Kirchenrechtler über Frauenweihe: "Das letzte Wort ist gesprochen"
Unter dem Schlagwort "Maria 2.0" fordern Katholikinnen die Weihe von Diakoninnen und Priesterinnen. Im Interview beschreibt der Freiburger Kirchenrechtler Georg Bier die Gesetzeslage. Und zeigt sich skeptisch, ob es in der Frauenfrage zu einer Öffnung kommen kann.
Frage: Herr Professor Bier, welche kirchlichen Gesetze verbieten die Weihe von Frauen?
Bier: Das Gesetzbuch der katholischen Kirche hält in Canon 1024 schlicht fest: 'Die heilige Weihe empfängt gültig nur ein getaufter Mann.' Das ist alles - und zugleich völlig klar.
Frage: Warum scheint in den aktuellen Debatten eine Diakoninnen-Weihe eher möglich als eine Priesterinnen-Weihe?
Bier: Weil es die Idee von unterschiedlichen, abgestuften Weihe-Graden gibt. Demnach ist die Diakonenweihe niedriger eingestuft als die Priesterweihe. Hinzu kommt, dass sich die maßgeblichen lehramtlichen Äußerungen der Kirche ausdrücklich nur auf das Verbot der Priesterinnenweihe beziehen - und nicht auf Diakoninnen. Allerdings hat die Glaubenskongregation im Jahr 2001 auch der Diakoninnenweihe eine Absage erteilt. Aber diese Aussage hat nicht den gleichen lehramtlichen Stellenwert wie die päpstliche Ablehnung der Priesterinnenweihe. Hier liegt nach Ansicht mancher ein Ansatzpunkt, um eine Weihe von Diakoninnen möglich zu machen.
Frage: Zugleich haben Theologen und einzelne Bischöfe zuletzt die Frage aufgeworfen, ob das lehramtlich maßgebliche Dokument zum Weihe-Ausschluss von Frauen wirklich letztverbindlich ist...
Bier: Der Papst und das authentische Lehramt verstehen das 1994 veröffentlichte Schreiben 'Ordinatio sacerdotalis' von Johannes Paul II. eindeutig als letztverbindlich und endgültig. Der Papst sprach von einer definitiven Lehraussage der Kirche, die sich nie mehr ändern könne. Papst Franziskus hat sich dem mehrmals angeschlossen und gesagt, dass die Tür an dieser Stelle geschlossen ist.
Frage: Aber?
Bier: Einige Theologinnen, Theologen und auch Bischöfe sprechen sich verstärkt dafür aus, noch einmal genauer hinzuschauen, ob diese Letztverbindlichkeit wirklich gilt. Denn Johannes Paul II. erklärte, er spreche nur letztgültig aus, was ohnehin eindeutig von allen Bischöfen so gelehrt werde. Von daher stellen manche die Frage: Konnte der Papst damals wirklich verbindlich reden, weil es klar war oder konnte er es nicht, weil es unterschiedliche Positionen gab?
Frage: Gibt es Fälle, in denen die Geschichte noch einmal vermeintlich endgültige päpstliche Entscheidungen verändert hat?
Bier: Zumindest nicht in den letzten 100 Jahren. Wir müssen sehen, dass die Begriffe, die im Spiel sind - Letztverbindlichkeit und Unfehlbarkeit - erst seit dem Ersten Vatikanischen Konzil 1869/1870 ihre heutige Bedeutung ausgeprägt haben. Das Unfehlbarkeitsdogma wurde schließlich erst 1870 verkündet. Wo es davor Lehränderungen gab, ist fraglich, ob die Inhalte zuvor wirklich mit derselben Klarheit und Eindeutigkeit festgehalten worden waren, wie die Absage an die Frauen-Weihe nach heutigem lehramtlichem Selbstverständnis.
Frage: Maria-2.0-Aktivistinnen fordern Bischöfe gerade bundesweit zum Handeln auf, um Druck auf Rom zu machen. Welche kirchenrechtlichen Mitsprachemöglichkeiten der Basis oder der Bischöfe sieht das Kirchenrecht vor? Gibt es beispielsweise ein Initiativrecht?
Bier: Die Gesetzgebung ist hierarchisch-monarchisch organisiert und allein dem Papst überlassen. Wenn überhaupt könnte also nur der Papst etwas ändern. Aber der Clou des Weiheverbots für Frauen ist, dass es lehramtlich argumentiert keine Änderungen mehr geben kann. Wir drehen uns im Kreis und landen höchstens wieder beim Ausweg, die Grundlagen der damaligen Lehraussage anzweifeln zu können.
Frage: Wäre ein Ausweg über regionale Sonderregeln denkbar?
Bier: Nein, im lehramtlichen Selbstverständnis kann es bei der Weihe keine Sonderwege geben. Das könnte man sich beim Zölibat oder bei der Weihe von verheirateten Männern vorstellen. Denn hier gibt es eben keine lehramtliche Aussage, die die gleiche Qualität und Endgültigkeit hätten wie der Weihe-Ausschluss von Frauen.
Frage: Schon jetzt sehen Rechtskonservative Franziskus am Rande des Verrats am Glauben, der Häresie. Würde eine Entscheidung für Diakoninnen oder Priesterinnen diese Vorwürfe verstärken?
Bier: Hier sind zwei Positionen zu beachten. Erstens kann man sagen, der Papst besitzt Höchst- und Letztenscheidungsgewalt und kann daher nie häretisch sein. Denn wo er ist, ist die Kirche. Aber zweitens könnte man sich in der Theorie vorstellen, dass der Papst grundlegende Glaubenswahrheiten - etwa die des Glaubensbekenntnisses - verrät. Das könnte man mit einiger Berechtigung als Häresie bezeichnen. Aber in der Frauenfrage reden wir nicht von dogmatischen Glaubensartikeln, sondern von Fragen, die eher die Lebensführung betreffen.
Frage: Würde die Erlaubnis zur Frauenweihe die Kirche spalten?
Bier: Es würde zu einer dramatischen Zerreißprobe führen. Bestimmte Gruppen würden die Legitimität des Papstes radikal in Frage stellen. Aber die Erlaubnis zur Frauenweihe wäre keine Häresie, kein Abfall vom Glauben. Bei der Aussage, dass Frauen nicht die Priesterweihe empfangen können, geht es nicht um eine Glaubenswahrheit, sondern in Anführungszeichen 'nur' um eine Lehre, die eng mit den Glaubenswahrheiten verbunden ist.
Frage: Wie schätzen Sie also die Erfolgsaussichten der bundesweiten Proteste von Maria 2.0 ein?
Bier: Aus meiner Sicht können die Proteste ihr Ziel nicht erreichen, weil nach päpstlichem und lehramtlichem Verständnis das letzte Wort gesprochen ist. Aber ich verstehe gleichzeitig den pragmatischen Ansatz, durch Demonstrationen Bewegung und Veränderungen anzustoßen.