DBK-Vorsitzender zum Abschluss der Vollversammlung

Missbrauchsstudie: Kardinal Marx kündigt Konsequenzen an

Veröffentlicht am 27.09.2018 um 14:50 Uhr – Lesedauer: 

Fulda/Bonn ‐ Alle "Selbstherrlichkeit von Amtsträgern der Kirche" müsse überwunden werden: Die deutschen Bischöfe haben erste Konsequenzen aus der Missbrauchsstudie angekündigt. Kardinal Marx stellte sie nun vor.

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Zum Ende der Vollversammlung der Deutschen Bischöfe in Fulda hat Kardinal Reinhard Marx erste Konsequenzen aus der Studie zum Missbrauch in der katholischen Kirche angekündigt. Diese stellte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz am Donnerstag in Fulda vor.

Die Bischöfe wollen externe, unabhängige Anlaufstellen für Betroffene sexuellen Missbrauchs schaffen, die zusätzlich zu den diözesanen Ansprechpartnern arbeiten. Sie wollen die Personalakten ihrer Kleriker künftig nach einem standardisierten System führen. Außerdem wollen sie bei der künftigen Aufarbeitung die Betroffenen und externe Fachleute einbinden. Es soll ein überdiözesanes Monitoring für Intervention und Prävention eingerichtet werden und das Verfahren für Entschädigungszahlungen "fortentwickelt" werden. Außerdem will die Bischofskonferenz einen Gesprächsprozess eröffnen über den Zölibat und "verschiedene Aspekte der katholischen Sexualmoral". Schließlich soll auch geklärt werden, wer über die Täter hinaus institutionell Verantwortung am Missbrauch getragen habe.

Bischöfe setzen Empfehlungen um

Damit setzen die Bischöfe einige der Empfehlungen um, die die Forscher der MHG-Studie ihnen mit auf den Weg gegeben haben. Alle "Selbstherrlichkeit von Amtsträgern der Kirche" müsse überwunden werden, heißt es in der Erklärung. Kardinal Marx ergänzte, dass es in der weiteren Diskussion der Studie unter den Bischöfen "kein Tabu" geben werde. Sie wollten über alle Empfehlungen der Wissenschaftler sprechen und die Opfer in den Mittelpunkt stellen. Macht in der Kirche müsse kontrolliert und geteilt werden. "Das ist ein längerfristiger Weg, aber wir wollen ihn gehen", so Marx.

Stephan Ackermann, der Missbrauchsbeauftragte der deutschen Bischöfe sagte, es müsse zwischen den Ergebnissen der Studie und der nun beginnenden Aufarbeitung unterschieden werden. "Das ist eine neue Etappe, in die wir nun hineinkommen". Ackermann sagte, er fasse die Studie auch als Ermutigung auf. In der Zukunft wollten sich die Bischöfe auch mit weiteren Empfehlungen der Forscher beschäftigen, die weniger schnell umzusetzen seien. Zu den Empfehlungen gehören unter anderem eine Beschäftigung mit der Aus- und Weiterbildung der Priester, mit der katholischen Sexualmoral und dem Beichtgeheimnis. Weiter sagte der Missbrauchsbeauftragte, das angedachte Monitoring zur Präventionsarbeit könne auch als eine Art "Ranking" der Bemühungen der Bistümer zu diesem Thema verstanden werden. "Das war in der Vergangenheit zwar nicht so gewünscht. Aber diese Zeit ist vorbei."

Verantwortung der Bischöfe für die Betroffenen

In der Presseerklärung zum Abschluss der Vollversammlung heißt es, die veröffentlichte Erklärung solle die "Verantwortung der Bischöfe für die Betroffenen" ebenso zeigen "wie die nächsten Handlungsschritte, die als erste Konsequenzen aus der Studie anstehen". Die Studie habe offenbart, dass es sich beim Missbrauch nicht nur um das Fehlverhalten einzelner handele, sondern systemische Aspekte das Risiko sexuellen Missbrauchs in der Kirche verstärkten und noch weiter verstärken. Die Kirche müsse die Hinwendung zu den Opfern noch klarer praktizieren. Bei der Zusammenarbeit mit externen Fachleuten, die künftig in die Aufarbeitung einbezogen werden sollen, könne es sich auch um eine Zusammenarbeit mit dem Staat handeln.

