Papst Franziskus unterstützt deutsche Katholiken beim "synodalen Weg"
Papst Franziskus will der katholischen Kirche in Deutschland bei ihrem "synodalen Weg" beistehen. Das schreibt er in einem Brief an "An das pilgernde Volk Gottes in Deutschland", den der Vatikan am Samstag veröffentlichte. In dem 19-seitigen Schreiben führt Papst Franziskus aus, er sehe den synodalen Weg in der Tradition des Zweiten Vatikanischen Konzils. Die Synodalität müsse alle kirchlichen Ebenen durchdringen. Die Kirche stehe vor einer Zeitenwende und einem grundlegenden Wandlungsprozess. Dafür müsse sie die Zeichen der Zeit erkennen, ohne sich zu sehr an den Zeitgeist anzugleichen. Mit seinem Brief wolle er die "Nähe auf dem gemeinsamen Weg kundtun und zur Suche nach einer freimütigen Antwort auf die gegenwärtige Situation ermuntern", so Franziskus.
Marx und Sternberg danken Papst
Die deutschen Bischöfe und Laien fühlen sich durch den Brief von Papst Franziskus bestärkt. Sie dankten Franziskus für seine "ermutigenden Worte", sagten der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx und der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg, in einer gemeinsamen Reaktion. Bischöfe wie Laienvertreter sähen sich durch den Papstbrief "eingeladen, den angestoßenen Prozess in diesem Sinn weiterzugehen". Dabei würden sie das Schreiben "zur Orientierung unseres gemeinsamen Handelns aufgreifen." Damit der "synodale Weg" gelinge, dürfe er sich nicht in "Strukturdebatten erschöpfen", sondern brauche auch eine geistliche Ausrichtung. Franziskus wolle, dass die Kirche weiterhin als "starke geistliche und pastorale Kraft" wahrgenommen werde.
In seinem Brief betont Franziskus den besonderen Stellenwert der Evangelisierung: Sie bedeute weder, dass sich die Kirche an den Zeitgeist anpasse und dabei "ihre Originalität und ihre prophetische Sendung" verliere, noch, dass sie Gewohnheiten und Praktiken zurückgewinne, "die in anderen kulturellen Zusammenhängen einen Sinn ergaben". Vielmehr sei die Evangelisierung ein Weg zum wahrhaft erfahrenen und gefeierten Glauben. Dieser Glaube stehe einer Kultur entgegen, in der Ausländerfeindlichkeit, Gleichgültigkeit, Verschlossenheit sowie Individualismus auf der Tagesordnung ständen. Vielmehr sei es im Geiste dieses Glaubens, nahe am Leben der Menschen zu sein.
In seinem Brief betont der Papst zudem, dass die einzelnen Teile der Weltkirche "in und aus der Weltkirche leben und erblühen; falls sie von der Weltkirche getrennt wären, würden sie sich schwächen, verderben und sterben." Sooft eine kirchliche Gemeinschaft versucht habe, alleine aus ihren Problemen herauszukommen und dabei nur auf die "eigenen Kräfte, die eigenen Methoden" vertraut habe, habe das darin geendet, "die Übel, die man überwinden wollte, noch zu vermehren und aufrechtzuerhalten", so Franziskus.
Außerdem appelliert der Pontifex an die Kirche, sich nicht zu sehr mit regionalen Sondersituationen zu beschäftigen, sondern das große Ganze im Blick zu haben. "Das bedeutet nicht, nicht zu gehen, nicht voranzuschreiten, nichts zu ändern und vielleicht nicht einmal zu debattieren und zu widersprechen", jedoch sei die Verbundenheit in der Weltkirche dabei stets zu berücksichtigen.
Zentrale Antwort auf Kirchenkrise
Ihren "synodalen Weg" hatten die deutschen Bischöfe bei ihrer jüngsten Frühjahrsvollversammlung beschlossen. Er soll eine der zentralen Antworten auf die aktuelle Kirchenkrise sein. Inhaltlich soll es unter anderem um Fragen von Macht und Sexualmoral sowie das Priesterbild in der katholischen Kirche gehen. Einige Bischöfe hatten Kritik an dem Beschluss geübt, darunter der Augsburger Bischof Konrad Zdarsa und der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer. Mitte dieser Woche war bekannt geworden, dass es einen Brief des Papstes zum "synodalen Weg" geben würde. Der Vatikan-Botschafter in Deutschland, Nuntius Nikola Eterovic, hatte den Brief am Wochenbeginn bei der Tagung des Ständigen Rats in Berlin den deutschen Bischöfen überbracht.
Darin warnt Franziskus auch davor, die breite Masse der Gläubigen aus dem Blick zu verlieren. Man solle das Volk Gottes nicht auf eine "erleuchtete Gruppe" reduzieren. Oft sei die Heiligkeit "von nebenan", doch gerade diese Heiligkeit schütze die Kirche vor einer "ideologischen, pseudo-wissenschaftlichen und manipulativen Reduktion". Es sei wichtig, die Menschen des Alltags im Blick zu behalten. Konkrete Folgen leitet er davon allerdings nicht ab.
Linktipp: Bischöfe beschließen "synodalen Weg" zu Sexualmoral und Zölibat
Machtabbau bei Klerikern, Zölibat und Sexualmoral der Kirche sollen Thema sein: Die deutschen Bischöfe haben bei ihrer Vollversammlung einen "verbindlichen synodalen Weg" zur Aufarbeitung des Missbrauchsskandals in Deutschland beschlossen. Dabei wollen sie eng mit den katholischen Laien kooperieren.Franziskus ermuntert die Kirche in Deutschland, beim "synodalen Weg" nicht nur über Strukturen zu verhandeln: Was nun gefragt sei, sei viel mehr als ein "organisatorischer oder funktionaler Wandel", so Franziskus. Die aktuelle Krise könne nicht nur über eine Reform der Verwaltung gelöst werden. Damit sei keiner der eigentlich vitalen Punkte berührt, um die es eigentlich gehe.
Kirche "ohne Seele"
Eine Kirche in "Ordnung und Einklang" sei vielleicht wohl organisiert und modernisiert, bleibe aber "ohne Seele". "Wir würden lediglich ein 'gasförmiges', vages Christentum, aber ohne den notwendigen 'Biss' des Evangeliums, leben", so Franziskus unter Bezugnahme auf Aussagen seines Apostolischen Schreibens "Evangelii Gaudium". Manche Spannungen und Ungleichgewichte müssten ausgehalten werden, das sie "neues Leben verhießen".
Der "synodale Weg" könne nicht ausschließlich reagierend auf äußere Fakten und Notwendigkeiten wie den Rückgang der Geburtenzahl und die Überalterung der Gemeinden antworten. Ein wahrer kirchlicher Wandlungsprozess verlange eine "pastorale Bekehrung". Die Gläubigen bräuchten nun Geduld und die "gesunde Überzeugung, dass es uns niemals gelingen wird, alle Fragen und Probleme gleichzeitig lösen zu können". Die aktuellen Herausforderungen verlangten einen langen Reifungsprozess und eine Zusammenarbeit über mehrere Jahre. (cph/gho)