Mehr als Grabeskirche und Co.

Unbekannte Pilgerorte im Heiligen Land

Veröffentlicht am 03.02.2019 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Jerusalem, Bethlehem und Nazareth - für diese großen und bekannten Pilgerorte ist das Heilige Land bekannt. Doch es gibt in Israel viele weitere Stätten, die nur selten von Pilgern aufgesucht werden. Katholisch.de stellt eine kleine Auswahl vor.

  • Teilen:

Ankerkirche in Tiberias

Am Westufer des Sees Genesareth, am südlichen Ende des antiken Tiberias, erhebt sich ein Berg, von dessen Gipfel man den weiten Ausblick über den See und die angrenzenden Dörfer genießen kann. Im Norden erkennt man den Berg Hermon und im Süden, das Jordantal hinab, das Gebirge von Gilead. Im Arabischen trägt der Berg den Namen Quasr Bint al-Malik ("Palast der Königstochter"), im Deutschen wird er meistens einfach als "Berg Berenike" bezeichnet.

Da man hier den von Flavius Josephus erwähnten Palast der Prinzessin Berenike vermutete, führte man Anfang der 1990er Jahre Ausgrabungen durch. Dabei kamen nicht die Überreste einer königlichen Residenz, sondern die Grundmauern einer byzantinischen Kirche zum Vorschein. Daran angeschlossen fanden die Ausgräber die Fundamente einiger Nebengebäude, die auf einen Klosterkomplex hindeuten. Unter dem Altar, an der Stelle, an der sich normalerweise die Reliquien von Heiligen befinden, kam bei den Ausgrabungen ein riesiger Basaltstein zum Vorschein. Die Vorder- und Rückseite sind ordentlich behauen, in der Mitte befindet sich ein Loch. Vermutlich handelt es sich um einen Ankerstein, wie er in der Gegend um den See typisch ist. Oder aber man hat hier einen Kultstein aus vergangenen Epochen in den Kirchenbau integriert.

Warum dieser Stein an dieser Stelle liegt, konnten die Ausgräber nicht klären. Vielleicht befand sich an dieser exponierten Stelle auf dem Berg eine Wallfahrtskirche, in der ein Stein gezeigt wurde, der in irgendeiner Weise in Verbindung zum Leben Jesu stand. Eine ähnliche "Stein-Verehrung" findet man zum Beispiel in der Brotvermehrungskirche in Tabgha oder in der Grabeskirche in Jerusalem. Bislang ist das Rätsel des Ankersteins nicht gelöst. Möglich, dass hier eine Tradition verehrt wurde, die im Laufe der Jahrhunderte verloren gegangen ist. Auch wenn man nicht explizit ein Ereignis aus dem Leben Jesu lokalisieren kann, lohnt sich der Aufstieg und der fantastische Blick über den See Genesareth und das weite Land doch allemal.

Eine Prozession in der Grabeskirche.
Bild: ©KNA

Auch in der Grabeskirche in Jerusalem wird ein besonderer Stein verehrt.

Die Herberge des Barmherzigen Samariters

Beeindruckend schlängelt sich der Weg von Jericho aus der Jordanebene durch die Judäische Wüste bis hinauf nach Jerusalem. Ungefähr auf halber Strecke, an der heutigen Verbindungsstraße zwischen dem Toten Meer und dem Bergland, findet man die sogenannte "Herberge zum Barmherzigen Samariter" (Good Samaritan Inn). Hier hat die Tradition das berühmte Gleichnis aus dem zehnten Kapitel des Lukasevangeliums konkret verortet. Zwar ist das Geschehen nur Teil eines Gleichnisses und deshalb nicht als historisches Ereignis lokalisierbar, dennoch vermittelt der Blick hinab in die Ödnis des Wadi Quelt auch heute noch einen Eindruck des Raumes, in dem sich die unterschiedlichen Begegnungen, von denen Jesus im Gleichnis erzählt, abgespielt haben.

Die Raststation, die an dieser Stelle wohl erstmals im 6. Jahrhundert errichtet wurde, war unumgänglich. Die Reisenden, die auf dem Weg hinauf nach Jerusalem waren oder bereits auf dem Rückweg hinab ins Jordantal, brauchten eine Unterkunft, um nicht in der Wüste übernachten zu müssen. Auch eine Kirche war in dieser Karawanserei vorhanden. Aufgrund des anhaltenden Pilgerstromes wurde die Raststation in der Kreuzfahrerzeit mehrfach umgebaut und erweitert. Bis hinein ins letzte Jahrhundert war sie in Betrieb und bot den zahlreichen Pilgern eine willkommene Herberge.

Heute befindet sich am Ort der damaligen Karawanserei ein Museum, in dem zahlreiche Mosaiken ausgestellt wurden. Die Felsen, die man in dieser Gegend sehen kann, sind auffallend rot gefärbt. Schon im Alten Testament werden sie als "maale adumim", also als Blutsteige bezeichnet (Jos 15,7).

Bild: ©picture alliance / akg-images

Die Herberge in der der barmherzige Samariter den überfallenen Reisenden zurücklässt, kann in der Judäischen Wüste besichtigt werden. Der kolorierte Kupferstich von Matthäus Merian d. Ä. (1593-1650) zeigt das Gleichnis.