Die Vollversammlung der deutschen Bischöfe tagte seit Montag in Fulda. Im Zentrum stand die Vorstellung der von ihnen in Auftrag gegebenen Missbrauchsstudie der sogenannten MHG-Studie (Mannheim, Heidelberg, Gießen). Nach den ausgewerteten gut 38.000 Akten gab es in den deutschen Diözesen im Zeitraum von 1946 bis 2014 mindestens 3.677 Betroffene von sexuellen Übergriffen. Die Taten sollen mindesten 1.670 Beschuldigte verübt haben, vor allem Priester. Erstellt wurde die Studie von einem Forschungskonsortium unter Leitung des Mannheimer Psychiaters Harald Dreßing. Außerdem sind das Kriminologische Institut der Universität Heidelberg, das dortige Institut für Gerontologie sowie der Lehrstuhl für Kriminologie der Universität Gießen beteiligt.

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Video: © domradio.de

Bei der Abschlusspressekonferenz der Herbst-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz fand Kardinal Reinhard Marx klare Worte zur Bekämpfung des Missbrauchs in der Kirche und stellte konkrete Maßnahmen vor.

In der Debatte über eine Neuregelung von Organspenden haben die deutschen Bischöfe in Fulda ihre ablehnende Haltung gegenüber der sogenannten Widerspruchslösung bekräftigt, die ein Gesetzentwurf von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) enthält. Mit diesem Vorschlag, der eine Organentnahme erlaubt, sofern der Betroffene zuvor nicht ausdrücklich widersprochen hat, seien die Bischöfe "nicht einverstanden", so Marx. "Wir wollen dabei bleiben, dass Menschen sich frei entscheiden können". Zugleich betonte er, dass die Bischöfe eine Organspende grundsätzlich "sehr unterstützen". Offen zeigte sich Marx jedoch für Überlegungen "beides gut miteinander zu verbinden". Welche Modelle er damit konkret meinte, ließ Marx offen. Die deutschen Bischöfe sprechen sich zudem für mehr Transparenz der Strukturen und Prozesse und eine entsprechende Weiterbildung des Pflegepersonals in der Transplantationsmedizin aus. Durch die Organspende-Skandale der vergangenen Jahre sei Vertrauen verloren worden, das wiedergewonnen werden müsse, heißt es im Pressebericht zur Vollversammlung.

Auch das Kirchenasyl war Thema bei den Bischöfen. Anlass hierfür waren laut dem Abschlussbericht Verunsicherungen und Spannungen, die es bei diesem Thema in den vergangenen Monaten erneut gegeben habe. "Auf der einen Seite klagen Kirchengemeinden und Ordensgemeinschaften darüber, dass die von ihnen geschilderten humanitären Härten staatlicherseits nicht angemessen berücksichtigt werden. Auf der anderen Seite erheben die staatlichen Stellen den Vorwurf, dass diejenigen, die Kirchenasyl gewähren, sich nicht immer an die zwischen den beiden großen Kirchen und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) vereinbarte Vorgehensweise halten", heißt es in dem Bericht.

Kirchenasyl und Kommunionempfang

Darüber hinaus wird darauf hingewiesen, dass das Kirchenasyl zuletzt durch einen zum 1. August 2018 in Kraft getretenen Erlass des Bundesinnenministeriums erschwert worden sei. Konkret geht es darum, dass in bestimmten Kirchenasylfällen die Frist, innerhalb derer ein Schutzsuchender in einen anderen Dublin-Staat überstellt werden kann, von sechs auf 18 Monate erhöht wurde. Aus kirchlicher Perspektive stünden die Bedürfnisse schutzsuchender Menschen an erster Stelle. "Deshalb bedauern wir zusätzliche administrative Hürden, die zulasten der betroffenen Menschen gehen. Gleichzeitig ist es uns ein Anliegen, dass die Kirchengemeinden und Ordensgemeinschaften klug mit der Tradition des Kirchenasyls umgehen", so Kardinal Marx. Ziel müsse es stets sein, mit den Behörden in Dialog zu treten und eine erneute Prüfung des Einzelfalls zu erwirken. Ein gutes Einvernehmen mit den staatlichen Stellen sei nicht zuletzt im Interesse der Schutzsuchenden selbst; denn nur so ist es möglich, tragfähige Lösungen zu finden.

