückkehr unmöglich. Seine Hoffnung darauf erfüllte sich auch im "Prager Frühling" 1968 nicht. Am 17. Mai 1969, vor 50 Jahren, starb Beran in Rom.

Bild: ©KNA

Papst Paul VI. ließ Kardinal Beran im Petersdom bestatten.

Da die Kommunisten auch seinen Leichnam nicht in die Heimat ließen, erwies ihm Papst Paul VI. (1963 bis 1978) eine besondere Ehre: Beran wurde im Petersdom bestattet, was sonst den Päpsten vorbehalten ist. In seinem später aufgefundenen "Letzten Willen" hatte Beran gebeten, seine letzte Ruhe in der Heimat finden zu dürfen – entweder in seiner Geburtsstadt Pilsen oder in Prag.

Die "Heimkehr des vertriebenen Kardinals" gab 2018 auch einen neuen Ansatz für die Aussöhnung mit den nach dem Zweiten Weltkrieg vertriebenen deutschen Katholiken. Über lange Zeit hat sich dort eine Abneigung gegen Beran gehalten – der angeblich die Vertreibung der Deutschen aus ihrer böhmisch-mährisch-schlesischen Heimat unterstützt haben soll.

Bei einem Kolloquium mit Vertretern der Ackermann-Gemeinde wurde nun auf Grundlage neuester Forschungen sogar eine Nähe Berans zu den Vertriebenen offenbar. Mehrfach, so hieß es da, habe man Belege dafür gefunden, dass Beran "täglich für seine tschechischen und deutschen Landsleute" bete. Er teile mit den Deutschen das "Schicksal der Heimatlosigkeit".

Von Hans-Jörg Schmidt und Alexander Brüggemann (KNA)