Ratzinger-Aufsatz: Rabbiner wollen Antworten von Koch
Der jüngste Aufsatz zum Verhältnis von Christentum und Judentum des emeritierten Papst Benedikt XVI. sorgt weiter für Aufregung. Die Orthodoxe Rabbinerkonferenz Deutschland äußerte sich am Freitag irritiert über die Publikation des ursprünglich nicht zur Veröffentlichung vorgesehenen Textes. "Für uns stellen sich damit mehr Fragen und Zweifel als positive, zukunftsgerichtete Denkanstöße", betonen die Rabbiner in einem in Köln veröffentlichten Schreiben an den Präsidenten der Vatikanischen Kommission für die religiösen Beziehungen mit dem Judentum, Kardinal Kurt Koch.
Es gehe ihnen weniger um die einzelnen Punkte, die der emeritierte Papst behandele, als um "die sehr grundsätzliche Frage, ob die katholische Kirche das gegenwärtige Judentum wertschätzen kann und worin sich diese Wertschätzung theologisch ausdrückt", heißt es in dem dreiseitigen Schreiben. "Wir können uns des Eindrucks nicht erwehren, dass Papst Benedikt XVI. in seinen theologischen Überlegungen für eine religiöse Wertschätzung des heutigen Judentums und einen darauf gegründeten Dialog wenig Platz lässt."
Beitrag unter katholischen und jüdischen Theologen umstritten
Dies zeige sich exemplarisch an seinen Überlegungen zur biblischen Landverheißung an Israel und seine "apodiktische" Feststellung, dass "eine theologische Deutung des Staates Israel, die die Staatsgründung in Bezug zur biblischen Landverheißung setzt, nach christlichem Verständnis unmöglich" sei, kritisieren die Rabbiner. Benedikt leugne zwar keineswegs das Existenzrecht Israels, erwecke aber den Eindruck, "dass der Staat Israel sich eher historisch zufällig auf seinem heutigen Territorium befindet".
An Koch richtet die Rabbinerkonferenz die Frage, "inwiefern dieser Aufsatz das jüdisch-christliche Gespräch bereichern soll". Zudem will sie wissen, wie die Überlegungen des emeritierten Papstes in Einklang mit den Aussagen von Papst Franziskus zum Judentum stehen.
Der umstrittene Beitrag war in der Juli-Ausgabe der theologischen Fachzeitschrift "Communio" unter dem Namen "Joseph Ratzinger - Benedikt XVI." erschienen. Darin setzte sich der emeritierte Papst mit der Frage auseinander, ob die Kirche an die Stelle des alttestamentlichen Bundes zwischen Gott und dem Volk Israel getreten sei. Die Äußerungen lösten eine Debatte in Fachkreisen aus; zunächst äußerten sich sowohl katholische als auch jüdische Theologen überwiegend kritisch. Dazu zählten etwa der Wuppertaler Dogmatiker Michael Böhnke oder der Rabbiner Walter Homolka. Andere wie der Bochumer Neutestamentler Thomas Söding wiesen die Kritik dagegen zurück. (bod/KNA)