Verteidiger von Kardinal Pell nicht länger im Berufungsteam
Der Anwalt des wegen Missbrauchs verurteilten australischen Kardinals George Pell, Robert Richter, will beim Berufungsprozess nicht Teil des Verteidigerteams sein. Es sei besser für den Kardinal, wenn er von jemandem unterstützt werde, der mehr Distanz aufbringen könne, sagte der Jurist der australischen Zeitung "The Sydney Morning Herald". Er selbst sei emotional zu sehr beteiligt. "Ich bin sehr ärgerlich über das Urteil, weil es pervers ist." Pell sei unschuldig und trotzdem verurteilt worden. Richter verneinte jedoch, dass er als Verteidiger vollständig aufhöre, und sagte, dass er gegebenenfalls zur Beratung zur Verfügung stehe.
Richter zweifele daran, dass er als Verteidiger über "ausreichend Objektivität" verfüge, um die Berufung selbst voranzubringen, erklärte einer der weiteren Rechtsvertreter Pells. Die Anwaltskanzlei des prominenten Verteidigers bestätigte, dass es nicht Richters Praxis sei, einen Prozess zu führen und anschließend auch die Berufung einzuleiten.
Der Kardinal war Ende Februar von einem Geschworenengericht in Australien des sexuellen Missbrauchs für schuldig gesprochen worden. Bis zur Verkündung des Strafmaßes am 13. März muss er in Untersuchungshaft bleiben. Der Kardinal wurde für schuldig befunden, 1996 als Erzbischof einen 13 Jahre alten Jungen in der Sakristei der katholischen Kathedrale von Melbourne sexuell missbraucht und einen anderen belästigt zu haben. Pell beteuert seine Unschuld und hat Berufung eingelegt.
Richter vertritt den Kardinal seit 2017. Vergangene Woche hatte er sich für das Herunterspielen von sexuellen Übergriffen auf Minderjährige als "Blümchensex" öffentlich entschuldigt. "Im Bestreben, eine milde Strafe zu erlangen, habe ich eine vollkommen unangemessene Wortwahl benutzt, für die ich mich bei allen zutiefst entschuldige, die diese in einer Weise interpretiert haben, wie sie nie gemeint war", hieß es in einer Erklärung Richters.
Weiteres Verfahren droht
Unterdessen könnte Pell ein weiteres Verfahren drohen. Ein 50-jähriger Mann plant laut australischen Medien eine Zivilklage gegen ihn. In dem neuen Fall geht es um Vorwürfe sexuellen Fehlverhaltens in einem Schwimmbad in Pells Heimatort Ballarat in den 70er Jahren. Der Vorwurf sollte zunächst Gegenstand eines zweiten Strafrechtsverfahrens sein, das aber von der Staatsanwaltschaft eingestellt wurde.
Er habe sich "leer" gefühlt, als der Strafprozess eingestellt wurde, ohne dass er ausgesagt hatte, sagte der Mann, der Pell beschuldigt, nach Angaben der australischen Zeitung "The Age". Es habe ihn "viel Mut gekostet, seine Geschichte zu erzählen", zitiert die Zeitung aus der Klageschrift.
Der Mann plant dem Bericht zufolge nicht nur eine Klage gegen Pell, sondern auch gegen den australischen Bundesstaat Victoria, die Erzdiözese Melbourne und gegen die Betreiber des katholischen Kinderheims, in dem er zum Zeitpunkt des mutmaßlichen Missbrauchs lebte. Er fordert eine Entschädigung für seelische Schäden, Arztkosten und Gehaltseinbußen.
Am Freitag war zudem bekannt geworden, dass die australische Justiz gegen mehr als 100 Journalisten und Verlage vorgeht, die gegen die Nachrichtensperre im Missbrauchsprozess gegen Pell verstoßen haben. Das Verbot richtete sich an alle Medien, die in Australien gelesen werden können, also auch an ausländische Onlinepublikationen. (tmg/KNA)
5.3., 12:45 Uhr: Ergänzt um die Absätze 2 sowie 5 bis 7.