Kathisma-Kirche

Auf dem Weg von Jerusalem nach Betlehem befindet sich direkt an der Hauptstraße ein unauffälliges Gelände mit einer Ruine. Mittlerweile sind die Überreste, die man dort sehen kann, von Olivenbäumen umsäumt und werden nur von sehr wenigen Besuchern überhaupt beachtet.

Die Tradition hat hier den Ort festgemacht, an dem Maria und Josef auf dem Weg nach Betlehem gerastet haben. Zumindest beschreibt das Protoevangelium des Jakobus aus dem 2. Jahrhundert n.Chr. diese Szene ziemlich ausführlich: "Und als sie den halben Weg hatten, sagte Maria zu Josef: Lass mich von der Eselin absteigen, denn das Kind drückt mich und will herauskommen. Da half er ihr von der Eselin herunter." Aufgrund dieser Episode wird das Gelände auch Kathisma (griechisch "Niedersitzen") genannt.

Um 450 n.Chr. errichtete man an diesem Ort eine erste Wallfahrtskirche, die mehrfach umgebaut wurde und in einer letzten Bauphase sogar als Moschee diente. In der Mitte der achteckigen Kirche befand sich ein Steinblock, der von den Pilgern verehrt wurde. Wann die Kirche zerstört wurde, ist nicht bekannt. Die Tradition der sogenannten "Maria Rast" ist allerdings erhalten geblieben. Bis heute gibt es vor allem in Süddeutschland und Österreich einige Kirchen, die das Ausruhen der Gottesmutter auf dem Weg nach Betlehem überliefern.

Bild: ©KNA

Bei einer Pilgerwanderung durch die Judäische Wüste können alte Klöster entdeckt werden.

Die Klöster der Wüste Juda

In byzantinischer Zeit blühte die Judäische Wüste sprichwörtlich. Zahlreiche Klöster wurden in dieser Gegend errichtet und zeugten von einem regen Mönchsleben. Die Wüstenväter, wie die frühen Mönche auch genannt wurden, orientierten sich häufig am Beispiel von Antonius dem Großen. Er zog sich in die Einsamkeit der Wüste zurück, um in der Abgeschiedenheit Gott zu suchen und ihm im ständigen Gebet und im Kampf gegen die Dämonen der Wüste näher zu kommen.

Die meisten Mönche der Judäischen Wüste lebten in sogenannten Lauren ("Gassen"). Als Laura bezeichnet man eine Kommunität von Mönchen, die in getrennten Zellen leben. Sie verbringen den Großteil der Woche in Einsamkeit und treffen am Samstag und Sonntag zum gemeinsamen Gebet und zur Vorbereitung der folgenden Woche zusammen. Die Laura besteht aus zwei Elementen: der Kirche als Zentrum und den herum gruppierten Zellen der Mönche.

Angeblich lebten in byzantinischer Zeit zehntausende von Mönchen in den Lauren der Judäischen Wüste. Eindrucksvolle Ruinen haben sich bis heute erhalten, nur wenige der Klöster wurden wiederbelebt. Bei einer Wanderung durch die Wüste lohnt sich auf jeden Fall ein Besuch unterschiedlicher Klöster. Beispielsweise das Kloster Mar Saba oder das Georgskloster im Wadi Quelt geben ein eindrucksvolles Zeugnis vom einst so blühenden Leben hier in der Wüste Juda.

Bild: ©Jaroslav - stock.adobe.com

In Naïn erweckte Jesus einen Jüngling vom Tod zum Leben, wie das Lukasevangelium berichtet.

Naïn

Abseits der gängigen Pilgerwege befindet sich, in der Jesreel-Ebene nahe des Berges Tabor, das Dörfchen Naïn. Das Lukasevangelium (7,11-16) berichtet, dass Jesus in dieser Stadt einen jungen Mann zu neuem Leben erweckte. Trotz dieser eindeutigen Erwähnung des Ortes im Neuen Testament, ist das heute muslimische Dorf den meisten Pilgern nahezu unbekannt. Auch wenn im Ort selbst nur wenig zu sehen ist, rentiert sich ein Besuch der Kirche allemal. Es ist auch eine schöne Gelegenheit, den Evangelienabschnitt einmal "an Ort und Stelle" zu lesen.

Bereits in byzantinischer Zeit hat es hier eine Kirche gegeben. Zumindest berichtet die Pilgerin Egeria vom Besuch des Dorfes: "Im Dorf Naïn, im Haus der Witwe, deren Sohn auferweckt wurde, steht nun eine Kirche; das Grab aber, wo sie ihn hinlegen wollten, ist dort bis heute." Der Franziskanerorden konnte in den 1870er Jahren das Gelände mit den Überresten einer Kapelle erwerben. In den Folgejahren wurde eine neue Kirche errichtet, die an die Erweckung des "Jünglings von Naïn" erinnert. Archäologische Ausgrabungen ergaben, dass der Ort in byzantinischer Zeit besiedelt war; das Stadttor, von dem das Lukasevangelium berichtet, konnte allerdings nicht gefunden werden.

In der Nähe der heutigen Kirche befand sich lange Zeit ein kleiner Friedhof, auf dem die verstorbenen Kinder der Dorfbewohner beigesetzt wurden. Dadurch hat sich auf eine unaufdringliche Weise die Erinnerung an das Wunder erhalten, das Jesus in der Stadt Naïn gewirkt hat.

Von Fabian Brand