Kardinal Marx für mehr Gewaltenteilung in der Kirche
Der Münchner Kardinal Reinhard Marx plädiert für mehr Gewaltenteilung in der katholischen Kirche. Klerikaler Machtmissbrauch sei eine der Hauptursachen für den weltweiten Missbrauchsskandal, sagte Marx am Donnerstag bei seinem traditionellen Besuch des Münchner Presseclubs. Die Antwort der Geschichte auf solche Zustände sei die Kontrolle und Teilung von Macht. Dies sei mit Theologie und Kirchenrecht durchaus vereinbar. "Der Kodex ist ja nicht ein Lehrbuch für einen absolutistischen Staat."
Es geht nicht um Weihe, sondern um Kompetenz
Marx führte aus, es gebe "schon länger Mitbestimmung in der Kirche. Die Leute haben aber das Gefühl: nicht wirklich". Dies müsse überwunden werden. Papst und Bischöfe könnten ihre Macht delegieren. So sei es "selbstverständlich möglich", dass auch ein Laie eine Kurienbehörde leite. Denkbar sei auch die Mitwirkung von Laien an eigenständigen kirchlichen Strafgerichtshöfen. "Da geht es nicht um die Weihe, sondern um Kompetenz."
In Bezug auf eine Diskussion um die katholische Sexualmoral sagte er, dafür sei Papst Franziskus offen. "Ich sehe, dass er da nicht so festgelegt ist". Er selbst habe schon mehrfach mit Franziskus über das Thema gesprochen. Sorgen machen Marx "Kräfte, die meinen, wenn wir keine homosexuellen Priester mehr haben, wäre das ganze Missbrauchsproblem gelöst". Dagegen müsse er sich "verwahren", sagte der Kardinal. Homosexuell veranlagte Priester seien in puncto Missbrauch "nicht gefährdeter als andere".
Marx äußerte sich auch zum wegen sexuellen Missbrauchs verurteilten australischen Kardinal George Pell. Dieser habe "keinerlei Einfluss mehr in Rom". Er kenne Pell gut, habe ihn aber jetzt seit fast zwei Jahren nicht mehr gesehen, so Marx. Der Australier war am 12. Dezember mit zwei weiteren Kardinälen aus dem engsten Beraterkreis von Papst Franziskus, dem auch Marx angehört, entlassen worden. Formell behielt der 77-Jährige aber seinen Posten als Leiter des vatikanischen Wirtschaftssekretariats. Dazu sagte Marx, Pell sei seit dem Sommer 2017 beurlaubt und in seinen Aufgaben in Rom seither "praktisch nicht mehr tätig".
Generell sei das öffentliche Ansehen von Bischöfen im vergangenen Jahr "rapide gesunken" - und das auch in Deutschland. Er selbst könne sich da nicht ausschließen. Besonders im Streit um den Kommunionempfang für evangelische Ehepartner von Katholiken habe die Kirche "ein Schauspiel geboten", das innerkirchlich und in der Öffentlichkeit ein "Fiasko" gewesen sei.
Den Gegenstand des Streits bezeichnete der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz als "eine relativ kleine Geschichte". Evangelische Ehepartner sollten in bestimmten Fällen zu einer in ihrem Gewissen verantwortbaren Entscheidung ermutigt werden. Seit seiner erfolgten Intervention in Rom liege das weitere Vorgehen in der Hand jedes einzelnen Bischofs. "Gemacht wird es sowieso", zeigte sich Marx überzeugt.
Keine Alternative zur Verwaltungsleitung durch Laien
Der Kardinal konkretisierte bei dem Pressegespräch auch das Vorhaben, die Funktion des Generalvikars und des Amtschefs seiner Diözesanverwaltung in München zum Jahresende 2019 voneinander zu trennen. Dieser Schritt sei ungewöhnlich, er wisse aber, dass auch andere Bischöfe in diese Richtung dächten. Priester seien schließlich von Haus aus keine Verwaltungsfachleute. Der Münchner Generalvikar Peter Beer habe ihm versichert, 80 Prozent seiner Tätigkeit könne auch ein Laie machen. Die neue Führungsposition werde zu Beginn des neuen Jahres öffentlich ausgeschrieben. Der Generalvikar werde zwar dessen Vorgesetzter bleiben, aber nicht Amtsleiter. Marx erklärte, das Vorhaben sei "nicht ohne Risiko". Er sehe zu dieser Weiterentwicklung aber "keine wirkliche Alternative". Die Zusammenarbeit von Priestern und Laien sei "eine Zukunftsfrage der Kirche". Auch auf Ebene der Weltkirche beobachte er ein "wachsendes Bewusstsein für die Dringlichkeit von Reformen". (bod/gho/KNA)
20.12.2018, 15.00 Uhr: ergänzt um weitere Details