Magazin macht deutschlandweite Umfrage bei Staatsanwaltschaften

Spiegel: Nach Missbrauchsstudie ermitteln fünf Behörden

Veröffentlicht am 27.10.2018 um 10:20 Uhr – Lesedauer: 

Hamburg ‐ Die Missbrauchsstudie sorgt für den Anfangsverdacht: Deshalb hat eine Gruppe Strafrechtler bei Staatsanwaltschaften im Bezirk jeder Diözese Anzeige gegen unbekannt erstattet. Als Reaktion ermitteln nur wenige Behörden. Dabei handelt es sich zum Teil um aktuelle Fälle.

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Nach der Veröffentlichung der Missbrauchsstudie für die katholische Kirche prüfen nach einem Bericht des "Spiegel" (Samstag) fünf Staatsanwaltschaften Ermittlungen. Das habe eine Umfrage des Magazins bei Staatsanwaltschaften in allen 27 Bistümern ergeben. Dabei gehe es um den Verdacht von teils schwerem sexuellen Missbrauch, bisweilen bis ins Jahr 2016.

Durchsuchung sämtlicher Diözesen gefordert

Eine Gruppe Strafrechtsprofessoren um den Passauer Holm Putzke habe Anzeige gegen unbekannt erstattet und sie bei Staatsanwaltschaften im Bezirk jeder Diözese eingereicht. "Es gibt kein Recht der Kirche, ihre Institution von strafrechtlichen Eingriffen freizuhalten", zitiert das Nachrichtenmagazin die Professoren.

Sie argumentieren, die jüngste Missbrauchsstudie von Forschern im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz habe "zureichende tatsächliche Anhaltspunkte" für Straftaten geliefert. Daher hätten die Behörden die unbedingte Pflicht, die Akten der Kirche sicherzustellen. Die Fakten der Studie "rechtfertigen eine Durchsuchung sämtlicher Diözesen".

In dem "Spiegel"-Bericht heißt es weiter, noch habe keine Staatsanwaltschaft Akten beschlagnahmt, nur die Generalstaatsanwaltschaften in Bayern hätten an die dortigen Diözesen appelliert, "relevante Dokumente" auszuhändigen. Auf Anfrage, warum sie nicht ermitteln, verweisen demnach die Behörden etwa in Ingolstadt, Münster oder Mainz auf die Anonymität der Studie: Weder Betroffene noch Tatzeiten oder Tatorte seien identifizierbar. Anderswo heiße es, es hätten sich keine Betroffenen gemeldet. In Fulda verlasse man sich auf das "vorbildliche" Anzeigeverhalten durch die Kirche selbst.

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Video: © katholisch.de

Die jungen Menschen in Deutschland werden sich für die Kirche erst dann wieder interessieren, wenn die Kirche sich für sie interessiert, davon ist Weihbischof Johannes Wübbe überzeugt. Damit es in der Begleitung nicht zu Missbrauch kommen kann, will er auf Supervision setzen.

Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) sagte dem Magazin: "Es gibt keine Geheimarchive im Rechtsstaat." Wo ein Verdacht bestehe, müssten "alle nötigen" Ermittlungen erfolgen. "Die Kirche kann sich einer juristischen Aufklärung nicht verweigern." Der Sprecher der Opferinitiative "Eckiger Tisch", Matthias Katsch, sagte: "Es ist überfällig, dass die Staatsanwaltschaften tätig werden."

Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, sagte, der Staat übertrage den Kirchen zwar die Verantwortung für Kitas und Schulen, gebe damit aber nicht die Verantwortung für die Kinder ab. Der Staat stehe für sie "natürlich in der Pflicht", sei dieser aber "nicht immer gerecht geworden".

Weitere Fälle, die nicht erfasst sind

Für die katholische Kirche hatten Wissenschaftler die "Studie über sexuellen Missbrauch an Minderjährigen durch Geistliche im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz" Ende September in Fulda bei der Herbstvollversammlung der Bischöfe vorgestellt. In den kirchlichen Akten der Jahre 1946 bis 2014 hatte das Forscherteam Hinweise auf 3.677 Betroffene sexueller Übergriffe und auf rund 1.670 beschuldigte Priester, Diakone und Ordensleute gefunden. Die Experten gehen zudem von weiteren Fällen aus, die nicht in den Akten erfasst sind. (gho/dpa/KNA)

27.10.2018, 11.10 Uhr: ergänzt weitere Details

Linktipp: Kampf gegen Missbrauch

2010 wurde erstmals eine größere Zahl von Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche in Deutschland bekannt. Seitdem bemüht sich die Kirche um eine Aufarbeitung der Geschehnisse. Bei ihrer Vollversammlung veröffentlichen die deutschen Bischöfe am 25. September 2018 eine Studie, die die Missbrauchsfälle im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz zwischen 1946 und 2014 dokumentiert.