Kirchenvertreter warnen bei Bluttests vor Selektion menschlichen Lebens

Fürst: Der embryonale Mensch besitzt bereits die ganze Würde

Veröffentlicht am 10.04.2019 um 15:56 Uhr – Lesedauer: 

Berlin ‐ Soll der vorgeburtliche Bluttest zur Erkennung des Down-Syndroms eine Kassenleistung werden? Darüber debattiert der Bundestag am Donnerstag. Die katholische Kirche hat eine klare Meinung zum Thema. Sie warnt vor einer Selektion von Babys in "lebenswert und nicht lebenswert".

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Am Donnerstag diskutiert der Bundestag über vorgeburtliche Bluttests zur Erkennung des Down-Syndroms. Einen Tag vor der Debatte mehren sich nun die Stimmen aus dem Raum der katholischen Kirche, die sich gegen eine Kostenübernahme des Tests durch die Gesetzlichen Krankenkassen aussprechen. Kirchenvertreter warnen vor einer Selektion menschlichen Lebens.

Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki forderte, statt über die Kosten des Tests lieber darüber zu sprechen, "ob wir es wirklich ernst meinen mit der Würde eines jeden einzelnen Menschen, ungeachtet seiner Fähigkeiten, seiner Fitness, seines volkswirtschaftlichen Nutzwertes". Die Praxis zeige leider, dass etwa 90 Prozent aller Kinder, bei denen durch den Test das Down-Syndrom festgestellt werde, abgetrieben würden – "und das ausgerechnet jetzt, da die Fördermöglichkeiten so gut sind wie nie zuvor" seien und "wir immer wieder darüber staunen können, was für liebenswerte und zum Teil auch verblüffend kreative Menschen heranwachsen", so Woelki in der "Kirchenzeitung für das Erzbistum Köln".

Fürst: Auch behinderte Kinder haben ein Recht auf Leben!

Der Rottenburger Bischof Gebhard Fürst schrieb auf Twitter: "Pränatale Bluttests als Kassenleistung fördern die Selektion zwischen 'lebenswert' und nicht lebenswert. Aber: Auch behinderte Kinder haben ein Recht auf Leben!" Zugleich wies Fürst, der auch Vorsitzender der Unterkommission Bioethik der Deutschen Bischofskonferenz ist, darauf hin, dass das menschliche Leben bereits mit der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle beginne. Der embryonale Mensch besitze deshalb "bereits die ganze Würde".

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Auch das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) sprach sich gegen eine Kassenzulassung des Bluttests aus. "Ich befürchte, dass die unhinterfragte Verfügbarkeit dieses vermeintlich harmlosen Instruments am Ende einer selektiven Mentalität den Weg bahnt", sagte ZdK-Präsident Thomas Sternberg. Es sei mit einem weiteren Anstieg bei den Abtreibungen von Kindern mit Trisomie 21 zu rechnen. Damit werde nicht nur deren grundlegendes Lebensrecht angetastet, sondern auch ausgeblendet, dass die meisten Menschen mit dieser Beeinträchtigung ein gutes Leben führen könnten. Zwar gebe es auch Argumente für die Kassenzulassung – etwa den gesellschaftlichen Nutzen durch weniger invasive Fruchtwasseruntersuchungen oder eine stärkere gesellschaftliche Kontrolle des Markts diagnostischer Angebote. Dem stünden jedoch viel größere gesellschaftliche Kosten und ein viel größerer gesellschaftlicher Schaden gegenüber, wenn es zur Verfestigung und Standardisierung einer selektiven Mentalität komme.

Die größte Gefahr, so Sternberg weiter, liege aber nicht in dem Test und dem Wissen, das durch ihn gewonnen werden könne, sondern darin, dass es zu einem Automatismus komme, die Schwangerschaft bei dem Befund Trisomie 21 nicht fortzusetzen. "Solche Automatismen gilt es zu durchbrechen, zum Beispiel durch die Verknüpfung der Durchführung des Test mit einer vorherigen und im Falle eines positiven Befundes auch mit einer anschließenden unabhängigen psychosozialen Beratung", forderte der ZdK-Präsident.

Caritas fordert mehr Unterstützung für Familien mit behinderten Kindern

Der Deutsche Caritasverband, der Bundesverband Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie und der Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) warnten in einer gemeinsamen Stellungnahme vor den gesellschaftlichen Folgen einer Kassenzulassung des Bluttests. Wenn vorgeburtliche Pränataltests künftig von den Krankenkassen bezahlt würden, verändere dies das gesellschaftliche Bewusstsein. "Wenn wir akzeptieren, dass Tests als selbstverständliche Kassenleistung bezahlt werden, die die Gefahr in sich bergen, Embryos mit Auffälligkeiten zu selektieren, verändert dies den Blick auf ein Leben mit Behinderung. Das gilt es zu verhindern", so Caritas-Präsident Peter Neher. Wichtig sei, Frauen und Familien in der Gestaltung ihres Lebens mit Kindern mit einer Behinderung besser zu beraten und konkret zu unterstützen. Dies müsse als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden werden.

Bild: ©picture alliance / dpa / Patrick Seeger

Auslöser der aktuellen Debatte: Der "PraenaTest" des Konstanzer Unternehmens LifeCodexx.

Bei der Debatte um die Bluttests geht es konkret um die Frage, ob die Tests künftig als reguläre Leistung der Gesetzlichen Krankenkassen angeboten werden. Entscheiden muss das der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) von Ärzten und Krankenkassen. Das Gremium hatte kürzlich vorgeschlagen, dass die Krankenkassen den Test bezahlen, wenn es besondere Risiken oder Auffälligkeiten in der Schwangerschaft gibt. Derzeit müssen werdende Eltern in der Regel selbst zahlen, in der günstigsten Variante kostet der Test rund 130 Euro.

Befürworter argumentieren, dass die Bluttests eine risikoarme Alternative zu bestehenden Verfahren wie etwa der Fruchtwasseruntersuchung seien, die immer mit einem Fehlgeburtsrisiko behaftet sind. Außerdem sei es eine Frage der Gerechtigkeit, den Zugang zu dem Test nicht vom Geldbeutel abhängig zu machen. Gegner der Kassenzulassung befürchten dagegen, dass die einfach zu handhabenden Bluttests zu einer Art Automatismus bei vorgeburtlichen Untersuchungen führen werden. Schwangerschaft werde immer stärker zu einer Schwangerschaft auf Probe; werdende Mütter könnten durch die Tests verunsichert werden. Der gesellschaftliche Druck, ein gesundes Kind zur Welt bringen zu müssen, steige.

Von Steffen Zimmermann