Mit Jesus untergehen und auferstehen: Die Ganzkörpertaufe
Bei der ersten Taufe, die Pfarrer Bernd Mönkebüscher im neuen Ganzkörpertaufbecken in seiner Kirche gespendet hat, hatte er erst Bedenken. Nicht wegen des Beckens selbst. Ein Teil der Verwandtschaft des Täuflings war muslimisch, da habe er sich schon gefragt, wie die Familie auf diese Form der Taufe reagieren würde. "Aber das lief richtig gut. Denn selbst wenn man theologisch nicht so eintaucht in diese ganze Symbolik, spricht sie trotzdem." Die Taufe in dem großen Becken sei einfach ein ganz starkes Zeichen, das sich einpräge – egal ob beim Täufling, beim Taufenden oder den Mitfeiernden, sagt er.
Die Stärke dieses Zeichens scheint in den deutschen Bistümern wichtiger zu werden. Wie in Hamm gibt es auch in weiteren Bistümern Ganzkörpertaufbecken: Bereits seit über 15 Jahren hat St. Maria Magdalena in Höntrop (Bistum Essen) ein Ganzkörperbecken. Andere Bistümer folgten. Seit 2017 kam dann St. Agnes in Hamm (Erzbistum Paderborn) hinzu. Die Bistümer wollen Taufe und Taufberufung stärker in den Fokus rücken.
Wachsende Bedeutung des Taufkatechumenats
Pfarrer Mönkebüscher hat seine Taufstelle im Einklang mit dem Zukunftsbild des Erzbistums Paderborn eingerichtet. Dem Taufkatechumenat komme – so die Autoren des Zukunftsbildes – wachsende Bedeutung zu, "weil der Anteil der Nichtgetauften in unserer Gesellschaft ständig steigt und wir darum davon ausgehen können, dass auch die Zahl der erwachsenen Taufbewerber anwachsen wird". Die Ganzkörpertaufstellen richten sich also an Menschen, die nicht christlich sozialisiert oder nicht als Kind getauft worden sind und sich jetzt ganz bewusst für das Christentum entscheiden.
Die Ganzkörpertaufe gilt als die Urform der Taufe. Jesus selbst hat zwar nicht getauft und auch keine Regeln dafür hinterlassen. Doch er selbst wurde als Erwachsener im Jordan durch Johannes den Täufer getauft. Deshalb orientierten sich die frühen Christen an der Taufpraxis Johannes des Täufers. Die Traditio Apostolica etwa, eine um das Jahr 200 entstandene Gemeindeordnung, spricht von der Taufe in "lebendigem Wasser". Man kann davon ausgehen, so der Würzburger Liturgiewissenschaftler Martin Stuflesser, dass Gemeinden in der Osternacht nach dem Gottesdienst sogar an Flüsse und Seen zogen, um dort zu taufen. Dort, wo das Wasser in Bewegung ist, wo es lebt. Archäologische Funde belegen aber auch feste Tauforte, wie in der Hauskirche von Dura Europos im heutigen Syrien. Dort gab es ein Becken in dem die Täuflinge stehend oder kniend getauft wurden. Reste solcher Ganzkörpertaufbecken, auch Baptisterien genannt, haben sich beispielsweise unter dem Chor des Kölner Domes oder in St. Severus in Boppard erhalten.
Sowohl bei der Taufe im Fluss als auch bei der Taufe in einem Baptisterium existierten zwei Formen nebeneinander: Der Täufling wurde kniend mit dem Kopf ins Wasser getaucht. Drei Mal wurde er untergetaucht, drei Mal schnappte er nach Luft. So konnte ganz existenziell erfahrbar werden, dass man in der Taufe mit Christus stirbt und aufersteht, wie Paulus in seinem Brief an die Römer (Röm 6,3-11) schreibt.
Bei der zweiten Form wurde der Täufling stehend mit Wasser übergossen, was das Abwaschen der Erbsünde symbolisieren konnte. Die heute weit verbreitete Taufe von Kindern geht auf letztere Form zurück. Schon der Kirchenvater Augustinus (354-430) trat dafür ein, dass Kinder durch die Taufe so früh wie möglich von der Erbsünde befreit werden sollten. Im Verlauf des Mittelalters setzte sich das durch. Dabei wurde die Zeichenhaftigkeit des Taufsakraments mehr und mehr reduziert, sagt Liturgiewissenschaftler Stuflesser, während die Frage nach dem möglichst frühzeitigen Empfang und der Gültigkeit des Vollzugs des Sakraments in den Vordergrund rückte.
