Die Ursprünge der christlichen Taufe

Ein uraltes Ritual, das Menschen bis heute zu Christen macht

Veröffentlicht am 27.04.2019 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Rund um Ostern werden in der Kirche alljährlich viele Menschen getauft und damit in die kirchliche Gemeischaft aufgenommen. Die Taufe ist das erste Sakrament, das jeder Christ empfängt und die "Eingangspforte zu den anderen Sakramenten". Doch wo liegen die Wurzeln und Ursprünge der christlichen Taufe? Unser Autor Fabian Brand gibt einen Überblick.

  • Teilen:

Die Taufe ist das erste Sakrament, das jeder Christ empfängt. Vielmehr muss man sagen: Durch die Taufe wird man erst zum Christ; die Taufe ist – wie es der Codex des Kanonischen Rechts sagt – die "Eingangspforte zu den anderen Sakramenten". In der Taufe sind wir mit den Christen weltweit verbunden, gleich welcher Konfession sie angehören. Seit Beginn des Christentums werden Menschen getauft, um sie in die Kirche aufzunehmen, um ihre besondere Beziehung zu Christus deutlich zu machen. Doch wo liegen eigentlich die Wurzeln und Ursprünge der christlichen Taufe?

Religionsgeschichtlich gesehen ist die christliche Taufe keine Neuerfindung. Zumindest der Kerngedanke einer rituellen Waschung oder eines Tauchbades ist schon im Judentum vorhanden. Im Alten Testament kann man zum Beispiel nachlesen, wie der an Aussatz erkrankte Hauptmann Naaman durch ein Bad im Jordan geheilt wird (vgl. 2 Kön 5). Auch in den Psalmen taucht immer wieder der Zusammenhang zwischen der Vergebung der Sünden und einer damit verbundenen Waschung auf (vgl. Ps 51,9: "Entsündige mich mit Ysop, dann werde ich rein; wasche mich und ich werde weißer als Schnee").

Waschungen zur Erlangung der inneren und äußeren Reinheit

Dieser Gedanke hat in unterschiedliche Gruppierungen des Judentums ganz praktisch Eingang gefunden: Waschungen gehörten zur Erlangung der inneren und äußeren Reinheit beinahe täglich zum festen Ritual. Besonders in der Gemeinschaft von Qumran scheint eine derartige Waschung regelmäßig praktiziert worden zu sein: Bei den Ausgrabungen des Ortes in den 1950er Jahren legten die Archäologen zahlreiche Zisternen, Wasserkanäle und Tauchbecken frei. Dies deuteten die Forscher als Indiz, dass die Bewohner großen Wert auf die Durchführung von vermutlich religiösen Waschungen legten. Es zeigt jedenfalls, dass der Gedanke von der reinigenden Wirkung des Wassers bereits sehr alt ist und im frühen Judentum auch ganz praktisch ausgeführt wurde.

Player wird geladen ...
Video: © katholisch.de

Durch die Taufe werden in Deutschland jährlich rund 160.000 Kinder in die katholische Kirche aufgenommen. "Katholisch für Anfänger" erklärt das Sakrament der Taufe und ihre Bedeutung im Glauben.

In rabbinischer Zeit, also nach der Zerstörung des zweiten Jerusalemer Tempels, erlangte die rituelle Waschung einen neuen Aufschwung und wurde zu einer festen Größe im Leben der jüdischen Gemeinschaften. In den Gemeinden wurden Mikwaot (Mehrzahl von "Mikwe") errichtet, Tauchbäder mit fließendem ("lebendigem") Wasser, in denen sich die Gläubigen von ihrer Unreinheit befreien konnten. Die kultische Reinheit, der im Judentum ein hoher Wert beigemessen wird, konnte so immer wieder durch einfache Waschungen im Ritualbad wiedererlangt werden.

Ob ein derartiges Tauchbad in der Mikwe für Menschen, die zum Judentum übergetreten waren, schon in vorchristlicher Zeit üblich war, ist umstritten. Sicher bezeugt ist zumindest für das erste nachchristliche Jahrhundert, dass es eine sogenannte "Proselytentaufe" im Judentum gab. Sie wurde wohl – neben der Beschneidung – zum eigentlichen Initiationsritus für neue jüdische Gläubige. Die Unreinheit, mit der Heiden normalerweise belegt waren, wurde durch das Bad in der Mikwe abgewaschen. Die dadurch erlangte kultische Reinheit ermöglichte es, fortan an den Versammlungen der jüdischen Gemeinde teilzunehmen.

Taufe "zur Vergebung der Sünden"

Während im Alten Testament die Reinigung mit Wasser bereits im Zusammenhang mit der Befreiung von Sünden gesehen wird, wird dieser Gedanke im Neuen Testament nochmals explizit aufgegriffen und vertieft. Hier ist es zunächst Johannes der Täufer, der an prominenter Stelle auftritt und seine Taufe "zur Vergebung der Sünden" (vgl. Mk 1,4) praktiziert. Als Vorläufer des Messias schildern alle vier Evangelien übereinstimmend eine Tauftätigkeit des Johannes in der Wüstengegend am Jordan. Die Evangelien kennzeichnen Johannes als Gerichtsprophet, der mit einer nachdrücklichen Predigt zur Umkehr aufruft.

