Kirchenasyl: Gemeinden halten sich nicht an Vorgaben
Nach Einschätzung der katholischen Kirche missachtet rund die Hälfte der beim Kirchenasyl aktiven Gemeinden die zwischen den Kirchen und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) vereinbarte Regel zur Übermittlung eines Fall-Dossiers. Das berichtet die Tageszeitung "Die Welt" (Dienstag). "Aus Gesprächen mit dem Bamf wissen wir, dass 2017 bedauerlicherweise nur in etwa der Hälfte aller Kirchenasylfälle ein Dossier eingereicht wurde", sagte der Leiter des Kommissariats der deutschen Bischöfe, Karl Jüsten.
Gemeinden verstoßen gegen Absprache mit dem BamF
Damit verstoßen jene Gemeinden, zu deren konfessioneller Zugehörigkeit Jüsten keine näheren Angaben machte, gegen eine Absprache, die 2015 zwischen den großen Kirchen und dem Bamf getroffen wurde. Damals wurde festgelegt, dass der Staat das Kirchenasyl hinnimmt und zur Prüfung der jeweiligen Fälle bereit ist, sofern die Gemeinden dem Bamf Dossiers zu den Hintergründen der einzelnen Fälle übermitteln und jeweils einen kirchlichen Ansprechpartner benennen.
Dass diese Bedingungen von vielen Gemeinden nicht eingehalten werden, geht auch aus Angaben des niedersächsischen Innenministeriums hervor. Das Ministerium teilte auf Anfrage der "Welt" mit, dass zwischen Mai 2016 und September 2017 in rund 54 Prozent der Kirchenasylfälle Dossiers eingereicht und in 58 Prozent der Fälle "die Meldungen über ein sogenanntes Kirchenasyl über einen Kirchenvertreter" gemacht worden seien.
Als problematisch wertete auch das Bamf "das Nichteinreichen von Härtefall-Dossiers und das Nichtbenennen von kirchlichen Ansprechpartnern" bei den bundesweit dort registrierten 2.533 Fällen von Kirchenasyl. Betroffen waren laut Bamf 3.481 Personen in der Zeit vom 1. Januar 2017 bis zum 30. Juni 2018.
Bischofskonferenz fordert Kooperation mit dem BamF
Seit dem 1. August 2018 gilt ein Erlass von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und seinen Kollegen in den Ländern, wonach bei Kirchenasylfällen in nicht vereinbarungsgemäß kooperierenden Gemeinden die Frist für den Selbsteintritt Deutschlands bei Dublin-Verfahren von sechs auf 18 Monate erhöht wird.
Faktisch bedeutet dies, dass Kirchengemeinden, um die Überstellung eines Asylsuchenden in das jeweilige EU-Erstaufnahmeland wirksam zu verhindern, das Kirchenasyl für bis zu 18 Monate gewähren müssen. Die Heraufsetzung dieser Frist gilt auch dann, wenn die Gemeinden ein Kirchenasyl nicht innerhalb von drei Tagen nach einer abschlägigen Dossier-Prüfung durch das Bamf aufheben.
Angesichts des neuen Erlasses forderte Jüsten die Gemeinden zur vereinbarungsgemäßen Kooperation mit dem Bamf auf. "Die Kirchengemeinden und Ordensgemeinschaften sind gut beraten, in jedem Kirchenasylfall einen Ansprechpartner zu nennen und ein Dossier einzureichen", sagte Jüsten. Dies liege "nicht zuletzt auch im Interesse der schutzsuchenden Person selbst". (KNA)