Weiteres Thema war in Fulda erneut der Kommunionempfang von evangelischen Ehepartnern. Hierzu erklärte Marx, nach dem klärenden Wort aus Rom zur "Orientierungshilfe", die eine Mehrheit der Bischöfe im Februar verabschiedet hatte, sei klar: "Das ist jetzt Sache des Einzelbischofs". Man könne "nicht nochmal neu an dem Text arbeiten". Mit Blick auf den offenen Streit über dieses Dokument innerhalb der Bischofskonferenz heißt es im Pressebericht zur Vollversammlung: "Für die Zukunft müssen die Sorge um die Einmütigkeit nach innen ebenso wie die Sorge um die volle sichtbare Einheit der Kirche gleichermaßen im Blick bleiben." Die Bischöfe versichern "auch weiterhin nach Kräften für ein vertieftes wechselseitiges Verständnis und für ein mutiges Voranschreiten einsetzen".

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Video: © katholisch.de

Bischof Stephan Ackermann ist unter den deutschen Bischöfen für Fragen des sexuellen Missbrauchs zuständig. Mit katholisch.de spricht er über das Thema Achtsamkeit, die Priesterausbildung und Homophobie in der Kirche.

Laut dem Abschlussbericht informierte Kardinal Marx seine Mitbrüder während der Vollversammlung auch über seine jüngste Reise nach Polen, die ihn Ende August nach Danzig und Posen geführt hatte. Marx betonte, dass ihm das Verhältnis zwischen der Kirche in Deutschland und in Polen angesichts der gemeinsamen Geschichte beider Länder, der aktuellen politischen Herausforderungen und mit Blick auf die Entwicklung des Katholizismus in Europa "in besonderer Weise am Herzen" liege. In vielen Gesprächen in Polen sei ihm deutlich geworden, dass europafeindliche und nationalistische Tendenzen in dem Land nicht nur viel Widerhall fänden, sondern auch entschlossenen Widerspruch, so der Kardinal. "Ich habe Erzbischof Stanislaw Gadecki, dem Vorsitzenden der Polnischen Bischofskonferenz, in diesem Zusammenhang ausdrücklich für mehrere öffentliche Stellungnahmen des polnischen Episkopats gedankt, die man als Warnzeichen verstehen darf gegenüber politischen Richtungen, die nationale Enge statt europäischer und globaler Weite propagieren", wird der Kardinal im Abschlussbericht zitiert.

Die Errichtung eines Instituts für Katholische Theologie an der Berliner Humboldt-Universität wurde von den Bischöfen ausdrücklich begrüßt. Sie hoben besonders die geplante Anzahl von fünf Professuren und den Schwerpunkt in theologischer Anthropologie hervor. Das Institut solle dabei helfen, Antworten "auf gesellschaftliche, politische und ethische Fragestellungen der Gegenwart" zu geben und den Herausforderungen "der wachsenden Säkularisierung und Pluralisierung der Gesellschaft" zu begegnen.

Welttag der Armen und Personalien

Nach seiner Premiere im vergangenen Jahr haben die deutschen Bischöfe zum diesjährigen Welttag der Armen am 18. November Empfehlungen für die Gestaltung des Tages verfasst. Unter anderem empfehlen die Bischöfe den Pfarrgemeinden in Deutschland, im Umfeld des Welttages Begegnungen mit Armen und Bedürftigen zu ermöglichen und am Welttag selbst in jedem Bistum an einem prominenten Ort einen besonderen Gottesdienst zu feiern. Damit solle die von Papst Franziskus in seinem Apostolischen Schreiben "Evangelii gaudium" unterstrichene "liebevolle Zuwendung" zu den Armen verwirklicht werden, so die Bischöfe.

