Papst Johannes Paul I. war für die Pille
Der spätere Papst Johannes Paul I. hat sich als Bischof vor Veröffentlichung der Enzyklika "Humanae vitae" gegen ein Verbot künstlicher Verhütungsmittel ausgesprochen. Das belegen Dokumente, die Teil einer neuen Biographie über den sogenannten 33-Tage-Papst sind. Laut einem Vorabbericht der italienischen Tageszeitung "Avvenire" handelt es sich dabei um den Wortlaut eines Vortrags vor den Bischöfen aus Venetien und der Lombardei sowie eine von ihm verfasste Stellungnahme zur künstlichen Empfängnisverhütung der regionalen Bischofskonferenz von Venetien für Papst Paul VI. Der spätere Papst, Albino Luciani, war damals Bischof im norditalienischen Vittorio Veneto.
In seinen Ausführungen zum Thema Geburtenkontrolle vertrat Luciani während der Bischofsversammlung im Juli 1967 die Auffassung, dass das Naturrecht kein zwingendes Argument für ein Verbot künstlicher Empfängnisverhütung sei. Man dürfe den Begriff "Natur" nicht zu eng fassen, so Luciani. Er verwies darauf, dass auch die Natur selbst die Regelblutungen von Frauen während der Schwangerschaft, der Stillzeit und nach den Wechseljahren aussetze. Außerdem kann die Berufung auf das Naturrecht aus seiner Sicht zu Widersprüchen führen. So seien Menschen zwar von Natur aus schwerer als Luft, heißt es in dem Redemanuskript. Dennoch sei es gut, dass sie mit dem Flugzeug reisten und damit das natürliche Prinzip des Vogelflugs imitierten, argumentierte Luciani.
Zweifel am Verbot der Pille - Frauen nicht anklagen
Die Schlussfolgerung des späteren Papstes lautete: Das Lehramt könne gewiss die natürlichen Gesetze authentisch interpretieren; aber dies müsse mit großer Umsicht geschehen, sobald es zuverlässige Daten in der Hand habe. Im Fall der künstlichen Empfängnisverhütung müsse man angesichts des derzeitigen Wissensstandes sagen, dass künstliche Verhütungsmethoden erlaubt seien oder zumindest, dass es Zweifel hinsichtlich ihrer Beurteilung gebe. Wenn ihre Beurteilung aber zweifelhaft sei, könne man die Personen, welche die Pille benutzten, nicht der Sünde anklagen, so der spätere Papst.
Die ablehnende Haltung Albino Lucianis gegenüber einem Verbot künstlicher Empfängnisverhütung war bislang nur Fachleuten bekannt. Erstmals werden die betreffenden Dokumente nun im Wortlaut veröffentlicht. Im Auftrag des damaligen Patriarchen von Venedig, Kardinal Giovanni Urbani, verfasste Luciani zu diesem Thema im Frühjahr 1968 eine Stellungnahme mit diesem Tenor für Paul VI., der die Bischofskonferenzen dazu befragt hatte.
Am 25. Juli desselben Jahres veröffentlichte Paul VI. seine Enzyklika "Humane vitae", in der er künstliche Empfängnisverhütung dennoch als naturwidrig verbot. Ungeachtet seiner früheren Einwände bekannte sich Luciani daraufhin öffentlich zur päpstlichen Position. Zehn Jahre später, am 26. August 1978, wurde er selbst zum Papst gewählt und gab sich den Namen Johannes Paul I. Er starb – vermutlich an einem Herzinfarkt – nach nur 33 Tagen im Amt. (tja)