Traditionskette der Volkskirche ist brüchig geworden
"Die Taufe durch Übergießen ist hundertmal um die Ecke gedacht", formuliert es Gertrude Knepper drastischer. Sie ist Gemeindereferentin von St. Maria Magdalena in Höntrop, auch dort gibt es ein Ganzkörpertaufbecken. "Das mag für eine Zeit funktioniert haben, in der der Großteil der Menschen im Christ-Sein ganz zuhause war." Heute sei die Traditionskette der Volkskirche, mit der die Religion von einer Generation an die nächste weitergegeben wurde, in vielen Familien brüchig geworden oder sogar abgerissen. Deshalb brauche es wieder die Stärke und Radikalität des Zeichens. "Mit Christus zu sterben, unterzugehen und mit ihm aufzuerstehen zu neuem und ewigen Leben, das ist Christsein und das wird in der Ganzkörpertaufe anschaulich und sinnhaft erfahrbar", sagt Knepper.
Eine junge Frau, die sich in St. Maria Magdalena hat taufen lassen, habe ihr das anschaulich beschrieben, sagt die Gemeindereferentin. Sie ging die Stufen ins Taufbecken hinunter. Dabei saugte sich ihr Taufkleid voll mit Wasser. Das schwere Gewand hat sie wirklich hinuntergezogen, das dunkle Becken erschien ihr fast wie ein Grab. "Unsere Taufstelle ist aus schwarzem Granit", erklärt Knepper. Die junge Frau kniete im Taufbecken nieder, der Pastor tauchte ihr Gesicht ins Wasser und sprach die Taufformel. Dann richtete er sie auf und führte sie die Stufen auf der entgegengesetzten Seite der Taufstelle hinauf, wo Knepper die junge Frau mit einem riesigen weißen Handtuch in Empfang nahm.
Auf den frühchristlichen Schriftsteller Tertullian geht der Ausdruck zurück: "Christ ist man nicht von Geburt, Christ wird man." Grundlage dafür war eine Stelle aus dem Markusevangelium, in der Jesus davon spricht, dass man Gott nicht nur mit ganzem Herzen und ganzer Seele, sondern auch "mit deinem ganzen Denken und mit deiner ganzen Kraft" lieben soll (Mk 12,30). Man sollte sich also als Erwachsener mündig zum Christentum bekennen. Weil Kinder nicht religionsmündig sind, musste die persönliche Zustimmung bei der Taufe durch die Firmung ersetzt werden. Wer sich heute als Erwachsener für eine Taufe entscheidet, durchläuft das Katechumenat, eine Zeit der Vorbereitung auf die Taufe, in der man sich mit dem christlichen Glauben auseinandersetzt. Wer sich also bewusst für die Taufe entscheidet, will und soll das auch spüren.
Liturgie braucht starke Symbole
"Taufe ist eine performative Handlung, die Wirklichkeit verändert. Deshalb gibt es ein wahrnehmbares Vorher und Nachher", sagt der Liturgiewissenschaftler Martin Stuflesser. Ein Sakrament bestehe stets aus zwei Teilen: der Zeichenhandlung und dem das Zeichen deutenden (Gebets-)Wort. Jede sakramentale Handlung bedürfe natürlich des deutenden Wortes, aber "es ist wichtig, dass das Symbol optisch, haptisch, ja in seiner Feiergestalt wahrgenommen wird." Liturgie brauche starke Symbole. "Wir reden davon, dass in der Taufe die Urfluten erfahrbar werden. Mit drei Tropfen Wasser gelingt das sicher nicht", so Stuflesser. Denn die Menschen seien medial trainiert und – Stichwort Instagram – an visuelle Kommunikation gewöhnt. "Wir haben ein Glaubwürdigkeitsproblem, wenn sich in der Liturgie die Worte, die wir sprechen, nicht mit den Zeichen und Handlungen decken."
Seit anderthalb Jahren tauft Pfarrer Mönkebüscher in seinem großen Taufbecken. Bisher habe es keinen großen Anstieg bei den Erwachsenentaufen gegeben, sagt er. Weiter machten die Kindstaufen die große Mehrheit aus. Aber es gehe ihm auch nicht darum, mit dem Ganzkörpertaufbecken höhere Taufzahlen zu erreichen oder die gewohnte Taufform abzuwerten. Es soll eine Ergänzung zu den gewohnten Taufbecken in den anderen Kirchen des Pfarrverbundes sein. Und das Ganzkörpertaufbecken in St. Agnes ist nicht nur Taufstelle: die Gemeinde nutze es außerdem als katechetischen Ort und für die Beerdigungsmessen. Dann steht der Sarg des Verstorbenen auf zwei großen Holzbalken direkt über dem Wasser. Denn im Begräbnisritus ist vorgesehen, dass der Sarg oder die Urne mit dem Wasser der Taufe gesegnet wird: Der Herr vollende an dir, was er in der Taufe begonnen hat.