Im Rahmen der Vollversammlung wurden von den Bischöfen auch einige Personalien entschieden. So wird der Würzburger Bischof Franz Jung neues Mitglied der Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen sowie der Kommission für Wissenschaft und Kultur. Hildesheims neuer Bischof Heiner Wilmer wird Mitglied der Kommission für Wissenschaft und Kultur und der Deutschen Kommission Justitia et Pax. Der Freiburger Weihbischof Peter Birkhofer wird Mitglied der Ökumenekommission und der Kommission Weltkirche, Essens Weihbischof Wilhelm Zimmermann wird Mitglied der Unterkommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum, der Kölner Weihbischof Ansgar Puff wird stellvertretender Vorsitzender der Migrationskommission, Weihbischof Nikolaus Schwerdtfeger aus Hildesheim wird stellvertretender Vorsitzender der Ökumenekommission und der Berliner Weihbischof Matthias Heinrich wird Beauftragter der Bischofskonferenz für die Seelsorge für Roma, Sinti und verwandte Gruppen.

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Die Bischöfe können gar nicht anders, als auf der Jugendsynode auch über Missbrauch zu sprechen, meint Jugendbischof Stefan Oster. Die Oberhirten müssten die Jugendlichen hören, weitere Präventionsmaßnahmen ergreifen – und die Lehre der Kirche wieder glaubwürdiger verkünden.

Die Bischöfe wiesen zudem auf mehrere Gedenktage im November hin, die für die Kirche in Deutschland von Bedeutung seien. Sie unterstützen die Forderung von Papst Franziskus, einen "Tag des Gebets und der Buße für die Opfer sexuellen Missbrauchs" einzurichten. Dieser Gebetstag soll im Umfeld des 18. November begangen werden, dem "Europäischen Tag zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch", der vom Europarat ins Leben gerufen wurde. Die deutschen Bischöfe gaben an, rechtzeitig Materialien zum Gebetstag veröffentlichen zu wollen.

Ein weiterer Gedenktag im November ist der 100. Jahrestag des Weltkriegs-Endes 1918. Die Kommission der Bischofskonferenz in der Europäischen Union (ComECE) wird deshalb am 24. Oktober ein "Gebet für das Friedensprojekt Europa" im belgischen Ypern abhalten. In Deutschland findet am 11. November in Berlin ein ökumenischer Gottesdienst zum Gedenken an das Kriegsende statt. Schließlich erinnerten die Bischöfe an den 80. Jahrestag der "Reichspogromnacht" am 9. November 1938. Kardinal Marx werde gemeinsam mit Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm bei einer Gedenkveranstaltung in Würzburg sprechen.

Familienfreundlichkeit der Ordinariate

Auf das 50. Jubiläum der katholischen Journalistenschule "Institut zur Förderung publizistischen Nachwuchses" (ifp) wurde ebenfalls hingewiesen. Der neue Standort des Instituts im ehemaligen Münchener Kapuzinerkloster habe zur Etablierung des ifp in der Medienwelt beigetragen. Das "Medienkloster" biete zudem einen geistlichen Mehrwert. Viele Absolventen würden in kirchlichen und säkularen Medien arbeiten, oft in leitenden Positionen. Ein Höhepunkt der Jubiläumsfeierlichkeiten sei das diesjährige Jahrestreffen im November in Rom, bei dem auch eine Audienz bei Papst Franziskus stattfinde.

Nach einer Studie sind die Mitarbeiter der kirchlichen Verwaltungen mit ihrem Arbeitgeber sehr zufrieden. Die von Erzbischof Heiner Koch, Vorsitzender der Kommission für Ehe und Familie, vorgestellte Studie zeigt, dass die Angestellten vor allem die Familienfreundlichkeit der Ordinariate schätzten. Fast 80 Prozent der Mitarbeiter würden sich erneut bei ihrem Bistum bewerben. Die Studie der Katholischen Universität Eichstätt werde in den kommenden Wochen vorgestellt.

Von Gabriele Höfling, Thomas Jansen, Roland Müller und Steffen Zimmermann