Plan gegen Missbrauch: Kein Befreiungsschlag!
Seit 2010, als der Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche in Deutschland erstmals aufbrandete, gab es wohl kaum eine Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz, die so beachtet war wie die vergangenen vier Tage in Fulda. Nicht nur das Medieninteresse war hoch, sondern auch die Nervosität der Bischöfe vor dem Treffen.
Dass die wesentlichen Ergebnisse der Studie schon im Vorhinein durchgestochen worden waren, erhöhte den sowieso schon vorhandenen Druck auf die Oberhirten noch weiter. Denn anders als geplant ging es schon bei der Vorstellung der Studie am Dienstag weniger um die reinen Zahlen oder die Statistik. Im Fokus stand vielmehr die Frage: Wie reagieren die Bischöfe jetzt? Wie gehen sie mit dieser das Fundament der Kirche erschütternden Krise um? Schaffen sie es, glaubwürdig zu vermitteln, dass sie jetzt wirklich handeln wollen? Viel Zeit, ihre Reaktion vorzubereiten, blieb nicht: Schließlich lag den Oberhirten die über 300 Seiten lange Studie erst seit der vergangenen Woche vor; um gemeinsam darüber zu diskutieren, blieben bis zur ersten Pressekonferenz am Dienstag nur wenige Stunden, bis zur Abschlusspressekonferenz gerade mal gut zwei Tage.
Dementsprechend war den Bischöfen Marx und Ackermann die Erleichterung sichtlich anzumerken, als sie am Donnerstag den Journalisten ihren noch druckwarmen 7-Punkte-Plan zum weiteren Kampf gegen den Missbrauch präsentieren konnten. Bis zur letzten Minute hatte das Kollegium um die Formulierungen gerungen.
Sie sind nun ein erster Schritt – mit dem erhofften Befreiungsschlag konnte noch nicht gerechnet werden. So mussten einige der Punkte allgemein gehalten werden und konnten daher das wiederholte Versprechen einer "Wende" noch nicht einlösen. Unter anderem heißt es in dem Sieben-Punkte-Plan, es solle zusätzlich zu den diözesanen Ansprechpersonen künftig auch externe, unabhängige Anlaufstellen geben und die Personalakten der Kleriker sollten künftig nach einheitlichen Standards geführt werden – ein Zeitplan dazu wurde aber nicht genannt. Auch zur von den Opfern immer wieder thematisierten Erhöhung der Entschädigungszahlungen heißt es lediglich, "das Verfahren zu Leistungen in Anerkennung des zugefügten Leids" solle "fortentwickelt" werden. Geklärt werden muss weiterhin die Verantwortlichkeit in der Kirche über die Täter hinaus. Dazu schreiben die Bischöfe: "Wir wollen das klären" – nicht mehr.
Das Ziel, die Perspektive der Opfer einzunehmen und ihnen gegenüber Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen, haben die Bischöfe mit ihrem Plan offenbar nicht erreicht: Er habe zwar nicht erwartet, dass die Bischöfe zu schnellen Ergebnissen kommen würden, ihre "dürftigen Ankündigungen" ließen die Opfer aber "fassungslos" zurück, schreibt Matthias Katsch, Sprecher der Opferinitiative "Eckiger Tisch" in einer ersten Reaktion.
So muss das Fazit nach dieser Vollversammlung gemischt ausfallen. Die Worte, die Kardinal Reinhard Marx als Vorsitzender der Bischofskonferenz und der Missbrauchsbeauftrage Bischof Stephan Ackermann in diesen Tagen zu den Ergebnissen der Studie fanden, waren authentisch. Am Dienstag entschuldigte sich Marx bei den Opfern, nicht nur als Vorsitzender der Bischofskonferenz, sondern auch persönlich. Er schäme sich angesichts der Verbrechen seiner Kirche. Und Ackermann erklärte mit Vehemenz, er werde das Phänomen Missbrauch in seiner Kirche niemals akzeptieren. "Wut" und "Abscheu" empfinde er angesichts dieser Verbrechen.
Dennoch bleibt bei allem Bemühen in dieser Woche in Fulda der Eindruck zurück, dass die Bischöfe noch reichlich Handlungsbedarf haben.