Motive für das Bild, das die Evangelisten vom Täufer Johannes zeichnen, finden sich schon beim alttestamentlichen Propheten Maleachi (vgl. Mal 3). In der Jordantaufe liegt eine symbolhafte Inszenierung der Befreiung der Israeliten aus Ägypten vor: Die Wüste, in der die Predigttätigkeit des Johannes verortet wird, ist der Ort, der in besonderer Weise mit der messianischen Erwartung verbunden ist. Der Gedanke, dass die erste Erlösung auch das Vorbild der letzten Erlösung ist, wirkt hier nach. So wie die Wüstengenerationen unter der Führung des Mose in das Gelobte Land geführt wurde, so werden auch die Menschen zur Zeit des Johannes aus der Wüste in das messianische Reich geleitet. Auch die Kleidung des Täufers als Nomade ("ein Gewand aus Kamelhaar und ein lederner Gürtel um seine Hüften", Mk 1,6) und die typischen Wüstenspeisen ("er lebte von Heuschrecken und wildem Honig", Mk 1,6) sind ein Hinweis auf diese Wüstenzeit.

Linktipp: Die Taufe – Das sollten Sie wissen!

Vorbereitung, Gottesdienstablauf und Bedeutung: Katholisch.de bietet rund um die Taufe Informationen in Wort, Bild, Videoform und als PDF zum Ausdrucken an.

Johannes knüpft mit seiner Tauftätigkeit zwar an den Gedanken der Entsühnung durch eine Wasserwaschung an, er durchbricht sie aber zugleich und füllt sie mit einem neuen Inhalt. Es wird geschildert, dass die Menschen zu Johannes kamen, um getauft zu werden. Die Johannestaufe ist also kein aktiver Vorgang wie die rituelle Waschung oder die Proselytentaufe im Judentum. Man kann sie nicht selbst vollziehen, sondern man wird von einem anderen getauft. Zugleich ist die Taufe, die Johannes spendet, ein einmaliger Vorgang. Um seinen Umkehrwillen deutlich zu machen, genügt es, sich einmal taufen zu lassen. Es ist kein wiederholbarer Akt, wie beispielsweise die Waschungen in der Mikwe. Und schließlich steht für Johannes nicht der Gedanke der kultischen Reinheit im Vordergrund, sondern das Moment der Sündenvergebung. Während Johannes also altbekannte Motive für seine Tauftätigkeit aufgreift, füllt er sie dennoch mit einem neuen Sinngehalt. Die Johannestaufe ist untrennbar mit der Erwartung des unmittelbar bevorstehenden Messias verknüpft. Das kommende Gericht ist nicht abzuwenden; die einzige Chance besteht darin, in der mit Umkehr verbundenen Vergebung der Sünden doch noch dem alles entscheidenden Richtspruch zu entkommen. Diese Brisanz prägt das Auftreten des Täufers.

Auch Jesus – so berichten die Evangelien – reiht sich in die Schlange der Umkehrwilligen ein und lässt sich von Johannes im Jordan taufen. Gott nimmt Anteil am Schicksal der Sünder; obwohl er selbst ohne Sünde ist, gliedert er sich in die Gemeinschaft der schuldiggewordenen Menschen ein. Bei seiner Taufe wird deutlich, wer Jesus wirklich ist: In der erzählten Audition und Vision der Taufe wird Jesus als königlicher Messias und eschatologischer Prophet vorgestellt. Wie in einem Brennglas wird öffentlich bekannt, wer dieser Jesus aus Nazareth wirklich ist. Das Gedenken an die Taufe Jesu im Jordan ist deswegen eigentlich auch ein Festgeheimnis des Epiphanie-Festes.

Die Taufe als ein Anteilerhalten an Jesu Ostersieg

Jesus hat die Taufe des Johannes nicht weitergeführt. Zumindest schweigen die synoptischen Evangelien über eine Tauftätigkeit Jesu. Alleine bei Johannes findet sich ein dezenter Hinweis hierfür, dort heißt es: "Darauf kam Jesus mit seinen Jüngern nach Judäa. Dort hielt er sich mit ihnen auf und taufte" (Joh 3,22). Allerdings relativiert schon das drauffolgende Kapitel die eben getroffene Aussage: "allerdings taufte nicht Jesus selbst, sondern seine Jünger" (Joh 4,2). Der Grund, warum Jesus die Johannestaufe nicht übernommen hat, liegt vermutlich im Wandel der Botschaft: Während Johannes vor allem als Gerichtsprophet auftrat, verkündete Jesus den Anbruch des Gottesreiches. Jesus tritt auf, um den Beginn der Heilszeit anzukündigen und nicht, um den Menschen mit dem kommenden Gericht zu drohen.

Die Taufpraxis der Christusgläubigen hat ihre Ursprünge in einem uralten Ritual, das im Laufe der Zeit mit verschiedenen Sinngehalten gefüllt wurde. Obwohl sie vor allem mit der Johannestaufe verwandt scheint, unterscheidet sich die christliche Taufe dennoch in grundsätzlichen Punkten von ihr. Denn schon in den neutestamentlichen Schriften wird die Taufe besonders als ein hineingetauft werden in den Leib Christi verstanden, als neugeboren werden mit ihm und ein Anteilerhalten an seinem Ostersieg. Trotz allem ist die Taufe keine wirklich christliche Neuerfindung. Es ist gut, sich immer wieder an die Wurzeln dieses Sakraments zu erinnern und vielleicht gerade dadurch eine Verbindungslinie zum Judentum zu bewahren.

Von Fabian Brand