Mehrere Missbrauchsvorwürfe gegen Pell zurückgezogen
Die Staatsanwaltschaft in Melbourne will mehrere Anklagepunkte im Missbrauchsprozess um Kurienkardinal George Pell am Dienstag zurückziehen. Grund sei, dass einer der Zeugen aus "medizinischen Gründen" nicht aussagen könne, berichteten australische Medien (Freitag).
Weder die Zahl der Kläger noch die Inhalte der Klagen wurden bislang veröffentlicht. Im laufenden Verfahren geht es um die Anhörung von rund 50 Zeugen. Am Ende der Anhörung wird Richterin Belinda Wallington entscheiden, ob die Zeugenaussagen und Beweise für die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen den 76-jährigen Pell ausreichen.
Zu Wochenbeginn bekam der "Fall Pell" eine weitere Facette, als ein Zeuge bei der Polizei neue Vorwürfe gegen den Finanzchef des Vatikan erhob. Der Inhalt der Vorwürfe wurde auch nicht öffentlich. Zudem ist noch unklar, ob sie in das laufende Verfahren einbezogen werden können oder ob ein weiteres Verfahren eröffnet werden muss.
Zeugin berichtet vom Missbrauchs-Geständnis ihres Bruders
Bei dem Sitzungstermin am Freitag sagte eine Frau per Videoschaltung aus, ihr Bruder habe ihr eines Tages unter Tränen gestanden, von Pell sexuell missbraucht worden zu sein. Dieses Geständnis habe der Bruder 16 Jahre nach dem angeblichen Vorfall gemacht. Die Staatsanwaltschaft machte geltend, sie und ihr Bruder seien zum Zeitpunkt des Geständnisses betrunken gewesen. Dies wies die Zeugin zurück.
Die Anhörung zur Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen Pell begann Anfang März. Nur wenige Tage zuvor hatte die Staatsanwaltschaft nach dem Krebstod eines Hauptzeugen im Januar eine der Klagen zurückgezogen. Damian Dignan hatte vor rund zwei Jahren in einem Interview mit ABC die Ermittlungen gegen Pell ins Rollen gebracht. Darin sagte er, Pell habe im Schwimmbad seine Genitalien angefasst. Weitere Anklagepunkte betreffen die Anschuldigung, Pell sei als Priester im Bistum Ballarat an der Vertuschung entsprechender Fälle beteiligt gewesen sein. Der Kardinal hat bisher alle Anschuldigungen gegen sich zurückgewiesen.
Es ist das erste Mal, dass gegen einen der ranghöchsten Würdenträger der katholischen Kirche wegen Missbrauchs ermittelt wird. Ab 2001 war Kardinal Pell Erzbischof von Sydney. 2013 wurde er in den Kardinalsrat berufen, der Papst Franziskus bei der Kurienreform berät. 2014 ernannte ihn der Papst schließlich zum Präfekten des neu gegründeten Wirtschaftsrats. Für die Dauer des Prozesses hat Franziskus den Kardinal allerdings von seinen Ämter freigestellt. (bod/KNA)